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06.03.2025
Unternehmensteuer

BFH: Keine Gewinnhinzurechnung auch bei durchgehender Außenhaftung des Kommanditisten

Eine Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG scheidet nicht nur aus, soweit auf Grund einer Entnahme eine Außenhaftung des Kommanditisten entsteht ("Wiederaufleben der Haftung"), sondern auch, soweit unabhängig von der Entnahme auf Grund der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme eine (durchgehende) Außenhaftung des Kommanditisten besteht ("Bestehen der Haftung").

BFH, Urteil vom 16.01.2025, IV R 11/22
 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG (im Folgenden: KG), die ein Solarkraftwerk betreibt. Alleinige Kommanditistin war im Streitjahr die A-GmbH & Co. KG (A). Die im Handelsregister eingetragene Haftsumme wurde im Jahr 2010 zweimal erhöht, wobei einmal auch eine entsprechende Einlage geleistet wurde. Im Streitjahr hat A Entnahmen getätigt.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass eine Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG nur ausgeschlossen sei, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung bestehe oder entstehe („Wiederaufleben der Haftung“). Hingegen war das FG der Ansicht, dass die Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG auch ausgeschlossen ist, soweit mangels einer Einlagenleistung eine (durchgehende) Haftung nach § 171 Abs. 1 HGB besteht („Bestehen einer Haftung auf Grund der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme“).

Entscheidung

Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass für die Kommanditistin (A) keine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG festzustellen ist, da die Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 EStG sowohl ausgeschlossen sei, soweit auf Grund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 2 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht („Wiederaufleben der Haftung“) als auch, soweit eine (durchgehende) Haftung nach § 15 a Abs. 1 S. 2 EStG i.V.m. § 171 Abs. 1 HGB generell besteht („Bestehen einer Haftung auf Grund der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme“).

(Gesetzliche) Grundlagen

Der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft darf weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht; er darf insoweit auch nicht nach § 10d abgezogen werden (vgl. § 15a Abs. 1 S. 1 EStG). Haftet der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft auf Grund des § 171 Abs. 1 HGB, so können abweichend von Satz 1 Verluste des Kommanditisten bis zur Höhe des Betrags, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten seine geleistete Einlage übersteigt, auch ausgeglichen oder abgezogen werden, soweit durch den Verlust ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht (vgl. § 15a Abs. 1 S. 2 EStG).
§ 15a Abs. 3 S. 1 EStG regelt eine Gewinnhinzurechnung für den Kommanditisten bei einer Einlageminderung. Soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten durch Entnahmen entsteht oder sich erhöht (Einlageminderung) und soweit nicht auf Grund der Entnahmen eine nach § 15a Abs. 1 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht, ist dem Kommanditisten im Fall einer vorangegangenen Verlustnutzung (§ 15a Abs. 3 S. 2 EStG) der Betrag der Einlageminderung als Gewinn zuzurechnen (§ 15a Abs. 3 S. 1 EStG).

Voraussetzungen für die Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG

Nach der Ansicht des BFH setzt also eine Gewinnhinzurechnung – neben der vorangegangenen Verlustnutzung – nicht nur voraus, dass eine Einlageminderung vorliegt. Weiteres Erfordernis ist, dass auf Grund der Entnahme keine nach § 15a Abs. 1 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht.

Im Streitfall haben die getätigten Entnahmen (unstreitig) das negative Kapitalkonto der Kommanditistin (A) erhöht und somit zu einer Einlageminderung im Sinne des § 15a Abs. 3 S. 1 EStG geführt. Nach dem BFH kommt allerdings eine Gewinnhinzurechnung gleichwohl nicht in Betracht, denn das Gesetz verzichtet auf eine solche nicht nur, soweit auf Grund der Entnahme eine entsprechende Haftung entsteht („Wiederaufleben der Haftung“), sondern auch, soweit – unabhängig von der Entnahme – eine (durchgehende) Außenhaftung des Kommanditisten besteht.

