Die sachliche Gewerbesteuerpflicht einer grundbesitzverwaltenden Personengesellschaft beginnt jedenfalls dann vor Überlassung des Mietobjekts mit Abschluss des Mietvertrags, wenn ein nicht standardisiertes Mietobjekt durch Umbaumaßnahmen an die individuellen Bedürfnisse des Mieters angepasst wird.
Die Anwendung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG setzt nicht voraus, dass die Einnahmen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung der Nutzung des Mietobjekts sind. Allein in der bloßen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen kann keine gegen das Ausschließlichkeitsgebot verstoßende Tätigkeit gesehen werden. Unerheblich ist, dass das Mietobjekt noch nicht zur Nutzung überlassen war.
Der Unternehmensgegenstand einer GmbH & Co. KG (Klägerin) ist der Erwerb, die Entwicklung und die Verwaltung eigenen Grundbesitzes. Die GmbH & Co. KG schloss mit der Mieterin, der D-GmbH, einen Gewerberaummietvertrag über Gebäude und Freiflächen ab und verpflichtete sich in diesem Vertrag, das Areal für die Nutzung der Mieterin umzubauen und an die Mieterin zur Nutzung zu überlassen. Die Arbeiten waren im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses noch nicht abgeschlossen. Der Mietvertrag regelte deshalb auch die Einbeziehung der Mieterin in die Planungs- und Bauprozesse. Nach mehrfachen Streitigkeiten einigten sich die Vertragsparteien auf die Beendigung des Mietverhältnisses gegen Zahlung eines Geldbetrags durch die Mieterin.
Die GmbH & Co. KG beantragte die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG, die das Finanzamt ablehnte. Das FG gab der dagegen erhobenen Klage statt.
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der GmbH & Co. KG die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zu gewähren ist.
Sachliche Gewerbesteuerpflicht
Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt bei Personengesellschaften mit Aufnahme der werbenden Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil v. 01.09.2022, IV R 13/20). Dies gilt auch für eine gewerblich geprägte, vermögensverwaltende Personengesellschaft. Was als werbende Tätigkeit anzusehen ist, richtet sich nach dem verfolgten Gegenstand der Tätigkeit und der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil v. 12.05.2016, IV R 1/13). Im Streitfall hat die GmbH & Co. KG bereits mit Abschluss des Mietvertrages mit der werbenden Tätigkeit begonnen. Dies gilt jedenfalls dann unabhängig von Übergabe des Mietobjekts zur Nutzung und Entstehen eines Mietzinsanspruches, wenn ein nicht standardisiertes Mietobjekt nach Abschluss des Mietvertrags vor dessen Übergabe durch Umbaumaßnahmen an die individuellen Bedürfnisse des Mieters angepasst wird.
Erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG wird auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten (oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern), die Summe des Gewinns um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt, gekürzt.
Eigener Grundbesitz wird verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltener Substanz eingesetzt wird. Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten (kürzungsunschädlichen), jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (z.B. BFH-Urteil vom 01.09.2022, IV R 13/20). Darüber hinaus liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH Nebentätigkeiten dann noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind ausnahmsweise kürzungsunschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes im engeren Sinn dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können. Ist der Umfang einer derartigen Nebentätigkeit gering, kommt es nicht zur Versagung der erweiterten Kürzung wegen Verstoßes gegen das Ausschließlichkeitsgebot (z.B. BFH-Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19).
Mietobjekt muss nicht zur Nutzung übergeben worden sein
Weder der Wortlaut noch der Zweck des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG gebieten nach Ansicht des BFH, dass das Mietobjekt bereits zur Nutzung übergeben oder der Anspruch auf Zahlung des Mietzinses bereits entstanden sein muss.
Umbaumaßnahmen sind Fruchtziehung
Die von der GmbH & Co. KG durchgeführten umfangreichen Umbaumaßnahmen führen ebenfalls nicht zu einer gewerblichen Vermietungstätigkeit, so der BFH. Diese Maßnahmen dienten dazu, das Mietobjekt entsprechend den individuellen Vorstellungen der Mieterin umzubauen. Die Umbauten und der bereits abgeschlossene Mietvertrag stellen einen einheitlichen Vorgang dar; die Umbauten seien unmittelbar durch den Mietvertrag veranlasst und stellten damit eine Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz dar.
Wenn nach der BFH-Rechtsprechung die Neubautätigkeit mit anschließender Verwaltung fertiggestellter Gebäude begünstigt ist, müsse dies erst Recht für Umbaumaßnahmen mit anschließender Verwaltung der umgebauten Gebäude gelten.
Schadensersatzzahlung ist Fruchtziehung
Führt eine grundstücksverwaltende Personengesellschaft nach Überlassung des Mietobjektes Rechtsstreitigkeiten aus einem fortbestehenden Mietvertrag, so sei diese Tätigkeit als integraler Bestandteil der Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes anzusehen, da sie der ordnungsgemäßen Verwaltung des Grundbesitzes diene. Dies müsse auch dann gelten, wenn das Mietverhältnis vor Überlassung des Mietobjekts wegen Streits über das Bestehen des Mietverhältnisses beendet werde und zur Abgeltung sämtlicher wechselseitiger Ansprüche aus dem Mietvertrag eine Schlusszahlung an den Vermieter geleistet werde. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG setze nicht voraus, dass die Einnahmen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt unmittelbare Gegenleistung für die Überlassung sein müssen. Vielmehr sei maßgeblich, dass sie aus einer Tätigkeit stammen, die der Nutzung und Verwaltung des Grundbesitzes zuzuordnen sind.
Auch die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche bewege sich im Rahmen der Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes. Anderenfalls müsste der Vermieter auf die Geltendmachung möglicher Schadensersatzansprüche verzichten, um die Gewährung der erweiterten Kürzung nicht zu gefährden.
Ergebnis im Streitfall
Bei der Schadensersatzzahlung im Streitfall handelt es sich um Einnahmen, die der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes zuzuordnen sind. Denn die GmbH & Co. KG hat hiermit einen Streit aus dem Mietvertrag im eigenen Namen und für eigene Rechnung beendet. Diese Tätigkeit bewegt sich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Die Zahlung stellt für die GmbH & Co. KG einen Ausgleich für den Wegfall der bereits vereinbarten Mieteinnahmen dar. Zugleich werden alle möglichen wechselseitigen Schadensersatzansprüche aus dem Mietverhältnis zwischen den Mietvertragsparteien mitabgegolten. Unerheblich ist, dass das Mietobjekt noch nicht zur Nutzung überlassen war.
§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
Streitjahr 2015
BFH, Urteil vom 25.05.2023, IV R 33/19, BStBl II 2023, S. 927
BFH, Urteil vom 01.09.2022, IV R 13/20, BFHE 277, S. 423, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.10.2020, IV R 4/19, BStBl. II 2022, S. 87
BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13, BStBl. II 2017, S. 489, siehe Deloitte Tax-News
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