Im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften wurde für Steuerpflichtige das Wahlrecht geschaffen, auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG in Anspruch zu nehmen. Diese gesetzliche Neuregelung lässt die vom BFH im Urteil vom 11.07.2017 (IX R 36/15, siehe Deloitte Tax-News) angeordnete befristete Fortgeltung der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG nicht entfallen. Steuerpflichtige können im Fall der Nichtausübung des Wahlrechts auch dann nicht auf die Anwendung dieser Fortgeltungsanordnung verzichten, wenn es für sie günstiger wäre, einen Darlehensausfall bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen.
BFH, Urteil vom 20.02.2024, IX R 12/23
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung des Ausfalls von Darlehen im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft.
Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH (Beteiligung von 80 %). In 2013 hatte er eine Bürgschaft gegenüber der Bank zur Absicherung verschiedener Verbindlichkeiten der GmbH übernommen. Außerdem schloss er mit der GmbH in 2015 zwei Darlehensverträge. In 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
In seiner Einkommensteuererklärung für 2016 erklärte der Kläger einen Verlust nach § 17 EStG, der sich aus dem Verlust des Stammkapitals an der GmbH sowie dem Ausfall der Rückzahlungsansprüche aus den Darlehen zusammensetzte. Das Finanzamt erkannte lediglich den Stammkapitalverlust an. Das FG berücksichtigte zusätzlich einen Verlust aus dem Ausfall von Darlehensforderungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die Auffassung des FG und des Klägers, der Verlust aus dem Ausfall der Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die GmbH müsse nicht als nachträgliche Anschaffungskosten den Einkünften aus § 17 Abs. 4 EStG, sondern könne wahlweise steuerlich günstiger den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG zugeordnet werden (sofern kein Antrag nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG gestellt wurde), unzutreffend ist.
Hintergrund: Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts
Mit der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts zum 01.11.2008 durch das MoMiG wurde es erforderlich, neue Maßstäbe für die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus bisher eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen zu entwickeln (vgl. BFH-Urteile vom 11.07.2017, IX R 36/15 sowie vom 20.07.2018, IX R 5/15).
Fortgeltungsanordnung
Die bisherigen Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind nach dem BFH-Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, allerdings weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Urteils (27.09.2017) geleistet hat oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden ist (BFH-Urteile vom 11.07.2017, IX R 36/15; vom 02.07.2019, IX R 13/18; vom 14.01.2020, IX R 9/18 sowie vom 18.07.2023, IX R 21/21). Dem schloss sich im Ergebnis auch die Finanzverwaltung an (BMF-Schreiben vom 05.04.2019).
Gesetzliche Neuregelung
Der Gesetzgeber reagierte auf die BFH-Urteile mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 und führte in § 17 Abs. 2a EStG eine Definition der Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne von § 17 EStG ein. Der in diesem Kontext eingefügte § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen auch nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften im Sinne von § 17 EStG zu berücksichtigen sind. § 17 Abs. 2a EStG ist nach § 52 Abs. 25a S. 1 EStG erstmals für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.07.2019 anzuwenden. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist § 17 Abs. 2a Satz 1 bis 4 EStG nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG auch für Veräußerungen vor diesem Datum anzuwenden.
Fortgeltungsanordnung gilt weiter
Allein die Existenz des Wahlrechts des Steuerpflichtigen, auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG in Anspruch nehmen zu können, hat die im BFH-Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, angeordnete befristete Fortgeltung der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG nicht überholt.
Wie der BFH bereits entschieden hat, sind die bis zum Senatsurteil vom 11.07.2017, IX R 36/15 anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.09.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a S. 2 EStG gestellt hat (BFH-Urteil vom 14.01.2020, IX R 9/18). Der Regelung des § 52 Abs. 25a S. 2 EStG sei nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Fortgeltung beseitigen wollte, so der BFH. Für eine Abkehr von der entschiedenen Fortgeltung der alten Rechtsgrundsätze hätte es einer ausdrücklichen Verlautbarung des Gesetzgebers bedurft.
Ziel der Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG
Durch die Einführung des Wahlrechts für eine rückwirkende Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG sollte sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige Darlehensverluste weiterhin unbeschränkt nach § 17 EStG gewinnmindernd berücksichtigen kann und diese bei Beteiligungen von unter 10 % nicht im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen in einem gesonderten Verlustverrechnungskreis eingesperrt werden. Hingegen kommt in den Gesetzesmaterialien nicht zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber die vom BFH ausgesprochene Fortgeltung entfallen lassen wollte. Vielmehr tritt das Wahlrecht aus § 52 Abs. 25a S. 2 EStG neben die zeitlich befristete Fortgeltung der alten Rechtsgrundsätze, so der BFH.
Erst zeitlich nach dem BFH-Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, hat der BFH entschieden, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach der Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, S. 2, Abs. 4 EStG führen kann (BFH-Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15). Mithin war es das Ziel der Fortgeltung, übergangsweise den Rechtszustand vor der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts zu konservieren, um Steuerpflichtige vorübergehend vor der Situation zu schützen, dass ihre Finanzierungsverluste keine steuerliche Berücksichtigung finden.
Ergebnis im Streitfall
Der Kläger hat keinen Antrag nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG gestellt. Infolgedessen findet die bis dahin gültige Rechtslage, mithin auch die Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen nach der bisherigen Rechtsprechung, Anwendung. Verluste aus dem Ausfall von Finanzierungshilfen eines relevant im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 EStG beteiligten Gesellschafters sind nur insoweit den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuweisen, als sie nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst sind. Dies gilt nach Auffassung des BFH abweichend zur Rechtsansicht des FG und des Klägers auch, wenn sich für Zeiträume, für die die vom BFH angeordnete Fortgeltung der bisherigen Rechtslage noch anwendbar war, ein steuerlich günstigeres Ergebnis bei Zuweisung des Verlusts zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ergäbe (so im Ergebnis auch BMF-Schreiben vom 05.04.2019).
§ 17 Abs. 4 S. 1 EStG, § 52 Abs. 25a S. 2 EStG
Streitjahr 2016
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2023, 14 K 1638/20 E
BFH, Urteil vom 20.02.2024, IX R 12/23
BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl. II 2019, S. 208, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 20.07.2018, IX R 5/15, BStBl. II 2019, S. 194, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 02.07.2019, IX R 13/18, BStBl. II 2020, S. 89, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 14.01.2020, IX R 9/18, BStBl. II 2020, S. 490
BFH, Urteil vom 18.07.2023, IX R 21/21, BStBl. II 2024, S. 169, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 05.04.2019, BStBl. I 2019, S. 257, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15, BStBl. II 2020, S. 831
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