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05.08.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Keine gesonderte Feststellung eines Verlustvortrags nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die Vortragsjahre

Ein verbleibender Verlustvortrag kann nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr gesondert festgestellt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Steuerpflichtige in den bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in die der Verlust hätte vorgetragen werden müssen (§ 10d Abs. 2 EStG), über zur Verlustkompensation ausreichende Gesamtbeträge der Einkünfte verfügt. Das Verlustabzugspotential verschiebt sich nicht in den verfahrensrechtlich noch offenen nächsten Veranlagungszeitraum.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf jeweils den 31.12. der Jahre 1997 bis 1999 (Streitjahre). Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) entstanden in den Streitjahren im Zusammenhang mit seiner Ausbildung zum Piloten Aufwendungen. Diese Aufwendungen erklärte er erstmals mit den in 2006 eingereichten Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs jeweils zum 31.12. der Streitjahre. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen waren die Einkommensteuern für die Jahre 1999 bis 2002 bereits bestandskräftig festgesetzt worden. Das Finanzamt lehnte es ab, Verlustfeststellungen für die Streitjahre zu erlassen, weil die Feststellungsfristen für die Streitjahre 1997 und 1998 abgelaufen seien und die Einkommensteuer des Streitjahres 1999 bestandskräftig festgesetzt worden sei. Der Ablehnungsbescheid erging am 14.01.2008, nachdem die Bearbeitung wegen anhängiger Verfahren vor dem BFH zunächst - im Einvernehmen beider Beteiligter - zurückgestellt worden waren. Zum Zeitpunkt des Ablehnungsbescheids war in Bezug auf die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2000 bis 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Das FG hat es zutreffend abgelehnt, verbleibende Verlustabzüge jeweils zum 31.12. der Streitjahre wegen Ablaufs der Feststellungsfrist gesondert festzustellen. Da der Kläger für die Streitjahre zunächst keine Steuererklärungen abgegeben hatte, endeten die Feststellungsfristen für das Streitjahr 1997 mit Ablauf des 31.12.2004, für das Streitjahr 1998 mit Ablauf des 31.12.2005 und für das Streitjahr 1999 mit Ablauf des 31.12.2006.

Eine Ablaufhemmung kommt (für das Streitjahr 1999) nicht in Betracht. Wird ein Feststellungsbescheid angefochten, läuft die Feststellungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist (§ 171 Abs. 3a i.V.m. § 181 Abs. 1 AO). Das setzt aber voraus, dass der angefochtene Bescheid vor Ablauf der Feststellungsfrist ergangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.2008). Im Streitfall ist der angefochtene Ablehnungsbescheid am 14.01.2008 und damit nach dem Ablauf der Feststellungsfrist erlassen worden. Wird vor dem Ablauf der Feststellungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfeststellung gestellt, so läuft die Feststellungsfrist weiterhin insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden ist (§ 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO). Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung - wie die gesonderte Feststellung eines Verlustvortrags - ist indes nach einhelliger Auffassung kein Antrag (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.07.2008).

Die jeweils am Schluss der Streitjahre verbleibenden Verlustvorträge sind auch nicht nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfristen gemäß § 181 Abs. 5 AO gesondert festzustellen. Nach dieser Norm kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 war aber jeweils bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen, als das Finanzamt den Ablehnungsbescheid erließ.

Der Verlust konnte nur in die Jahre bis einschließlich 2002 vorgetragen werden (§ 10d Abs. 2 EStG). In diesen Jahren stand so viel Gesamtbetrag der Einkünfte zur Verfügung, um den Verlust insgesamt zu kompensieren. Deshalb sind die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2002 diejenigen, für die eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags allein von Bedeutung ist. Unerheblich ist, ob es verfahrensrechtlich möglich war, die Verluste zu berücksichtigen. Auch wenn für diesen Veranlagungszeitraum - wie im Streitfall - bereits die Festsetzungsfrist abgelaufen, eine Änderung des Einkommensteuerbescheides verfahrensrechtlich mithin nicht (mehr) möglich war, ändert dies nichts daran, dass die Verluste dort abgezogen werden konnten und auch mussten. Das Verlustabzugspotential verschiebt sich nicht in den verfahrensrechtlich noch "offenen" nächsten Veranlagungszeitraum. Wollte man so entscheiden, schüfe man abweichend von § 10d Abs. 2 EStG zusätzliche Abzugsmöglichkeiten.

Betroffene Normen

§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, § 171 Abs. 3 und Abs. 3a AO, § 181 Abs. 1 und Abs. 5 AO, § 10d Abs. 2 EStG, § 10 d Abs. 3 EStG a.F. (§ 10d Abs. 4 EStG n.F.)
Streitjahre 1997 bis 1999

Anmerkung

Eine gesonderte Feststellung nach § 181 Abs. 5 AO ist nur zulässig, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat (§ 10d Abs. 4 S. 6 EStG n.F.). Dies ist nicht gegeben, wenn zwischen Eingang der Erklärung und Ablauf der Feststellungsfrist lediglich ein Tag liegt (siehe hierzu Deloitte Tax-News).

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 20.07.2010, 2 K 2868/08, EFG 2010, S. 1889

Fundstelle

BFH, Urteil vom 29.06.2011, IX R 38/10, BStBl II 2011 S. 963 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 10.07.2008, IX R 90/07, BStBl II 2009, S. 816

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