Das finale BMF-Schreiben zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token wurde mit Datum vom 10.05.2022 veröffentlicht. Gegenüber der Entwurfsversion vom 17.06.2021 ergeben sich Ergänzungen und wenige Änderungen. Eine wesentliche Änderung gegenüber der Entwurfsversion stellt die Nicht-Anwendung der verlängerten Veräußerungsfrist auf 10 Jahre nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG bei virtuellen Währungen dar.
Während schon seit 2018 ein BMF-Schreiben hinsichtlich der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Kryptowährungen (vgl. BMF-Schreiben vom 27.02.2018, siehe Deloitte Tax News) vorliegt, gelten viele Fragen hinsichtlich der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen noch als ungeklärt.
Bereits am 17.06.2021 hatte das BMF einen Entwurf des Schreibens zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Token im Allgemeinen und virtuellen Währungen im Speziellen veröffentlicht (siehe Deloitte Tax News). Am 10.05.2022 wurde nun das finale Schreiben veröffentlicht.
Das am 10.05.2022 veröffentlichte BMF-Schreiben nimmt ausführlich zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token Stellung. Neben dem An- und Verkauf virtueller Währungen und sonstiger Token wird insbesondere die Blockerstellung behandelt. Daneben beschäftigt sich das Schreiben auch mit Staking, Lending, Hard Forks, Airdrops, den ertragsteuerrechtlichen Besonderheiten von Utility und Security Token sowie Token als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Folgenden geben wir einen Überblick über wesentliche Änderungen bzw. Ergänzungen des finalen BMF-Schreibens gegenüber der Entwurfsversion:
Ertragsteuerrechtliche Einordnung: Die Wirtschaftsgutqualität virtueller Währungen und sonstiger Token:
Einkünfte im Zusammenhang mit der Blockerstellung mittels Proof of Work (Mining) und Proof of Stake (Forging):
Einkünfte aus dem Betrieb einer Masternode:
Einkünfte aus der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token:
Ertragsteuerliche Behandlung im Privatvermögen:
Ertragsteuerrechtliche Behandlung der durch Airdrops erhaltenen Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token im Privatvermögen:
1. Erläuterungen (Teil 1):
Definition von virtuellen Währungen
Virtuelle Währungen sind digital dargestellte Werteinheiten von Währungen, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung besitzen, aber deren Werteinheiten als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.
Definition von Token
Token sind digitale Werteinheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren. Token lassen sich in Currency Token („virtuelle Währung“), Utility Token und Security Token kategorisieren.
Blockchain
Eine Blockchain ist eine in der Regel keiner zentralen Kontrolle unterliegende Datenbank mit mehreren Beteiligten, die die sog. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) verwendet.
Definition von Mining und Forging
Bei Mining und Forging handelt es sich um unterschiedliche Verfahren zur Blockerstellung.
Definition von Initial Coin Offering (ICO)
Beim Initial Coin Offering werden Token im Austausch gegen Einheiten einer virtuellen oder staatlichen Währung ausgegeben. Beim ICO wird wie beim Börsengang Kapital eingesammelt.
Tätigkeiten im Zusammenhang mit Einheiten einer virtuellen Währung und mit sonstigen Token können, je nach den Umständen des Einzelfalls, zu Einkünften aus allen Einkunftsarten führen. In Betracht kommen insbesondere Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG, Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 EStG, Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 22 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 23 EStG oder sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG.
Das BMF differenziert insbesondere zwischen der ertragsteuerlichen Behandlung im Betriebsvermögen sowie derjenigen im Privatvermögen. Im Betriebsvermögen sind die Einheiten einer virtuellen Währung nach den allgemeinen Grundsätzen als nicht abnutzbares Wirtschaftsgut zu bilanzieren.
Die Wirtschaftsgutqualität virtueller Währungen und sonstiger Token
Die einzelnen Einheiten virtueller Währungen und sonstigen Token sind Wirtschaftsgüter.
