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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/unternehmensteuer/bfh-keine-allgemeine-bagatellgrenze-bei-der-erweiterten-gewst-kuerzung.html
11.09.2019
Unternehmensteuer

BFH: Keine allgemeine Bagatellgrenze bei der erweiterten GewSt-Kürzung

Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG scheidet aus, wenn eine grundbesitzverwaltende Gesellschaft neben einem Gebäude auch Ausstattungsgegenstände mitvermietet, die als Betriebsvorrichtungen qualifizieren. Eine allgemeine Geringfügigkeitsgrenze, wonach die Überlassung von Betriebsvorrichtungen der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht, wenn die Betriebsvorrichtungen gegenüber dem Grundvermögen von geringem Wert sind oder auf sie nur ein geringer Teil der Miete oder Pacht entfällt, kommt nicht in Betracht.

Sachverhalt

Eine grundbesitzverwaltende GmbH vermietete neben einem Hotelgebäude auch zur Ausstattung des Hotels gehörende Wirtschaftsgüter (Bierkellerkühlanlage, Kühlräume, Kühlmöbel für Theken- und Büffetanlagen) mit. In ihren Gewerbesteuererklärungen machte sie jeweils Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG geltend. Finanzamt und FG lehnten die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags wegen der mitvermieteten Betriebsvorrichtungen ab.  

Entscheidung

Dem ist der BFH gefolgt.

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, eine Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags beantragen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Die neben der Vermögensverwaltung des Grundbesitzes erlaubten, jedoch nicht begünstigten Tätigkeiten sind in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG abschließend aufgezählt (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2005, VIII R 3/03). Zum Grundbesitz gehören u.a. der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG), nicht aber Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind (§ 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG).

Vorliegen von Betriebsvorrichtungen

Aus dem gesetzlichen Erfordernis der Zugehörigkeit "zu einer Betriebsanlage" ergibt sich, dass der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraussetzt, welche von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 28.02.2013, III R 35/12). Für die Abgrenzung zwischen Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen kommt es deshalb darauf an, ob die Vorrichtung im Rahmen der allgemeinen Nutzung des Gebäudes erforderlich ist oder ob sie unmittelbar der Ausübung des Gewerbes dient (vgl. BFH-Urteil vom 24.03.2006, III R 40/04).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellen die im Streitfall mitvermieteten Ausstattungsgegenstände (Bierkellerkühlanlage, Kühlräume, Kühlmöbel für Theken- und Büffetanlagen) nach Auffassung des BFH Betriebsvorrichtungen dar und sind deshalb nach § 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG nicht in das Grundvermögen einzubeziehen. Denn Gegenstand eines Hotelbetriebs ist es u.a. Hotelgäste zu bewirten und der eigentliche Betriebsvorgang der Bewirtung wäre ohne solche Vorrichtungen nicht durchführbar.

Bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen Gebäudebestandteilen und Betriebsvorrichtungen

Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH, wonach in einem Hotel eingebaute Bäder und Duschen zur Bewertungseinheit des Gebäudes gerechnet und nicht als selbständige Gebäudeteile in Form von Betriebsvorrichtungen beurteilt werden (vgl. BFH-Urteil vom 12.08.1982, III R 118/79). Denn maßgebliches Differenzierungskriterium sei die Frage, ob ein unmittelbarer und besonderer Zusammenhang zwischen der zu beurteilenden Anlage und dem im Gebäude ausgeübten Gewerbebetrieb besteht (was für das Vorliegen einer Betriebsvorrichtung spricht) oder ob die Anlage der Benutzung des Gebäudes als solches dient (was gegen das Vorliegen einer Betriebsvorrichtung spricht).

So sind nach der Rechtsprechung des BFH Personenaufzüge und Rolltreppen eines Warenhauses nicht zu den Betriebsvorrichtungen des Warenhausbetriebes zu rechnen, sondern als Grundstücksbestandteile dem Grundvermögen zugehörig zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 05.03.1971, III R 90/69). Dort war entscheidend, dass Personenaufzüge und Rolltreppen in einem mehrstöckigen Gebäude unbewegliche Treppen ersetzen und damit unmittelbare Gebäudefunktion erfüllen.

Keine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags bei Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen

Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG ist durch das Erfordernis der Ausschließlichkeit tatbestandlich zweifach begrenzt: Zum einen ist die unternehmerische Tätigkeit gegenständlich begrenzt, nämlich ausschließlich auf eigenen Grundbesitz oder daneben auch auf eigenes Kapitalvermögen, zum anderen sind Art, Umfang und Intensität der Tätigkeit begrenzt, dass nämlich die Unternehmen dieses Vermögen ausschließlich verwalten und nutzen (vgl. BFH-Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16).

