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02.11.2023
Unternehmensteuer

BFH: Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Aufwendungen für die Überlassung von Ferienimmobilien

Das von einem Ferienimmobilienanbieter an die Eigentümer von Ferienimmobilien gezahlte Entgelt, damit diese ihm die Immobilien zwecks Weiterüberlassung an Urlauber zur Verfügung stellen, unterliegt der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG. Grund hierfür ist, dass die zugrundeliegenden Vereinbarungen mit den Eigentümern der Ferienimmobilien als Mietverhältnisse zu qualifizieren sind und die Ferienwohnungen bei unterstelltem Eigentum fiktives Anlagevermögen darstellen, da der Geschäftsbetrieb des Ferienimmobilienanbieters das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter erfordert.

Sachverhalt

Eine GmbH (X) bot im In- und Ausland Ferienimmobilien über Kataloge, eine Internet-Plattform und über Vermittler wie Reisebüros an. Zu diesem Zweck schloss X Verträge mit den Eigentümern der jeweiligen Immobilen ab. Die Verträge verlängerten sich jeweils um ein Jahr, wenn diese nicht fristgemäß gekündigt wurden.

Der jeweilige Eigentümer des Ferienobjekts erhielt das mit X vereinbarte Entgelt nur im Falle der erfolgreichen Weiterüberlassung an Kunden. Die Einrichtung, Ausstattung und Reinigung des Ferienobjekts, Reparaturen sowie die Schlüsselübergabe, die Entgegennahme der vereinbarten Kaution sowie ggf. die Abrechnung von Nebenkosten verblieben im Verantwortungsbereich des Eigentümers. Mit seinen Kunden (Urlaubern) schloss X in eigenem Namen und für eigene Rechnung Ferienhaus- bzw. Ferienwohnungsverträge zu einem Gesamtpreis ab, in welchem der an den jeweiligen Eigentümer der Immobilie zu zahlende Preis und ein Aufschlag (Marge) für X enthalten war.

Im Rahmen einer Außenprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den an die Eigentümer der Ferienobjekte gezahlten Entgelten um nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnende Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Eigentum eines anderen handele. Das sah auch das FG so.

Entscheidung

Der BFH schließt sich der Auffassung des FG an, dass die Voraussetzungen einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG vorliegen, da es sich bei den Entgelten um Miet- und Pachtzinsen handelte und die Ferienimmobilien bei unterstelltem Eigentum der X zu deren Anlagevermögen gehört hätten.

Gesetzliche Grundlagen: Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen

Nach § 8 Nr. 1 GewStG werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus den in § 8 Nr. 1 a-f GewStG genannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Betrag von 100.000 Euro übersteigt. Hinzugerechnet wird dabei auch ein Viertel aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG).

Zwischen der X und den Eigentümern geschlossene Verträge sind Mietverträge

Der den Miet- und Pachtzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG zugrundeliegende Nutzungsvertrag muss seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet- oder Pachtverhältnis i.S.d. Bürgerlichen Rechts sein (BFH, Urteil 23.03.2023, III R 5/22). Für die zivilrechtliche Typisierung des Vertragsverhältnisses ist maßgeblich, mit welchem Inhalt die Beteiligten das Vertragsverhältnis geregelt und tatsächlich durchgeführt haben (BFH, Urteil vom 01.06.2022, III R 56/20 und vom 27.11.1975, IV R 192/71). Ist ein Vertrag seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Mietvertrag, wird er steuerlich als solcher gewürdigt, auch wenn er untergeordnete Nebenleistungen enthält, die dem Vertragstyp "Miete" nicht entsprechen (BFH, Urteil vom 23.07.1957, I 50/55 U). Dann unterliegt das gesamte Entgelt der Hinzurechnung.

Danach waren im Streitfall die Hauptleistungspflichten aus den Verträgen zwischen den Eigentümern und der X mietvertragsrechtlicher Natur. Die Hauptleistungspflicht der Eigentümer bestand ihrem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach in der Gebrauchsüberlassung der Ferienimmobilien, die der X in der Verpflichtung zur Zahlung eines Mietzinses.

Für die zivilrechtliche Einordnung der Verträge in der Dreiecksbeziehung X - Eigentümer - Reisender kommt es nicht allein auf das Verhältnis der X zu den Eigentümern, sondern auch auf die Sicht des durchschnittlichen Reisekunden an. Das Angebot einer Vielzahl von Ferienunterkünften in einem Katalog spricht aus Sicht eines Kunden bereits dafür, dass der Reiseunternehmer nicht für eine Vielzahl von verschiedenen Eigentümern der Immobilien handeln will, sondern die Überlassung der Wohnungen in eigener Verantwortung übernimmt. Ferner hat X die Ferienobjekte den Reisenden nicht in fremdem, sondern im eigenen Namen angeboten, und es fanden sich weder in den Katalogen noch in den Buchungsbestätigungen Hinweise auf den jeweiligen Eigentümer. Überdies hatte die X gegenüber den Eigentümern keine Ansprüche auf Vermittlungsprovision, sondern schuldete umgekehrt den Eigentümern Entgelte. Somit stellte sich das Vertragsverhältnis zwischen X und den Eigentümern auch aus Sicht der Eigentümer nicht als bloße Vermittlungsleistung, sondern als Anmietung zur Weitervermietung dar.

