Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/unternehmensteuer/bfh-abziehbarkeit-von-veraeusserungskosten-bei-steuerfreier-anteilsveraeusserung.html
27.06.2014
Unternehmensteuer

BFH: Abziehbarkeit von Veräußerungskosten bei steuerfreier Anteilsveräußerung

Die körperschaftsteuerliche Freistellung der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen bezieht sich auf einen um etwaige tatsächliche Veräußerungskosten gekürzten Nettobetrag, von welchem sodann 5% als fiktive nichtabziehbare Betriebsausgaben behandelt werden. Diese „doppelte“ Berücksichtigung ein und derselben Kosten ist hinnehmbar.

Sachverhalte

BFH-Urteil vom 12.03.2014, I R 45/13
Die Klägerin, eine GmbH, veräußerte im Streitjahr 2005 ihre Anteile an der A-GmbH, an der sie als Alleingesellschafterin beteiligt war. Dabei entstanden ihr Rechts- und Beratungskosten. Zudem vereinbarte die Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung mit dem Geschäftsführer der A-GmbH, der durch die Veräußerung aus der Unternehmensgruppe ausschied, die Zahlung einer Tantieme für seine Verdienste für die Unternehmensgruppe. Das Finanzamt nahm sowohl hinsichtlich der Rechts- und Beratungskosten als auch der Tantieme Veräußerungskosten an und berücksichtigte diese bei der Ermittlung des gem. § 8b Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 S. 1 KStG steuerfreien Gewinnes. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

BFH-Urteil vom 09.04.2014, I R 52/12
Die Klägerin, eine GmbH, erwarb im Streitjahr 2005 Aktien und Aktienzertifikate aus Termingeschäften. Die Erfüllung der Termingeschäfte durch die Lieferung der Zertifikate führte zu einem Verlust, die Rückveräußerung der Aktien zu einem Gewinn. Die Klägerin war der Auffassung, dass die Gewinne aus der Aktienveräußerung gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei seien, die Verluste aber in voller Höhe berücksichtigt werden müssten. Dem folgte das Finanzamt nicht, es wollte lediglich das Gesamtergebnis aus beiden Transaktionen steuerfrei stellen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidungen

Veräußerungsgewinn i.S. von § 8b Abs. 2 S. 1 KStG 2002 ist nach S. 2 der Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert übersteigt.

In der Literatur kontrovers diskutiert, ob sich dieser gesetzlich angeordnete Abzug der Veräußerungskosten mit § 8b Abs. 3 S.1 KStG vertrage, wonach von dem jeweiligen Gewinn 5% als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Dagegen spreche, dass das pauschale Abzugsverbot fiktiver Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3 S. 1 KStG einerseits und der tatsächliche Abzug der Veräußerungskosten bei Ermittlung des betreffenden Veräußerungsgewinns andererseits eine „doppelte“ Berücksichtigung ein und derselben Kosten nach sich ziehe, die vom Regelungszweck nicht getragen werde.

Letzteres könne nach Ansicht des BFH durchaus zutreffen und in systematischer Hinsicht nicht vollkommen überzeugen. Das ändere jedoch nichts an dem eindeutigen Gesetzeswortlaut; für eine teleologische Reduktion bestehe keine Veranlassung. Zudem bewege sich der Gesetzgeber innerhalb seiner Gestaltungsfreiheit, wenn er die Steuerfreistellung der Veräußerungsgewinne – gewissermaßen als „verdichtete" Gewinne“ (vgl. BFH-Urteil vom 22.12.2010) – dadurch einschränke, dass im Veräußerungsfall von dem in der üblichen Weise berechneten Veräußerungsgewinn (unter Einschluss der Veräußerungskosten) zusätzlich ein pauschaler Vomhundertsatz des Nettogewinns als fiktive Nichtabzugspositionen quantifiziert werde. Dies verletze das objektive Nettoprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht in unverhältnismäßiger Weise (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.2010).

Veräußerungskosten (i.S.d. § 16 Abs. 2 S. 1 EStG) werden nach der zwischenzeitlich ständigen Rechtsprechung des BFH von den laufenden Betriebsausgaben nicht (mehr) danach abgegrenzt, ob sie „in unmittelbarer sachlicher Beziehung“ zu dem Veräußerungsgeschäft stehen, sondern danach, ob ein Veranlassungszusammenhang zu der Veräußerung bestehe. Es komme darauf an, ob das „auslösende Moment“ eine größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn aufweise. (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2009). Dies gelte aufgrund der Wortgleichheit des Begriffs der Veräußerungskosten im Rahmen der Gesetzesdefinition des Veräußerungsgewinns und der übereinstimmenden wirtschaftlichen Sachlage und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung auch vorliegend. Das BFH-Urteil vom 09.10.2013 ändere daran, obwohl dort auf das Erfordernis einer unmittelbaren veräußerungsbedingten Kausalität des angefallenen Aufwands abgestellt wurde, nichts, da dies nur eine Sachverhaltswürdigung und Subsumtion im Einzelfall darstelle.

zu I R 45/13
Davon ausgehend sei das FG zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechts- und Beratungskosten Veräußerungskosten darstellen und der Veräußerungsgewinn entsprechend zu kürzen sei; die Tantieme sei jedoch zu Unrecht ebenfalls als Veräußerungskosten angesehen worden. Das FG habe im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Tantieme – was nahe liege – eine vGA darstelle, die erst als Betriebsausgabe abzuziehen, sodann aber außerbilanziell wieder hinzuzurechnen wäre.

zu I R 52/12
Für die Verluste aus den Zertifikategeschäften habe das FG zutreffend den Veranlassungszusammenhang bejaht.

