Fahrtkosten eines selbständigen Lotsen zwischen seiner Wohnung und dem mit einer Lotsenstation versehenen Hafen des Lotsreviers seiner Lotsenbrüderschaft seien regelmäßig nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgabe abziehbar. Das Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft sei eine großräumige Betriebsstätte. Das von der Wohnung getrennte Büro im vom Lotsen bewohnten Mehrfamilienhaus komme nicht als Betriebsstätte in Betracht, weil der Lotse seine berufliche oder gewerbliche Leistung nicht von dort erbringe.
Der Kläger war in den Streitjahren 2003 bis 2006 als Lotse für ein Seelotsrevier tätig und Mitglied der dafür gebildeten Lotsenbrüderschaft. Für die Fahrten mit seinem eigenen PKW zwischen dem von ihm bewohnten Mehrfamilienhaus, in welchem er auch ein Büro für seine Lotsentätigkeit unterhielt, und seinen Einsätzen als Seelotse setzte er die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten an. Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass es sich um Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte handelt, welche lediglich durch die Entfernungspauschale geltend gemacht werden können. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG habe zutreffend entschieden, dass die Fahrten von dem vom Kläger bewohnten Mehrfamilienhaus zu den einzelnen Lotseneinsätzen als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG anzusehen seien und somit die Entfernungspauschale anzusetzen sei.
Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG dürften die Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung des Steuerpflichtigen und der Betriebsstätte nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden, soweit sie über die Entfernungspauschale nach Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 und 5 Sätze 1 bis 6 sowie Abs. 2 EStG hinausgehen. Hierbei sei der Begriff der Betriebsstätte in Anlehnung an den für Arbeitnehmer verwendeten Begriff der Arbeitsstätte dadurch gekennzeichnet, dass er eine ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung voraussetzt die der Steuerpflichtige nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsucht. Somit sei jeweils der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten Tätigkeit (regelmäßige Arbeitsstätte) zu bestimmen (vgl. BFH-Urteil vom 09.06.2011), wobei auch ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG und Tätigkeitsmittelpunkt im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG sein könne.
Im Streitfall seien die Voraussetzungen hierfür erfüllt. Zum einen liege bei dem Lotsrevier einer Lotsenbrüderschaft eine großräumige Betriebsstätte vor. Das Lotsrevier umfasse alle Fahrstrecken in einem durch normative Regelungen begrenzten Einzugsbereich, in dem der Kläger gemeinschaftlich mit den anderen Mitgliedern der Seelotsenbrüderschaft den Mittelpunkt seiner betrieblichen Tätigkeit, Schiffe sicher durch diesen Bereich zu lotsen, habe. Dieser prägende – regionsbezogene – Schwerpunkt der Arbeitstätigkeit des Klägers schließe es aus, den Mittelpunkt der Lotsentätigkeit auf den jeweils gelotsten Schiffen (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2005) oder aber in dem nur der Arbeitsvorbereitung oder Arbeitsnachbereitung dienenden Büro des Klägers in dem von ihm auch zu Wohnzwecken genutzten Mehrfamilienhaus zu sehen. Zum anderen weise diese großräumige Betriebsstätte in der Form der Lotsenstation eine ortsfeste Einrichtung der Lotsenbrüderschaft zur Organisation der Einsätze der Lotsen in dem räumlich begrenzten Zuständigkeitsbereich der Lotsenbrüderschaft auf.
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG, § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG
Streitjahre 2003 bis 2006
Mit Wirkung ab dem 01.01.2014 hat sich das steuerliche Reisekostenrechts deutlich verändert (siehe Deloitte Tax-News). Zentraler Punkt der Neuregelungen ist die gesetzliche Definition der ersten Tätigkeitsstätte/Betriebsstätte, die an die Stelle der regelmäßigen Arbeitsstätte/Betriebsstätte tritt. Unter Betriebsstätte ist eine von der Wohnung dauerhaft getrennte ortsfeste betriebliche Einrichtung des Steuerpflichtigen, eines Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten zu verstehen, von der aus der Steuerpflichtige seine Tätigkeit dauerhaft ausübt. Die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs in Höhe der Entfernungspauschale gilt zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte/Betriebsstätte. Darüber hinaus gilt auch die Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs, wenn der Steuerpflichtige dauerhaft denselben Ort oder dasselbe weiträumige Tätigkeitsgebiet aufsucht.
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.11.2009, 3 K 266/08
BFH, Urteil vom 29.04.2014, VIII R 33/10
BFH, Urteil vom 09.06.2011, VI R 55/10, BStBl II 2012, S. 38, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.11.2005, VI R 12/04, BStBl II 2006, S. 267
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