Ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a EStG mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten.
Mehrere GmbH-Gesellschafter (Kläger) legten als Gesellschafter Geld in eine GmbH ein. Für das Streitjahr beantragten die GmbH-Gesellschafter die Berücksichtigung eines Verlusts aus der insolvenzbedingten Auflösung der GmbH. Das Finanzamt berücksichtigte den beantragten Auflösungsverlust nicht in voller Höhe, da das Darlehen nicht mit dem Nennwert, sondern mit dem Teilwert zu bewerten sei.
Hingegen vertreten die Kläger, die eine Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG für das Streitjahr beantragt haben, die Auffassung, dass ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen in Höhe des Nenn- und nicht des Teilwerts zu nachträglichen Anschaffungskosten führt. Das FG wies die dagegen erhobene Klage ab.
Das BMF ist dem Verfahren beigetreten und führt an, dass sich durch die Einführung von § 17 Abs. 2a EStG keine Änderung zur früheren Verwaltungsauffassung ergeben hat, sodass lediglich der werthaltige Teil (Teilwert) im Zeitpunkt des Eintritts der Krise zu nachträglichen Anschaffungskosten führt.
Der BFH bestätigt die Auffassung der Finanzverwaltung und kommt zu dem Ergebnis, dass das Darlehen mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert anzusetzen ist.
Gesetzliche Grundlagen
Mit dem Jahressteuergesetz vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2451, siehe Deloitte Tax News) wurde die Vorschrift § 17 Abs. 2a EStG und somit eine gesetzliche Grundlage für die im Rahmen der Einkünfteermittlung des § 17 EStG zu berücksichtigenden Anschaffungskosten, eingeführt. Zu den nachträglichen Anschaffungskosten von Anteilen im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG gehören gemäß § 17 Abs. 2a S. 3 EStG insbesondere auch Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte (§ 17 Abs. 2a S. 4 EStG). Gemäß § 52 Abs. 25a S. 1 EStG ist die Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG erstmals für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG nach dem 31.07.2019 anzuwenden. Nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG ist § 17 Abs. 2a S. 1 bis 4 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen, aber auch für Veräußerungen im Sinne von § 17 Abs. 1, 4 oder 5 EStG vor dem 31.07.2019 anzuwenden.
Teilwert für die Bewertung maßgeblich
Nach dem BFH gelten die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG, insbesondere hinsichtlich stehen gelassener Darlehen, hinsichtlich derer Bewertung nach der Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG durch das Jahressteuergesetz 2019 fort. Der Wortlaut der Norm stehe dem auch nicht entgegen, da § 17 Abs. 2a EStG keine Regelung zur Bewertung der nachträglichen Anschaffungskosten enthalte. Die in § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG verwendete Formulierung „soweit“ verdeutlicht, dass Darlehensverluste nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, wie sie gesellschaftsrechtlich veranlasst sind, so der BFH. Dies entspreche auch dem der aus den Gesetzesmaterialien erkennbare Wille des Gesetzgebers.
Auch der Sinn und Zweck sprechen für eine Anwendung der Grundsätze zur Bewertung nachträglicher Anschaffungskosten entsprechend der bisherigen Rechtsgrundsätze. Sowohl das objektive Nettoprinzip als auch die Finanzierungsfreiheit setzen mithin für eine Berücksichtigung eines Darlehensverlusts als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG einen Veranlassungszusammenhang zwischen der Beteiligung und den Aufwendungen voraus. Dieser ist nach dem BFH in dem Erfordernis einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 und Abs. 2a S. 4 EStG festgeschrieben. Bei einem stehen gelassenen Darlehen fehlt es zunächst an einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Vielmehr tritt diese erst ein, wenn ein fremder Dritter das Darlehen bei Eintritt in die Krise zurückgefordert hätte (§ 17 Abs. 2a S. 4 EStG; BFH-Urteil vom 04.11.1997, VIII R 18/94). Daher liegt auch nur in Höhe des Teilwerts des Darlehens zu diesem Zeitpunkt die für eine steuermindernde Berücksichtigung erforderliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung vor.
Folglich sei das Darlehen mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert anzusetzen. Dieser Wert betrug im Streitfall 0 Euro.
§ § 17 Abs. 2a Nr. 2 EStG
Streitjahr 2009
Hintergrund
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I 2008, S. 2026) wurde die weitgehende Gleichbehandlung der eigenkapitalersetzenden Finanzierungsleistungen mit dem nach §§ 30, 31 GmbHG gebundenen Kapital (sog. Eigenkapitalersatzrecht) aufgehoben und durch den gesetzlichen Nachrang sämtlicher Gesellschafterfinanzierungen im Insolvenzfall ersetzt. Finanzierungshilfen des Gesellschafters werden außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht mehr wie haftendes Eigenkapital behandelt.
Mit Urteil vom 11.07.2017 (IX R 36/15) hatte der BFH seine zur alten Rechtslage vor MoMiG ergangene, langjährige Rechtsprechung hinsichtlich eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen aufgegeben. Nach dem BFH liegen (nach Inkrafttreten des MoMiG) keine nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung im Sinne von § 17 EStG vor, wenn ein Gesellschafter als Bürge für Verbindlichkeiten der GmbH in Anspruch genommen wird (siehe auch Deloitte Tax News). Nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung sind nach dem BFH nur noch nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition von Anschaffungskosten gemäß § 255 HGB anzuerkennen. Folglich stellen nur noch solche Aufwendungen, die nach handels- und bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen zu einer offenen oder verdeckten Einlage in das Kapital der Gesellschaft führen, nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung dar (vgl. auch BFH-Urteile vom 06.12.2017, IX R 7/17 und vom 20.07.2018, IX R 5/15). Gleichwohl gewährte der BFH Vertrauensschutz in die bisherige Rechtsprechung für bis zum 27.09.2017 geleistete eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen eines Gesellschafters.
Mit dem Gesetz vom 12.12.2019 (BGBl. I 2019, S. 2451, siehe Deloitte Tax News) wird mit der Einführung des § 17 Abs. 2a EStG für den Ausfall von Gesellschafterdarlehen im Wesentlichen zur Rechtslage vor dem MoMiG zurückgekehrt.
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.06.2021, 5 K 5188/19, EFG 2022, S. 160
BFH, Urteil vom 18.07.2023, IX R 21/21
BFH, Urteil vom 04.11.1997, VIII R 18/94, BStBl. II 1999, S. 344
BFH, Urteil vom 11.07.2017, IX R 36/15, BStBl. II 2019, S. 208, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 06.12.2017, IX R 7/17, BStBl. II 2019, S. 213, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 20.07.2018, IX R 5/15, BStBl. II 2019, S. 194, siehe Deloitte Tax-News
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