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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/private-einkommensteuer/fg-muenster-keine-beruecksichtigung-eines-fiktiven-veraeusserungsverlusts-bei-der-veraeusserung-einer-wesentlichen-beteiligung.html
06.11.2013
Private Einkommensteuer

FG Münster: Keine Berücksichtigung eines fiktiven Veräußerungsverlusts bei der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung

Aus dem BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 folgt nicht, dass bei der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung der gemeine Wert der veräußerten Beteiligung zum Aufteilungsstichtag als (fiktive) Anschaffungskosten zu behandeln ist. Maßgeblich ist der tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinn auf Basis der historischen Anschaffungskosten, welcher jedoch nicht der Besteuerung unterworfen wird, wenn er auf Wertsteigerungen beruht, die bis zum Aufteilungsstichtag eingetreten sind.

Sachverhalt

Die Klägerin hielt einen GmbH-Anteil in Höhe von 1,33 %, welchen sie im Streitjahr 2008 veräußerte. Sie ermittelte einen Veräußerungsgewinn resultierend aus Verkaufspreis abzüglich ursprünglicher Anschaffungskosten, der mit geringer Abweichung zunächst der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt wurde Die Klägerin berief sich in der Folgezeit auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2010. Danach sei die rückwirkende Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze des § 17 EStG durch das Steuersenkungsgesetz vom 26.10.2000 insoweit verfassungswidrig, als im Rahmen einer Veräußerung von Anteilen i.S.d. § 17 EStG Wertzuwächse der Besteuerung unterworfen würden, welche vor der Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze bereits entstanden gewesen, aber erst danach realisiert worden seien. Die stillen Reserven seien in einen steuerbaren und nicht steuerbaren Teil aufzuteilen. Nach § 164 Abs. 2 AO beantragte sie den zum Aufteilungsstichtag 31.12.2001 festgestellten Wert der Beteiligung als fiktive Anschaffungskosten zu behandeln und der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zugrunde zu legen. Der Verkehrswert der Anteile lag zu diesem Zeitpunkt über dem späteren Verkaufspreis, sodass die Klägerin einen Veräußerungsverlust geltend machen wollte. Das Finanzamt entsprach der Klägerin, indem es die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der § 17 EStG-Einkünfte auf 0,00 Euro festsetzte. Der weitere Einspruch blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht keinen Veräußerungsverlust berücksichtigt, da der erzielte Veräußerungserlös die historischen Anschaffungskosten tatsächlich überstiegen hat.

Das BVerfG hat im Beschluss vom 07.07.2010 entschieden, dass § 17 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und die bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.

Der Ansatzpunkt der Besteuerung ist der tatsächlich realisierte Gewinn, wie er sich zum Veräußerungszeitpunkt aufgrund der historischen Anschaffungskosten und des tatsächlichen Verkaufserlöses ergibt. Dieser Gewinn ist insoweit – wie im Streitfall – nicht der Besteuerung zu unterwerfen, als er – zwischen den Parteien unstreitig – auf Vermögenszuwächsen beruht, die vor Absenken der Wesentlichkeitsgrenze entstanden waren.

Ein gemäß § 17 EStG zu berücksichtigender Verlust resultiert nicht daraus, dass anstelle der historischen Anschaffungskosten bei Ermittlungen des Veräußerungsgewinns der gemeine Wert der veräußerten Beteiligung zum Aufteilungsstichtag als fiktive Anschaffungskosten zu berücksichtigen wäre. Dies würde dazu führen, dass ein tatsächlich nicht entstandener fiktiver Verlust der Besteuerung zugrunde gelegt würde. Hierfür ergeben sich weder aus dem Gesetz noch dem Beschluss des BVerfG vom 07.07.2010 Anhaltspunkte.

Die Revision wurde zugelassen.

Betroffene Norm  
§ 17 Abs. 2 EStG
Streitjahr 2008

Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 22.08.2013, 3 K 3371/11 E, Revision wg. Ablauf der Begründungsfrist unzulässig (BFH, Beschluss vom 26.02.2014, IX R 41/13)

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 25.11.2010, IX R 47/10, siehe Deloitte Tax-News
BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl II 2011, S. 86, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 20.12.2010, IV C 1 - S 2256/07/10001 :006

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