Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und den im Jahr 2004 zugeflossenen Einmalbetrag als nachträgliche Einkünfte aus der Veräußerung im Jahr 2004 der Besteuerung unterworfen.
BFH, Urteil vom 23.05.2012, IX R 32/11, siehe Deloitte Tax-News
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Nachträgliche, von der Gewinnentwicklung des Unternehmens abhängige Erhöhungen des Kaufpreises für eine wesentliche Beteiligung wirken auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurück, auch wenn die Einzelheiten in einem Besserungsschein modifiziert werden. Der so modifizierte Veräußerungspreis ist weder abzuzinsen noch nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten zu bewerten. Die Rückwirkung der Kaufpreiserhöhung auf Zeitpunkte vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens ist nicht verfassungswidrig.
Streitig ist, ob eine im Jahr 2004 erfolgte Zahlung für einen im Jahr 2000 veräußerten GmbH-Teilanteil ein rückwirkendes Ereignis ist und damit im Jahr der Veräußerung zu versteuern ist.
Der Kläger ist Anteilseigner der A-GmbH und verkaufte im Jahr 2000 einen Teil seines Geschäftsanteils an die M-GmbH. Der Kaufpreis betrug rund 2 Mio. Euro. In den Kaufvertrag wurde eine vom zukünftigen Gewinn abhängige Zielvereinbarung aufgenommen, nach der der Kläger im Wege eines Besserungsscheines einen zusätzlichen Einmalbetrag erhalte, wenn die Zielvereinbarung erfüllt werde.
Das Finanzamt legte der Einkommensbesteuerung des Klägers für das Jahr 2000 den aufgrund des Kaupreises ermittelten Veräußerungsgewinn zu Grunde. Der Bescheid erging vorläufig, da die Höhe des tatsächlichen Veräußerungserlöses aufgrund der Zielvereinbarung noch nicht zu ermitteln sei. Im Jahr 2004 erhielt der Kläger den vereinbarten Einmalbetrag. Daraufhin änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2000. Es erhöhte den bisherigen Veräußerungsgewinn, weil aufgrund des geänderten Kauf- und Übertragungsvertrages der ursprüngliche Veräußerungspreis im Wege eines Besserungsscheines erhöht worden sei. Das Finanzamt ging weiter davon aus, dass insoweit ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung vorliege.
Das Finanzamt hat zu Recht die weiteren Einnahmen (Einmalbetrag) des Klägers bei dessen festzusetzender Einkommensteuer für das Streitjahr 2000 erfasst. Im Streitfall wirkt folglich die in 2004 von der M-GmbH an den Kläger geleistete Zahlung auf das Streitjahr zurück.
Da der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre zu mindestens 10% unmittelbar oder mittelbar an der A GmbH beteiligt war, gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Der Gewinn entsteht grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung, wenn das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergeht. Nachträgliche Änderungen des Kaufpreises für eine wesentliche Beteiligung wirken auf den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung zurück (vgl. BFH-Urteil vom 21.12.1993). Dies gilt für nachträgliche Herabsetzungen des Kaufpreises (vgl. BFH-Urteil vom 23.06.1988) ebenso wie für nachträgliche Erhöhungen, auch wenn die Vertragsparteien im Zeitpunkt der (Betriebs-) Übertragung noch keine abschließende Einigung über die Höhe des Kaufpreises erzielt haben (vgl. BFH-Urteile vom 26.07.1984 und vom 17.01.1989).
Auch im Streitfall handelt es sich bei der streitigen Zahlung um eine von der künftigen Gewinnentwicklung abhängige zusätzliche Kaufpreiszahlung, die als nachträgliche Gegenleistung für die Anteilsübertragung erfolgte und wirtschaftlich die im nach hinein erwiesene höhere Werthaltigkeit der Anteile abgelten sollte (vgl. BFH-Urteil vom 27.01.1998). Damit besteht auch ein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der Übertragung der Anteile auf den Erwerber und den in 2004 geleisteten Zahlungen. Ein solcher Zusammenhang liegt bei einem abgeschlossenen Rechtsgeschäft vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in diesem Rechtsgeschäft selbst angelegt ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.06.2005).
Nicht entscheidend ist, dass die Formulierung des Vertrags den Begriff „Besserungsschein“ verwenden und hierzu noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung erging. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung liegt dennoch hinsichtlich der Zahlungen in 2004 eine nachträgliche Kaufpreiserhöhung vor, die sich auf den Veräußerungsgewinn 2000 auswirkt. Die Bilanzierungsgrundsätze haben keinen Einfluss auf die Gewinnermittlung; die Berechnung des Veräußerungsgewinns ist nicht zu beanstanden. Eine Abzinsung ist nicht vorzunehmen, denn die Forderung enthält keinen Zinsanteil. Auch eine Bewertung nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten hat nicht zu erfolgen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers, hinsichtlich einer Rückwirkung der Kaufpreiserhöhung auf Zeitpunkte vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens, teilt das Gericht nicht. Eine Ungleichbehandlung liegt nicht darin, dass die in 2004 unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens entstandene Forderung in 2000 - und damit vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens - der Besteuerung zu unterwerfen ist.
§ 17 EStG, Art. 3 GG
Streitjahr 2000
Finanzgericht München, Urteil vom 17.03.2011, 10 K 2394/09; BFH, Urteil vom 23.05.2012, IX R 32/11, BStBl II 2012, S. 675
BFH, Beschluss vom 08.04.2008, IX B 134/07, BFH/NV 2008, S. 1297
BFH, Urteil vom 21.12.1993, VIII R 69/88, BFHE S. 174, S. 324, BStBl II 1994, S. 648
BFH, Urteil vom 23.06.1988, IV R 84/86, BFHE S. 154, 85, BStBl II 1989, S. 41
BFH, Urteil vom 26.07.1984, IV R 10/83, BFHE S. 141, S. 488, BStBl II 1984, S. 786
BFH, Urteil vom 17.01.1989, VIII R 370/83, BFHE S. 156, S. 103, BStBl II 1989, S. 563
BFH, Urteil vom 27.01.1998, VIII R 47/96, BStBl II 1998, S. 498
BFH, Urteil vom 14.06.2005, VIII R 14/04, BStBl II 2006, S. 15
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