Wirtschaftlicher Eigentümer ist, wer Transaktionen initiieren und damit über die Zuordnung der Einheiten zu öffentlichen Schlüsseln „verfügen“ kann, wobei es sich regelmäßig um den Inhaber des privaten Schlüssels handelt.
Ertragsteuerrechtliche Einordnung von Mining und Forging
Mining und Forging stellen Anschaffungsvorgänge dar und können je nach den Umständen des Einzelfalls private oder gewerbliche Tätigkeiten sein. Zu den Einnahmen gehören sowohl die Blockbelohnung als auch die erhaltenen Transaktionsgebühren. Die Blockerstellung stellt keine private Vermögensverwaltung dar, da die Blockerstellenden eine Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren im Tausch für die Erstellung neuer Blöcke erhalten.
Einkünfte aus der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token
Sind die Einheiten einer virtuellen Währung Betriebsvermögen, sind auch die Veräußerungserlöse Betriebseinnahmen. Für die Abgrenzung zur privaten Vermögensverwaltung können die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel herangezogen werden. Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen virtuellen Währungseinheiten stellen grds. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG dar, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Alle Einheiten einer virtuellen Währung, die im Tausch gegen Einheiten einer staatlichen oder einer anderen virtuellen Währung sowie durch Lending und Staking erlangt wurden, gelten als entgeltlich erworben. Daher stellt auch der Tausch von virtuellen Währungen in staatliche Währung sowie der Tausch in andere virtuelle Währungen eine Veräußerung dar. Die Veräußerungsfrist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG beginnt nach jedem Tausch neu. Die Verlängerung der Veräußerungsfrist auf zehn Jahre nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG kommt bei virtuellen Währungen nicht zur Anwendung.
Initial Coin Offering (ICO)
Token können im Betriebsvermögen des Emittenten sowohl Eigen- als auch Fremdkapital darstellen. Die ertragsteuerliche Einordnung der Erträge aus Token im Privatvermögen hängt davon ab, welche Rechte und Ansprüche die ausgegebenen Token im Einzelfall vermitteln.
Token als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit
Für Arbeitnehmer, die verbilligt oder unentgeltlich Token überlassen bekommen, ist zu prüfen, ob Geldleistungen im Sinne des § 8 Abs. 1 EStG oder Sachbezüge im Sinne des § 8 Abs. 2 S. 1 EStG vorliegen. Sachbezüge bleiben außer Ansatz, wenn sie im Kalendermonat insgesamt 50 Euro nicht übersteigen (§ 8 Abs. 2 S. 11 EStG).
Anwendung
Die Grundsätze des Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden.
§ 15 EStG, § 19 EStG, § 20 EStG, § 22 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 23 EStG, § 22 Nr. 3 EStG
BFH-Urteil vom 14.02.2023 (IX R 3/22)
Auch nach dem BFH stellen Kryptowährungen Wirtschaftsgüter dar. Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen, die innerhalb eines Jahres angeschafft und veräußert wurden, sind nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig (siehe Deloitte Tax News). Diese Auffassung steht auch im Einklang mit dem o.g. finalen BMF-Schreiben.
Englischsprachiger Beitrag in den Deloitte Tax News
Einen englischsprachigen Beitrag Deloitte Tax-News: MOF publishes final decree on tax treatment of virtual currencies and tokens zu dem o.g. BMF-Schreiben findet sich auch in den Deloitte Tax News.
BMF, Schreiben vom 10.05.2022, IV C 1 - S 2256/19/10003 :001
BMF, Entwurf vom 17.06.2021, Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token, siehe Deloitte Tax News
BMF, Schreiben vom 27.2.2018, III C 3 - S 7160-b/13/10001, BStBl. II 2018, S. 316, siehe Deloitte Tax News
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.06.2021, 5 K 1996/19, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 14.02.2023, IX R 3/22, siehe Deloitte Tax News
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