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16.10.2012
Unternehmensteuer

BFH: Kein Mantelkauf bei Forderungsverzicht mit Besserungsschein

Eine GmbH kann die Zahlung auf eine betrieblich begründete Gesellschafterforderung auch dann als Betriebsausgabe abziehen, wenn die Forderung zwischenzeitlich wertlos geworden war, der frühere Gesellschafter und Forderungsinhaber gegen Besserungsschein auf die Forderung verzichtet und die Besserungsanwartschaft später im Zusammenhang mit der Veräußerung des sog. GmbH-Mantels an einen der Erwerber veräußert hatte und sodann im Anschluss an eine Verschmelzung auf die GmbH der Besserungsfall eingetreten war (entgegen BMF-Schreiben vom 02.12.2003).

Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine von A als alleinigem Gesellschafter gegründete GmbH. Die Bilanz der Klägerin wies zum 31.12.1999 eine Verbindlichkeit gegenüber A in Höhe von sowie einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus. Mit Wirkung zum 01.01.2000 verzichtete A gegenüber der Klägerin auf seine Forderung unter der auflösenden Bedingung, dass im Besserungsfall die Forderung wieder aufleben sollte. Die Klägerin verbuchte infolgedessen im Jahr 2000 einen außerordentlichen Ertrag von 404.172 DM.

Im Juni 2001 teilte A den Geschäftsanteil an der Klägerin in zwei gleiche Anteile und übertrug jeweils einen davon auf X und Y zum Kaufpreis von 1 DM. X und Y beschlossen mit steuerlicher Wirkung zum 31.10.2000 die Verschmelzung der S-GmbH, an der sie ebenfalls je zur Hälfte als Gesellschafter beteiligt waren, auf die Klägerin. Diese änderte ihren Unternehmensgegenstand und firmierte fortan als S-GmbH.

Im Juli 2001 veräußerte A die "Besserungsanwartschaft" aus dem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede zum Kaufpreis von 5.000 DM an Y. Die Klägerin erzielte im Streitjahr (2001) einen Gewinn und zahlte an Y auf den Besserungsschein 316.612 DM. Diese Zahlung berücksichtigte die Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2001 als gewinnmindernde Betriebsausgabe.

Das Finanzamt beurteilte das "Wiederaufleben" der Gesellschafterforderung in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Gesellschafterwechsel als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Es rechnete deshalb dem Gewinn der Klägerin für das Streitjahr den Betrag von 404.172 DM außerbilanziell hinzu und erließ entsprechende ertragsteuerliche Änderungsbescheide. Die deswegen erhobene Klage hatte lediglich insoweit Erfolg, als das FG die Hinzurechnung in Höhe des 316.612 DM übersteigenden Betrages als ungerechtfertigt ansah; im Übrigen wurde die Klage als unbegründet abgewiesen, weil insoweit sowohl eine vGA als auch ein Gestaltungsmissbrauch vorliege.

Entscheidung
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils der Vorinstanz. Das FG hat dem Gewinn der Klägerin zu Unrecht den Rückzahlungsbetrag für das Gesellschafterdarlehen in Höhe von 316.612 DM hinzugerechnet. Bei der Darlehensrückzahlung an Y handelt es sich nicht um eine vGA (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG 1999). Die Begründung des Darlehensverhältnisses zwischen A und der Klägerin beruht - nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG - nicht auf dem Gesellschaftsverhältnis, sondern war ausschließlich betrieblich veranlasst.

Der im Januar 2000 auflösend bedingt erklärte Forderungsverzicht des A führte aus der Sicht der Klägerin zum Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer Gewinnerhöhung im Wirtschaftsjahr 2000. Daran ändert nichts, dass der Verzicht mit Blick auf die finanzielle Krise der Klägerin erklärt wurde und deshalb offenkundig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war.