Gleichbehandlung von „Wiederaufleben“ und „Bestehen der Haftung“

Der BFH führt aus, dass es sich wegen des in § 15a Abs. 1 S. 2 EStG enthaltenen Verweises auf § 171 Abs. 1 HGB allein nach handelsrechtlichen und somit nicht nach steuerrechtlichen Maßstäben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 06.03.2008, IV R 35/07) bestimmt, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen eine nach § 15a abs. 3 i.V.m. Abs. 1 S. 2 EStG zu berücksichtigende Haftung des Kommanditisten wieder auflebt. Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet ein Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Haftsumme unmittelbar. Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die vereinbarte Einlage geleistet ist.

Soweit die Entnahmen im Streitjahr zum "Wiederaufleben der Haftung" der Beigeladenen geführt haben, sei eine Gewinnhinzurechnung (unstreitig) ausgeschlossen.

Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung haben aber auch die darüberhinausgehenden Entnahmen der Kommanditistin (A) keine Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 S. 1 EStG ausgelöst. Dass diese Entnahmen nicht zu einem Wiederaufleben der Haftung der Beigeladenen geführt haben, stehe dem nicht entgegen. Denn § 15a Abs. 3 S. 1 Hs. 2 EStG schließe die Gewinnhinzurechnung auch im Fall des "Bestehens einer Außenhaftung" des Kommanditisten aus. Der BFH behandelt folglich den Fall des „Wiederauflebens der Haftung“, bei dem eine zunächst erbrachte Einlage wieder entnommen wird und den Fall des Bestehens einer (durchgehenden) Haftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB, bei dem noch gar keine Einlage geleistet wurde, gleich.

Wirtschaftliche Belastung auch bei durchgehenden Außenhaftung gegeben

Der BFH begründet dies mit einer am Zweck der Vorschrift orientierten Auslegung des § 15a Abs. 3 S. 1 EStG. § 15a Abs. 3 EStG bezwecke, eine Umgehung der aus § 15a Abs. 1 EStG folgenden Begrenzung des Verlustausgleichs durch vorübergehende höhere Einlagen in das Gesellschaftsvermögen zu verhindern. Die Vorschrift habe zum Ziel, das gleiche Ergebnis herbeizuführen, als wenn von vornherein eine geringere Einlage geleistet worden und der Verlustanteil bereits im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähig, sondern lediglich verrechenbar gewesen wäre (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.06.2024, IV R 17/21). § 15a Abs. 3 EStG solle sicherstellen, dass dem Kommanditisten eine steuerlicher Verlustausgleich oder -abzug nur insoweit gewährt wird, als er wirtschaftlich durch den Verlust belastet wird (zum Sinn und Zweck des § 15a EStG: BFH-Urteil vom 01.03.2018, IV R 16/15).

Folglich scheide eine Gewinnhinzurechnung nach § 15a Abs. 3 EStG aus, wenn die Haftung des Kommanditisten – unabhängig von der Entnahme – auf Grund der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme besteht, denn auch in diesem Fall haftet der Kommanditist den Gläubigern nach Maßgabe des Handelsrechts, so dass er wirtschaftlich durch den Verlust belastet ist. Dabei macht es nach dem BFH keinen Unterschied, ob die Haftung wieder auflebt, weil der Kommanditist eine zunächst erbrachte Einlage wieder entnimmt, oder ob er noch gar keine Einlage geleistet und seine Haftung daher (durchgehend) gemäß § 171 Abs. 1 HGB bestanden hat.

Das Gesetz akzeptiere, dass die wirtschaftliche Belastung des Kommanditisten nach der Entnahme auf einem anderen Grund – der nunmehr bestehenden Außenhaftung – beruht. Dabei mache es aus Sicht des BFH keinen Unterschied, ob die Außenhaftung wieder auflebt, durchgehend bestanden hat oder aber infolge der Erhöhung der Haftsumme im Handelsregister erst im Jahr der Einlageminderung entsteht.

Betroffene Normen

§ 15a Abs. 3 EStG

Streitjahr 2016

Vorinstanz

Finanzgericht Köln vom 16.02.2022, 12 K 509/19, EFG 2022, S. 1194

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16.01.2025, IV R 11/22
 

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 06.03.2008, IV R 35/07, BStBl. II 2008, S. 676

BFH, Urteil vom 20.06.2024, IV R 17/21, BStBl. II 2024, S. 898, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 01.03.2018, IV R 16/15, BStBl. II 2018, S. 527
 

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