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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/private-einkommensteuer/bfh-zahlungen-einer-familienstiftung-als-einkuenfte-aus-kapitalvermoegen.html
25.02.2011
Private Einkommensteuer

BFH: Zahlungen einer Familienstiftung als Einkünfte aus Kapitalvermögen

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Familienstiftung. Jeder der Anteilsberechtigten hat unter weiteren in der Satzung niedergelegten Voraussetzungen Anspruch auf eine Kapitalzuwendung und eine Zeitrente oder auf eine lebenslängliche jährliche Rente in Höhe von 1.000 DM. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren 2002 bis 2005 Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid 2004 wies das Finanzamt die Klägerin darauf hin, dass eventuell geleistete Destinatärzahlungen seit dem 01.01.2002 dem Kapitalertragsteuerabzug unterlägen, und forderte die Klägerin auf, Kapitalertragsteueranmeldungen abzugeben. Die Klägerin teilte daraufhin mit, ihre Auskehrungen an die Destinatäre stellten keine Leistungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 dar, so dass Kapitalertragsteueranmeldungen nicht abzugeben seien.

Entscheidung

Die Klägerin war zur Einbehaltung der Kapitalertragsteuer verpflichtet (§ 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a EStG 2002 n.F.). Sie ist eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Stiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG 2002). Ihre Zahlungen an die Destinatäre sind Einkünfte aus Kapitalvermögen, da sie Leistungen darstellen, die Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. wirtschaftlich vergleichbar sind (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002).

Der Zusatz in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F., dass die Leistungen "Gewinnausschüttungen im Sinne der Nummer 1 wirtschaftlich vergleichbar" sein müssen, ist erst durch das UntStFG vom 20.12.2001 eingefügt worden. Es sollte damit klargestellt werden, dass nur solche Leistungen nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. erfasst sein sollen, denen im weitesten Sinne eine Gegenleistung des Leistungsempfängers - z.B. in Form eines Mitgliedsbeitrags - gegenübersteht. Es spielt - entgegen der Auffassung des FG - keine Rolle, ob die Leistungsempfänger am Vermögen beteiligt sind. Es ist unbeachtlich, ob die Destinatäre rechtlich die Stellung eines Anteilseigners innehaben. Ausschlaggebend ist, ob ihre Stellung wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht. Im Streitfall haben die Destinatäre ähnlich wie die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung Einfluss auf die Verwendung der Erträge der Stiftung und letztlich auch des Vermögens. Zudem ist die zu verrentende Kapitalzuwendung, die jedem anspruchsberechtigten Familienmitglied zusteht, der Disposition des Kuratoriums entzogen, da insoweit bereits ein unmittelbarer Anspruch aus der Satzung besteht. Zumindest dann, wenn die Leistungsempfänger - wie hier - unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen können, handelt es sich um "hinter der Stiftung stehende Personen" und sind die Leistungen wirtschaftlich Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n.F. vergleichbar.

Die Klägerin war verpflichtet, die Kapitalertragsteuer auf die ausgezahlten Kapitalerträge einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und 5 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7a EStG 2002). Sie haftet für die nicht einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 5 Satz 1 EStG 2002), da ihr der Nachweis - entgegen der Auffassung des FG - nicht gelungen ist, dass sie die ihr auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Das FG hat ausgeführt, ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin liege deshalb nicht vor, weil "namhafte Autoren" der Auffassung gewesen seien, die streitbefangenen Zahlungen stellten keine Einkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 n.F. dar. Dem ist nicht zu folgen. Zumindest ab dem Zeitpunkt, ab dem der Klägerin bekannt war oder über ihre steuerlichen Berater hätte bekannt sein müssen, dass im Fachschrifttum auch "namhafte Autoren" die gegenteilige Auffassung vertreten, wäre es pflichtgerecht gewesen, zur Vermeidung von Haftungsfolgen die Kapitalertragsteuer auf die Zahlungen an die anspruchsberechtigten Familienmitglieder einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Ihren gegenteiligen rechtlichen Standpunkt hätte die Klägerin durch Anfechtung der Kapitalertragsteuerfestsetzungen geltend machen können.

Betroffene Normen

§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG 2002 i.d.F. des UntStFG, § 43 Abs. 1 Nr. 7a EStG 2002 i.d.F. des UntStFG
Streitjahre 2002 bis 2005

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.09.2009, 8 K 9250/07, EFG 2010, S. 55

Fundstelle

BFH, Urteil vom 03.11.2010, I R 98/09, BStBl II 2011, S. 417

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