Nebentätigkeiten liegen innerhalb des von diesem Ausschließlichkeitsgebot gezogenen Rahmens und sind nicht kürzungsschädlich, wenn sie der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes i.e.S. dienen und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden können (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 17.01.2006, VIII R 60/02). Eine Mitvermietung von (nicht fest mit dem Grundstück verbundenen) Betriebsvorrichtungen schließt die Kürzung dagegen regelmäßig aus (vgl. zuletzt BFH-Beschluss vom 07.04.2011, IV B 157/09).

Nach Ansicht des BFH ist die Mitvermietung der Betriebsvorrichtungen im Streitfall nicht zwingend notwendig und steht somit der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags entgegen. Zudem komme es auf die quantitativen Voraussetzungen des Ausschließlichkeitskriteriums nicht mehr an, da die überlassenen Betriebsvorrichtungen bereits die qualitativen Anforderungen der Rechtsprechung nicht erfüllen.

Keine allgemeine Bagatellgrenze

Eine allgemeine Bagatellgrenze, wonach die Überlassung von Betriebsvorrichtungen der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht, wenn die Betriebsvorrichtungen gegenüber dem Grundvermögen von geringem Wert sind oder auf sie nur ein geringer Teil der Miete oder Pacht entfällt, kommt nach Auffassung des BFH aufgrund des dem Gesetzeswortlaut zu entnehmenden strengen Ausschließlichkeitsgebotes nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 17.05.2006, VIII R 39/05). Eine Geringfügigkeitsgrenze erfordere eine Formulierung wie "nahezu ausschließlich", "überwiegend" oder "hauptsächlich" oder – wie in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG – zumindest das Fehlen des Wortes "ausschließlich". Der Gesetzgeber habe zudem durch die in § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG enthaltene Aufzählung der neben der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes erlaubten, aber nicht begünstigten Tätigkeiten, die Ausnahmen vom Ausschließlichkeitsgebot eingegrenzt.

Betroffene Norm

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

Streitjahre 2005 bis 2007

Anmerkungen

Offengelassene Fragestellung

Der BFH konnte in seinem Urteil vom 11.04.2019 (III R 36/15) offenlassen, ob ein unschädliches Nebengeschäft auch dann in Betracht kommt, wenn es sich um die Vermietung von Grundstücksteilen handelt, die nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch den Mieter Betriebsvorrichtungen sind. Denn im Streitfall waren die mitvermieteten Gegenstände und Anlagen nach Ansicht des BFH nicht erst wegen der Eigenart der Nutzung durch den Mieter Betriebsvorrichtungen. Sie seien bereits von Seiten der GmbH auf die Erfordernisse eines Hotelbetriebs zugeschnitten worden. Ihre gewerbliche Nutzung sei damit mithin bereits in der Sphäre des Vermieters angelegt und nicht erst in der Sphäre des Mieters.

BFH-Urteil vom 28.11.2019, III R 34/17

Auch in seinem Urteil vom 28.11.2019, III R 34/17, siehe Deloitte Tax-News kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die Vermietung von Betriebsvorrichtungen und beweglichen Wirtschaftsgütern (gemeinsam: Betriebsvorrichtungen) die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung auch dann ausschließt, wenn sie nur einen sehr geringen Umfang annimmt.

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 29.04.2015, 13 K 2407/1, EFG 2015, S. 1552

Fundstelle

BFH, Urteil vom 11.04.2019, III R 36/15, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen 

im Wesentlichen inhaltsgleich:

BFH, Urteil vom 11.04.2019, III R 5/18 

BFH, Urteil vom 11.04.2019, III R 6/18 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.11.2019, III R 34/17, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Beschluss vom 25.09.2018, GrS 2/16, BStBl II 2019, S. 262, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 28.02.2013, III R 35/12, BStBl II 2013, S. 606

BFH, Beschluss vom 07.04.2011, IV B 157/09, BFH/NV 2011, S. 1392

BFH. Urteil vom 17.05.2006, VIII R 39/05, BStBl II 2006, S. 659

BFH, Urteil vom 24.03.2006, III R 40/04, BFH/NV 2006, S. 2130

BFH, Urteil vom 17.01.2006, VIII R 60/02, BStBl II 2006, S. 434

BFH, Urteil vom 14.06.2005, VIII R 3/03, BStBl II 2005, S. 778

BFH, Urteil vom 12.08.1982, III R 118/79, BStBl II 1982, S. 782

BFH, Urteil vom 05.03.1971, III R 90/69, BStBl II 1971, S. 455

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