Aufwendungen für die Sanierung eines selbst genutzten Wohngebäudes können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein. Der Grund für die Sanierung darf allerdings weder beim Erwerb des Grundstücks erkennbar gewesen noch vom Grundstückseigentümer verschuldet worden sein. Auch muss der Steuerpflichtige realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte verfolgen, bevor er seine Aufwendungen steuerlich geltend machen kann und er muss sich den aus der Erneuerung ergebenden Vorteil anrechnen lassen (Neu für Alt).
Drei Urteile zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für die Sanierung eines selbst genutzten Wohngebäudes als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein können:
VI R 47/10, Asbestgedecktes Dach
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat im Streitjahr 2005 eine Asbestsanierung des Daches ihres Hauses (Baujahr 1976) ohne Einholung eines Gutachtens über gesundheitliche Gefahren vorgenommen und die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Das FG erkannte die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen an.
VI R 70/10, Befall eines Gebäudes mit Echtem Hausschwamm
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bewohnt eine Eigentumswohnung (Baujahr 1900), die - wie eine andere Eigentumswohnung in dem Gebäude auch - mit Echtem Hausschwamm befallen war. Ein von der Wohnungseigentümerversammlung eingesetzter Sachverständiger für Holz- und Bautenschutz empfahl eine umfassende Sanierung des Gebäudes zur Bekämpfung des Echten Hausschwamms. Die Klägerin machte den auf sie entfallenden Anteil der Sanierungsaufwendungen in ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 erfolglos als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FG gab der Klage überwiegend statt.
VI R 21/11, Geruchsbelästigungen
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Kalenderjahr 2000 ein mit einem Fertighaus (Baujahr 1973) bebautes Grundstück. Bereits bei dem Einzug in das Haus nahmen die Kläger einen unangenehmen Geruch wahr. Die im Jahr 2003 geborene Tochter der Kläger befand sich seit 2006 wegen einer Atemwegserkrankung regelmäßig in pneumologischer Behandlung. Im Streitjahr 2008 wurde die Fassade des Gebäudes überwiegend saniert. Die dafür im Streitjahr 2008 gezahlten Aufwendungen machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Die Einkommensteuer wird auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen (§ 33 Abs. 1 EStG).
VI R 47/10, Asbestgedecktes Dach
Gehen von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs konkrete Gesundheitsgefährdungen aus, entstehen die Aufwendungen zur Beseitigung dieser Gefährdung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG) und sind deshalb grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar (vgl. BFH-Urteile vom 09.08.2001, 23.05.2002, 11.11.2010). Die tatsächliche Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für Sanierungsarbeiten an Asbestprodukten ist aber nicht anhand der abstrakten Gefährlichkeit von Asbestfasern zu beurteilen; erforderlich sind zumindest konkret zu befürchtende Gesundheitsgefährdungen. Aufwendungen zur Beseitigung konkreter Gesundheitsgefährdungen sind nur dann abziehbar, wenn den Grundstückseigentümer kein Verschulden an der Belastung trifft, die Belastung für ihn zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht erkennbar war und realisierbare Ersatzansprüche gegen Dritte nicht gegeben sind (BFH-Urteil vom 09.08.2001). Es ist nicht erforderlich, dass vor Durchführung dieser Maßnahmen ein amtliches technisches Gutachten erstellt wird; gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (BGBl I 2011, S. 2131) geänderten Anforderungen an den Nachweis außergewöhnlicher Belastungen (vgl. BFH-Urteil vom 29.03.2012, VI R 21/11).
Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob sich die Klägerin den Aufwendungen für die Sanierung des Daches an ihrem Haus aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte.
