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27.11.2015
Unternehmensteuer

BFH: Keine Betriebsaufspaltung allein wg. des Ausweises einzelner Räume als Unternehmenssitz

Allein der Ausweis einzelner Räume einer Immobilie als Unternehmenssitz begründet noch keine eine Betriebsaufspaltung begründende funktionale und quantitative Bedeutung der Räumlichkeiten für das Betriebsunternehmen. Der Sitz kann lediglich eine Indizwirkung im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung entfalten. Hinzutreten müssen weitere Umstände, die auf eine nicht nur unerhebliche Bedeutung der Räume schließen lassen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GbR, deren Beteiligte (Ehegatten) jeweils zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks waren. Die Ehegatten vermieteten in den Streitjahren 2002 bis 2004 mehrere Räume in ihrem Zweifamilienhaus an eine AG (an der sie zu 69,44 v.H. beteiligt waren). Die AG hatte ihren im Handelsregister eingetragenen Sitz an der Grundstücksadresse. Die aus der Überlassung der Räumlichkeiten erzielten Einkünfte erklärten die Ehegatten als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass diese Einkünfte im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der AG erzielt worden und daher die vermieteten Räumlichkeiten dem Betriebsvermögen der Klägerin und die Anteile der Ehegatten an der AG dem Sonderbetriebsvermögen der Ehegatten zuzuordnen seien. Es qualifizierte die Einnahmen aus der Vermietung daher als gewerbliche Einkünfte. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des FG München auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Das FG sei verfrüht von einer Betriebsaufspaltung ausgegangen. Ob im Streitfall neben der unstreitigen personellen auch eine sachliche Verflechtung zu bejahen sei, die Klägerin der AG also wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen habe, ließe sich auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht beantworten.

Ein Grundstück, das der Betriebsgesellschaft überlassen und von dieser genutzt werde, stelle nur dann eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bilde und es ihr ermögliche, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Einer spezifischen Ausstattung des Gebäudes bedürfe es nicht, sodass auch die Vermietung von Räumen in einem Einfamilienhaus in Betracht kommen könne. Bei der erforderlichen Beurteilung könne auch das quantitative Verhältnis zwischen den überlassenen Flächen und den übrigen Nutzflächen des Betriebsunternehmens von Bedeutung sein.

Insbesondere rechtfertige allein der Umstand, dass eine AG am Ort ihres Sitzes Räumlichkeiten angemietet habe, noch nicht die Annahme, dass diese für die AG stets von funktional wesentlicher Bedeutung seien. Dem Sitz einer AG komme lediglich eine Indizwirkung zu. Tatsächlicher Geschäftsleitungssitz und Satzungssitz könnten auch auseinanderfallen, sodass die Bestimmung des Sitzes einer AG nur lediglich formalen Charakter habe.

Auch eine teilweise an Wochenenden ausgeübte Geschäftsleitungstätigkeit sei kein hinreichendes Indiz für die funktional wesentliche Bedeutung der Räume. Dies gelte gerade dann, wenn wie im Streitfall vorgetragen wurde, die Geschäftsleitung ganz überwiegend von anderen Standorten ausgeübt werde. Auch wenn sich Sitz und Geschäftsleitung der AG zu einer früheren Zeit räumlich gedeckt hätten, gebe der Umstand, dass im Laufe der Unternehmensentwicklung weitere Standorte hinzugekommen seien, Anlass zu weiterer Aufklärung. Art, Ort und Umfang der tatsächlichen Geschäftsleitungstätigkeit in den Streitjahren sei zu ermitteln und ein Nutzungsverhältnis zwischen den streitbefangenen Räumen und den übrigen (andernorts) genutzten Räumen zu bilden.

Für die Annahme einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage bei der Überlassung von Büroräumen zum Zwecke der Geschäftsleitung sei zudem erforderlich, dass ein nicht unbedeutender Teil des Tagesgeschäfts der Geschäftsleitung und nicht etwa nur Hilfstätigkeiten in diesen Räumlichkeiten stattfände. Hierzu könne auch die Gesamtfläche der Standorte, die Verwaltungsfläche, die Mitarbeiterzahl oder der Gesamtumsatz des Betriebsunternehmens als quantitative Kriterien herangezogen werden. Allein die Tatsache, dass die Wesentlichkeitsgrenze in § 8 EStDV nicht unterschritten wurde, belege im Streitfall noch keine quantitativ wesentliche Bedeutung.

Betroffene Normen
§ 15 EStG, § 21 EStG
Streitjahre 2002, 2003, 2004

Vorinstanz
Finanzgericht München, Urteil vom 26.02.2013, 2 K 26/11, EFG 2013, S. 846, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle
BFH, Urteil vom 29.07.2015, IV R 16/13, nicht amtlich veröffentlicht

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