Der im Streitjahr zu verzeichnende Eintritt der auflösenden Bedingung in Form der Besserung der finanziellen Situation der Klägerin hat nach dem Inhalt der Verzichtserklärung dazu geführt, dass die Forderung wiederaufgelebt ist. Das ist - wie auch das FG im Grundsatz nicht verkannt hat - trotz der zwischenzeitlichen Umqualifizierung des Darlehens von Fremdkapital in Eigenkapital steuerlich anzuerkennen mit der Folge, dass damit die anschließende Wiedereinbuchung und Erfüllung der Forderung nach den allgemeinen Grundsätzen zu Betriebsausgaben führt, wenn die ursprüngliche Forderung - wie hier - betrieblich veranlasst war (BFH-Urteile vom 30.05.1990, vom 18.12.2002 und vom 29.02.2003; BMF-Schreiben vom 02.12.2003).

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ändert sich am Charakter der nach Eintritt des Besserungsfalls neu einzubuchenden Verbindlichkeit als betrieblich veranlasst nichts dadurch, dass zwischen dem Verzicht und dem Eintritt des Besserungsfalls A den Geschäftsanteil an der Klägerin an X und Y veräußert hat, die S-GmbH auf die Klägerin verschmolzen wurde und A die Anwartschaft auf das Wiederentstehen der Gesellschafterforderung im Besserungsfall (Besserungsanwartschaft) an Y abgetreten hat. Die Abtretung der Besserungsanwartschaft von A an Y vermag aus Sicht der Klägerin nicht den betrieblichen Charakter der Verbindlichkeit zu ändern. Dieser beurteilt sich nach dem Entstehungsgrund der Verbindlichkeit und wird durch einen Wechsel in der Person des Gläubigers nicht berührt. Auch der Umstand, dass die Verbindlichkeit nach Eintritt der auflösenden Bedingung nicht rückwirkend, sondern "neu" einzubuchen ist (vgl. BFH-Urteile vom 30.05.1990 und 29.01.2003) beseitigt nicht den betrieblichen Veranlassungszusammenhang; es handelt sich materiell vielmehr nach wie vor um dieselbe Forderung.

Eine außerbilanzielle Gewinnerhöhung für das Streitjahr ergibt sich nicht aus § 42 AO a.F (Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten. Das FG hat richtig erkannt, dass die Anwendung des § 8 Abs. 4 KStG 1999 (Mantelkauf) nicht zu einem Verbot des Betriebsausgabenabzugs im Hinblick auf das streitbefangene Gesellschafterdarlehen führt. Für die im BMF-Schreiben vom 02.12.2003 vertretene Auffassung der Finanzverwaltung, der aus der Wiedereinbuchung der Darlehensverbindlichkeit nach Eintritt des Besserungsfalls resultierende steuerliche Aufwand unterfalle der beschränkten Verlustberücksichtigung nach § 8 Abs. 4 KStG 1999, wenn zwischen der Ausbuchung und der Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorlägen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 4 KStG 1999 besteht nach dessen Wortlaut ausschließlich im Wegfall des Verlustabzugs nach § 10d EStG 1997. Die Passivierung einer bestehenden Verbindlichkeit ist aber etwas grundsätzlich anderes als die Verrechnung eines Verlustabzugs nach Maßgabe des § 10d EStG 1997.

Entgegen der Sichtweise des FG lässt sich der Regelung des § 8 Abs. 4 KStG 1999 keine grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzes entnehmen, die es über § 42 AO a.F. im Fall einer "schädlichen" Anteilsübertragung ermöglichte, neben dem gesetzlich geregelten Ausschluss des Verlustabzugs nach § 10d EStG 1997 auch andere, dort nicht angesprochene Formen der "Verlustkonservierung" als ausgeschlossen anzusehen.

Betroffene Norm
§ 8 Abs. 4 KStG 1999, § 8 Abs. 3 S. 2 KStG 1999, § 42 AO a.F.
Streitjahr 2001 

Vorinstanz 
Finanzgericht München, Urteil vom 22.02.2011, 6 K 1451/08, EFG 2011, S. 1086, siehe Deloitte-Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 12.07.2012, I R 23/11

Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 02.12.2003, IV A 2 - S-2743 - 5/03, BStBl I 2003, S. 648
BFH, Urteil vom 30.05.1990, I R 41/87, BStBl II 1991, S. 588
BFH, Urteil vom 18.12.2002, I R 27/02, BFH/NV 2003, S. 824
BFH, Urteil vom 29.01.2003, I R 50/02, BStBl II 2003, S. 768

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