Ferner setzt die Annahme eines Mietvertrags keine Pflicht des Vermieters voraus, dem Mieter den unmittelbaren Besitz an dem Mietobjekt zu verschaffen. Besteht der vertragsgemäße Gebrauch wie hier in der Berechtigung zur Weitervermietung, genügt es, wenn dem Mieter (X) das Recht verschafft wird, seinem Untermieter (dem Reisenden) durch Ausübung des dem Mieter gegenüber dem Eigentümer bestehenden Belegungsrechts den unmittelbaren Gebrauch des Mietobjekts zu ermöglichen, während der Mieter selbst nur mittelbarer Besitzer des Mietobjekts wird.

Ferienimmobilien hätten bei unterstelltem Eigentum der X zu deren Anlagevermögen gehört

Ausgehend von dem Geschäftszweck der X, nämlich der Vermietung eines großen Bestandes von Ferienimmobilien, war die X auf das dauerhafte Vorhandensein der Ferienimmobilien angewiesen. Die Vertragsbeziehungen waren langfristig angelegt. Bei den Vertragsverlängerungen wurden zwar regelmäßig die Vertragskonditionen angepasst und ein Teil der Objekte durch andere ersetzt. Das Geschäftsmodell der X wäre jedoch gefährdet gewesen, wenn ständig der gesamte Bestand hätte neu beschafft werden müssen. Die X war deshalb trotz der regelmäßig saisonal beschränkten Weitervermietung an die Reisenden auf ein ganzjähriges Vorhalten der Ferienobjekte angewiesen, um sie in ihren Katalogen für die nächste Saison anbieten zu können.  

Betroffene Normen

​§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG

Streitjahr ​2010

Anmerkungen

Einordnung in die bisherige Rechtsprechung

Veranstalter von Sportpauschalreisen

Die X ist nach Ansicht des BFH nicht so zu behandeln wie der im Fall des BFH-Urteils vom 25.07.2019 (III R 22/16) beurteilte Veranstalter von Sportpauschalreisen. Denn dort hatte der BFH auf die Bedeutung der Hotelzimmer für den Geschäftszweck und die angebotenen Produkte des Unternehmens abgestellt. Nach den dortigen betrieblichen Verhältnissen waren die Hotelzimmer nur jeweils kurzfristig und vorübergehend im fiktiven Eigentum des Unternehmens. Im hier vorliegenden Sachverhalt waren die Verträge der X mit den Eigentümern jedoch auf eine langfristige Zusammenarbeit angelegt. Schon die langfristige Anmietung der Ferienimmobilien spricht dafür, dass diese dazu bestimmt waren, auf Dauer dem Betrieb zu dienen. Auch waren die Ferienimmobilien im Betrieb X nicht als Teilprodukt in ein Produktbündel "Pauschalreise" eingeflossen.

Austauschbarkeit der Ferienimmobilien

Auch die Tatsache, dass die Ferienimmobilien im vorliegenden Fall nach Ansicht der X nicht austauschbar waren, weil sie sich hinsichtlich Lage und Ausstattung unterschieden, führt nach dem BFH zu keinem anderen Ergebnis. Auf die Austauschbarkeit kommt es nach der BFH-Rechtsprechung bei der Anmietung konkreter Wirtschaftsgüter dann an, wenn die Wirtschaftsgüter mehrfach kurzfristig angemietet werden. Dann kann sich die mehrfache kurzfristige Anmietung gleichartiger Wirtschaftsgüter als Surrogat einer langfristigen Anmietung darstellen (BFH, Urteile vom 25.07.2019, III R 22/16 und vom 19.01.2023, III R 22/20, Beschluss vom 23.03.2022, III R 14/21). Nutzt der Unternehmer die jeweiligen konkreten Objekte dagegen wie hier langfristig in seinem Betrieb, kommt es nicht darauf an, ob diese untereinander austauschbar seien.

Messedurchführungsgesellschaft

Im Gegensatz zur im BFH-Urteil vom 25.10.2016 (I R 57/15) behandelten Messedurchführungsgesellschaft mietete die X die Immobilien nicht erst nach auftragsbezogener Weisung ihrer Kunden an. Vielmehr mietete sie ohne konkreten Auftrag eine Vielzahl von Immobilien an und hielt diese ständig in ihrem Betrieb vor, um sie ihren Kunden zur Buchung anbieten zu können.

Durchleitung der Immobilien

Unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 04.06.2014 (I R 70/12) und vom 08.12.2016 (IV R 55/10) kann davon ausgegangen werden, dass eine "Benutzung" der gemieteten unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Sinne von § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG auch dann vorliegt, wenn diese Wirtschaftsgüter zur Erzielung von Einkünften an eine weitere Person vermietet werden (Zwischen- oder Untervermietung). Die "Durchleitung" der Immobilien steht der Hinzurechnung nicht entgegen.

Vorinstanz

​Finanzgericht Baden-Württemberg , Urteil vom 24.09.2020, 3 K 2762/19

Fundstelle

​Urteil vom 17.08.2023, III R 59/20 

Weitere Fundstellen

BGH, Urteil vom 23.10.2012, X ZR 157/11

BGH, Urteil vom 15.11.2006, XII ZR 120/04

BGH, Urteil vom 01.02.1989, VIII ZR 126/88

BFH, Urteil vom 23.03.2023, III R 5/22, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 19.01.2023, III R 22/20

BFH, Urteil vom 01.06.2022, III R 56/20, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Beschluss vom 23.03.2022, III R 14/21, BStBl. II 2022, S. 559, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, S. 51 siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 27.11.1975, IV R 192/71, BStBl. II 1976, S. 220

BFH, Urteil vom 23.07.1957, I 50/55 U, BStBl. III 1957, S. 306

BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, BStBl. II 2022, S. 273 siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 04.06.2014, I R 70/12, BStBl. II 2015, S. 28

BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 55/10, BStBl. II 2017, S. 722 siehe Deloitte Tax News 

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