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24.02.2012
Private Einkommensteuer

BFH: Fehlende Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen

Sachverhalt

Der Kläger ging im Jahr 1992 für die X-GmbH, an der er selbst nicht beteiligt war, gegenüber Y zwei Bürgschaften ein, aus denen er ein Jahr später in Anspruch genommen wurde. Um diese Zahlung leisten zu können, nahm er Darlehen auf, für die er insgesamt 268.976,38 Euro an Zinsen und Gebühren aufwandte. Der Kläger hielt seine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft für unberechtigt und erhob gegen Y erfolgreich Klage. Dem Kläger wurde die Bürgschaftssumme nebst Zinsen (256.355,74 Euro) erstattet. Das Finanzamt erfasste die Zinseinnahmen als Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem Kläger entstandenen Darlehenszinsen blieben unberücksichtigt. Die Klage war erfolglos.

Entscheidung

Die Revision ist begründet. Die vom Kläger im Streitjahr vereinnahmten Verzugszinsen sind der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, da ihnen (in früheren Zeiträumen angefallene, aber nicht als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemachte) Darlehenszinsen als Aufwendungen in übersteigender Höhe gegenüberstehen mit der Folge, dass bei objektiver periodenübergreifender Betrachtung ein Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben nicht erzielt werden konnte.

Verzugszinsen wie auch Prozesszinsen sind Kapitalerträge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da zu den Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich alle Vermögensmehrungen gehören, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind (vgl. BFH-Urteile vom 29.09.1981 und 25.10.1994). Unerheblich ist es, ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.09.1981). Auch eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteil vom 13.11.2007). Verzugszinsen stellen danach aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadensersatz für die Verletzung privater Güter dar, sondern sind Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Steuerpflichtigen zustehenden Kapitals (BFH-Urteil vom 25.10.1994).

Die dem Kläger zugesprochenen Zinsen sind jedoch nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen, da ihnen hohe Zinsaufwendungen gegenüberstanden, so dass der Kläger insoweit keinen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen konnte. Im Ergebnis hat sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht. Schuldzinsen sind als Werbungskosten abzuziehen, soweit sie mit der betreffenden Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Im Streitfall bestand ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kapitalerträgen in Gestalt von Verzugszinsen und den vom Kläger geleisteten Schuldzinsen. Dass die Schuldzinsen für die Fremdfinanzierung außerhalb des Streitjahres beim Kläger abgeflossen sind, steht dem nicht entgegen. Es ist grundsätzlich für die gesamte Dauer der betreffenden Tätigkeit zu prüfen, ob auf Dauer nachhaltige Überschüsse erzielt werden können (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984). Für die Prüfung, ob eine erzwungene Kapitalüberlassung überhaupt zu nachhaltigen Einkünften führen kann, sind die miteinander wirtschaftlich zusammenhängenden Einnahmen (hier: Verzugszinsen) und Ausgaben (hier: Schuldzinsen) ohne Rücksicht auf das Zufluss- und Abflussprinzip (§§ 8, 11 EStG) gegenüberzustellen.

Ob derjenige, der einen Zivilprozess wegen eines Anspruchs im Privatvermögen führt, Verzugs- oder Prozesszinsen zugesprochen bekommt und diese ihm auch tatsächlich zufließen, stellt sich naturgemäß erst am Ende des Prozesses heraus. Vorher lässt sich folglich nicht beurteilen, ob insoweit eine Einnahme erzielt und daran anknüpfend der Tatbestand der Einkünfteerzielung objektiv verwirklicht wird. Die Frage, ob ein objektiver Zusammenhang zwischen Zinseinnahmen und einem diesbezüglichen Finanzierungsaufwand des Steuerpflichtigen besteht und ob sich insgesamt ein Einnahmenüberschuss ergibt, kann erst dann beantwortet werden, wenn die Zinseinnahmen zugeflossen sind.

Betroffene Norm

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Streitjahr 2002

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 24.10.2007, 9 K 3619/05, EFG 2009, S. 1101

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.05.2011, VIII R 3/09, BStBl II 2012, S. 254

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 29.09.1981, VIII R 39/79, BStBl II 1982, S. 113
BFH, Urteil vom 25.10.1994, VIII R 79/91, BStBl II 1995, S. 121
BFH, Urteil vom 13.11.2007, VIII R 36/05, BStBl II 2008, S. 292
BFH, Beschluss des Großen Senats vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, S. 751

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