VI R 70/10, Befall eines Gebäudes mit Echtem Hausschwamm
Nach der Rechtsprechung des BFH können auch Kosten zur Wiederherstellung der Bewohnbarkeit eines selbstgenutzten Gebäudes, das durch ein von dem Steuerpflichtigen nicht beeinflussbares außergewöhnliches Ereignis beschädigt wurde, Aufwendungen i.S. von § 33 EStG sein (BFH-Urteil vom 06.05.1994). Tauscht der Steuerpflichtige gesundheitsgefährdende Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu für Alt") (BFH-Urteil vom 11.11.2010). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Befall mit Echtem Hausschwamm unentdeckt geblieben, hat die Statik des Gebäudes gefährdet und eine aufwendige Sanierung zur Folge gehabt. Die daraus folgende Würdigung des FG, nicht der Befall des Gebäudes mit Echtem Hausschwamm als solcher, sondern die aus der konkreten und unmittelbar bevorstehenden Unbewohnbarkeit des Gebäudes folgende aufwendige Sanierung sei ein unabwendbares Ereignis, verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungssätze, so dass sie für das Revisionsgericht bindend ist. Das FG hat zu Recht die auf die Klägerin entfallenden Aufwendungen zur Beseitigung des Echten Hausschwamms als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
VI R 21/11, Geruchsbelästigungen
Kosten für übliche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen oder die Beseitigung von Baumängeln können nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. War der Einsatz mittlerweile verbotener schadstoffhaltiger Materialien zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes erlaubt, liegt jedenfalls für das Jahr der Errichtung des Gebäudes kein Baumangel vor (BFH-Urteil vom 09.08.2001). Nichts anderes kann nach der Auffassung des Senats gelten, wenn ein solches Gebäude nach einem Verbot der Materialien an den Steuerpflichtigen veräußert wurde. Denn das Rechtsgeschäft der Veräußerung hat die tatsächliche Beschaffenheit des Gebäudes nicht verändert. Handelt es sich um Geruchsbelästigungen, ist das Überschreiten von objektiv feststellbaren Geruchsschwellen erforderlich. Der Umstand, dass ein vor Durchführung der Beseitigungs- bzw. Wiederherstellungsmaßnahmen erstelltes amtliches technisches Gutachten nicht vorliegt, steht dem Abzug der durch unabwendbare Ereignisse veranlassten Aufwendungen nicht entgegen. Gleichwohl hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass er sich den Aufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnte. Dass die Sanierung zugunsten der Tochter der Kläger erforderlich gewesen sein könnte, weil die Holzschutzmittel für die Atemwegserkrankung der Tochter ursächlich waren, kann von Bedeutung sein. Der Steuerpflichtige hat den Nachweis der Zwangsläufigkeit bei Aufwendungen im Krankheitsfall in den in § 64 Abs. 1 EStDV aufgezählten Fällen zu erbringen. Bei einer Sanierung von Gebäuden zur Beseitigung von Schadstoffen ist keiner dieser Fälle einschlägig. Insbesondere bedarf es vorliegend keines amtsärztlichen Gutachtens.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben, das FG hat weitere Feststellungen dahingehend zu treffen, ob die aus der Sanierung entstehende Belastung für die Kläger im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs erkennbar war. Gelingt den Klägern im Streitfall der Nachweis, dass sie sich den Sanierungsaufwendungen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen konnten, wird der Abzug der Sanierungskosten auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Tauscht der Steuerpflichtige wegen einer aus tatsächlichen Gründen bestehenden Zwangslage Gegenstände des existenznotwendigen Bedarfs aus, so steht die Gegenwertlehre dem Abzug der Aufwendungen nicht entgegen. Der sich aus der Erneuerung ergebende Vorteil ist jedoch anzurechnen ("Neu für Alt"). Das FG wird auch sicherzustellen haben, dass in den Sanierungskosten keine wertsteigernden Aufwendungen enthalten sind.
Betroffene Norm
§ 33 Abs. 1 EStG
Streitjahre 2005, 2007, 2008
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.11.2009, 6 K 2314/07, EFG 2011, S. 33 (zu VI R 47/10)
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17.08.2010, 12 K 10270/09, EFG 2011, S. 134 (zu VI R 70/10)
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 17.02.2011, 14 K 425/09 (zu VI R 21/11)
Fundstellen
BFH, Urteil vom 29.03.2012, VI R 21/11, BStBl II 2012, S. 574
BFH, Urteil vom 29.03.2012, VI R 70/10, BStBl II 2012, S. 572
BFH, Urteil vom 29.03.2012, VI R 47/10, BStBl II 2012, S. 570
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 09.08.2001, III R 6/01, BStBl II 2002, S. 240
BFH, Urteil vom 23.05.2002, III R 52/99, BStBl II 2002, S. 592
BFH, Urteil vom 11.11.2010, VI R 16/09, BStBl II 2011, S. 966, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 06.05.1994, III R 27/92, BStBl II 1995, S. 104
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