Zwar stünden die Zertifikategeschäfte einerseits und die Aktiengeschäfte andererseits – als voneinander unabhängige, selbständige Geschäfte – in lediglich wirtschaftlichem Zusammenhang. Auch entstünden der Gewinn hier und der Verlust dort nicht zeitgleich. Außerdem ziele das Sicherungsgeschäft zuvörderst auf die Marktentwicklung der betreffenden Anteile, nicht aber auf die daraus generierten Veräußerungsgewinne. Doch ändere dies alles nichts daran, dass die einzelnen Geschäfte in ihren Teilschritten sowohl nach den tatsächlichen Abläufen als auch nach der Anlageplanung aufeinander abgestimmt seien und sich wechselseitig bedingten: Die Zertifikategeschäfte seien von vornherein nur zur „Gegenfinanzierung“ der Veräußerungsgewinne eingegangen worden und ihrem wirtschaftlichen Sinn nach unmittelbar auf die Veräußerung der Beteiligungen bezogen und machten isoliert gesehen "keinen Sinn". Demnach zeigten die Zertifikategeschäfte einen größeren Bezug zu den einzelnen Veräußerungsvorgängen als zum allgemeinen Geschäftsbetrieb, weshalb die Verluste aus den kompensatorischen Sicherungsgeschäften Aufwand seien, um den Veräußerungsgewinn zu erzielen. Dass die Sicherungsgeschäfte keinen „zwangsläufigen“ unmittelbaren Rechtsbezug zu dem Erwerb und der Veräußerung der Kapitalbeteiligungen haben, erweise sich dagegen als unbeachtlich.

Mit diesem Urteil werde weder vom BFH-Urteil vom 02.04.2008 (zu Kurssicherungen durch Devisengeschäfte) noch vom BFH-Urteil vom 06.03.2013 (zu Stillhalterprämien aus Optionsgeschäften) abgewichen. Die Verluste aus den angekauften Zertifikaten würden den Veräußerungsgewinn als Veräußerungskosten unabhängig davon beeinflussen, ob es sich bei ihnen um Anschaffungs(neben)kosten der Anteile handele.

Betroffene Norm

§ 8b Abs. 2 KStG
Streitjahre 2005

Anmerkung

BMF-Schreiben vom 24.07.2015
Das BMF nimmt mit Schreiben vom 24.07.2015 zur Anwendung der hier besprochenen BFH-Urteile vom 12.03.2014, I R 55/13 sowie vom 09.04.2014, I R 52/12 und und dem BFH-Urteil vom 22.12.2010, I R 58/10, siehe Deloitte Tax-News, Stellung: In einem anderen Wirtschaftsjahr entstandene Veräußerungskosten oder nachträgliche Veränderungen des Kaufpreises für die Beteiligung erhöhen oder mindern die nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG außerbilanziell vorzunehmende Einkommenskorrektur im Veranlagungszeitraum, in dem das Wirtschaftsjahr der Veräußerung endet. Soweit die Veränderung des Kaufpreises oder die Veräußerungskosten bilanziell in anderen Wirtschaftsjahren berücksichtigt wurden, ist der steuerbilanzielle Gewinn dieser Wirtschaftsjahre und der steuerbilanzielle Gewinn des Jahres, in dem die Veräußerung erfolgt ist, außerbilanziell entsprechend zu korrigieren.

Vorinstanzen

Finanzgericht Hamburg, Gerichtsbescheid vom 16.05.2013, 3 K 162/12, EFG 2013, S. 1605 (zu I R 45/13), siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.06.2012, 6 K 2435/09 K, EFG 2012, S. 2055 (zu I R 52/12)

Fundstellen

BFH, Urteil vom 12.03.2014, I R 45/13
BFH, Urteil vom 09.04.2014, I R 52/12

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.10.2013, IX R 25/12, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 06.03.2013 I R 18/12, BFHE 240, 357,BStBl II 2013, S. 588,  siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.12.2010 I R 58/10, BFHE 232, S. 185, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 13.10.2010 I R 79/09, BFHE 231, S. 529
BFH, Urteil vom 16.12.2009, IV R 22/08, BStBl II 2010, S. 736, siehe Deloitte Tax-News
BFH-Urteile vom 02.04.2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, S. 1658
BMF, Schreiben vom 13.03.2008, BStBl I 2008, S. 506
 

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.