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17.02.2021
Unternehmensteuer

BFH: Keine Hinzurechnung von Schuldzinsen aus dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut

Schuldzinsen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb einer mitunternehmerischen Beteiligung an einem Finanzdienstleistungsinstitut, das ausschließlich Finanzdienstleistungen i.S.v. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG erbringt, vom Mitunternehmer geleistet werden, sind nach § 19 Abs. 4 GewStDV begünstigt und unterliegen daher nicht der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG. Der BFH legt die Voraussetzungen für die Privilegierung nach § 19 Abs. 4 S. 1 GewStG weit aus und spricht sich dafür aus, die Privilegierung nach § 19 Abs. 4 S. 1 GewStG nicht von einer direkten Zuordenbarkeit der Schuldzinsen zu einer konkreten Finanzdienstleistung abhängig zu machen.  

Sachverhalt

Die M-KG erbrachte ausschließlich Finanzierungsleasing und damit Finanzdienstleistungen i.S.d. § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 10 KWG. An der M-KG hielt die L-KG eine stille Beteiligung. Ihre Einlage hatte die L-KG zum Teil fremdfinanziert. Die aus dem Darlehen zur Finanzierung der Einlage resultierenden Zinsaufwendungen der L-KG machte die M-KG in den Streitjahren 2009 bis 2013 im Rahmen der von ihr abgegebenen Gewinnfeststellungserklärungen als Sonderbetriebsausgaben der L-KG geltend.

Nach Auffassung der Klägerin konnte eine Hinzurechnung der Schuldentgelte nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterbleiben, da sie als Finanzdienstleistungsinstitut nach § 1 Abs. 1a KWG das Gewerbesteuer-Privileg nach § 19 GewStDV in Anspruch nehmen kann.

Finanzamt und FG gingen davon aus, dass eine Hinzurechnung der von der L-KG zur Finanzierung ihrer Einlage bei der M-KG gezahlten Schuldentgelte nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG zu erfolgen habe. Der Ausnahmetatbestand nach § 19 GewStDV liege nicht vor, da die Entgelte nicht unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i.S. des § 1 Abs. 1a S. 2 KWG entfielen.

Entscheidung

Dem ist der BFH nicht gefolgt.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 19 Abs. 4 S. 1 GewStDV unterbleibt bei Finanzdienstleistungsinstituten i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG eine Hinzurechnung von Schuldentgelten nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, soweit die Entgelte unmittelbar auf Finanzdienstleistungen i.S.d. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG entfallen. Die Regelung findet nach § 36 Abs. 3 S. 2 HS. 1 GewStDV i.d.F. des StEUVUmsG rückwirkend bereits für den Erhebungszeitraum 2008 Anwendung.

(Weiter gehender) Umfang der Privilegierung nach § 19 Abs. 4 GewStDV

Dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 GewStDV ist nach Ansicht des BFH nicht zu entnehmen, dass nur Schuldentgelte privilegiert sein sollen, die einer konkreten Finanzdienstleistung zugeordnet werden können. Schuldentgelte entfielen vielmehr auch dann unmittelbar auf Finanzdienstleistungen, wenn ein notwendiger Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzins und privilegierter Finanzdienstleistung besteht. 

Entgegen in der Literatur vertretenen Auffassungen legt der BFH die Voraussetzungen für die Privilegierung nach § 19 Abs. 4 S. 1 GewStG weiter aus. Nach dem BFH spricht gegen eine streng kausale „Unmittelbarkeit“ zwischen dem „Entfallen“ des Schuldentgelts und der privilegierten Finanzdienstleistung des Finanzdienstleistungsinstituts, dass das Finanzdienstleistungsinstitut dem Darlehensgläubiger einen Schuldzins für das Kapital bezahlt, das ihm überlassen wird und nicht für die Finanzdienstleistung, die es erbringt. Daher sei die Ausnahme von der Hinzurechnung auch auf indirekt zuordenbare Aufwendungen zu erstrecken, wenn diese den privilegierten Finanzdienstleistungen nach einem sachgerechten Verteilungsschlüssel zugerechnet werden können. Zudem könne sich die Zuordnung von Schuldzins zur privilegierten Finanzdienstleistung auch aus dem Verwendungszweck des gewährten Darlehens ergeben, wenn das mit dem Schuldzins bezahlte Kapital ausschließlich dafür eingesetzt werden soll, dass das Finanzdienstleistungsinstitut damit seine – nach dem KWG staatlich beaufsichtigten – Finanzdienstleistungen finanziert.

Die Privilegierung nach § 19 Abs. 4 GewStDV entfällt nach Auffassung des BFH daher auch auf Schuldentgelte aus dem Sonderbetriebsvermögen, die der Finanzierung eines Darlehens dienen, mit dem eine Einlage bei einem als atypisch stille Gesellschaft organisierten Finanzdienstleistungsinstitut finanziert wird, das ausschließlich Finanzdienstleistungen i.S.v. § 1 Abs. 1a S. 2 KWG erbringt.

Keine Differenzierung nach Zugehörigkeit zum Gesamthandsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen

Für eine Differenzierung der von der Hinzurechnung ausgenommenen Schuldentgelte nach ihrer Zugehörigkeit zum passiven Gesamthandsvermögen oder dem passiven Sonderbetriebsvermögen II bestehen nach dem BFH auch in Gesetzeswortlaut, Systematik und den Gesetzgebungsmaterialen keine Anhaltspunkte. Aus Sicht des BFH differenziert die Ausnahmeregelung nicht nach der Rechtsform des gewerblichen Unternehmens. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass die Ausnahme dann nicht greifen soll, wenn die Schuldentgelte das Betriebsvermögen über die Zurechnung als Sonderbetriebsvermögen belasten, anstatt dem Gesamthandsvermögen des gewerblichen Unternehmens zugeordnet zu sein. Die Norm des § 19 Abs. 4 GewStDV greife daher auch grundsätzlich in Fällen der additiven, zweistufigen Gewinnermittlung bei Mitunternehmerschaften nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG.

Auch die zum „Bankenprivileg“ ergangene Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 23.08.2000, I R 98/96) spreche für die hier vom BFH vertretene Auffassung. Mit Urteil vom 23.08.2000 (I R 98/96) hatte der BFH entschieden, dass es dem Sinn und Zweck des § 19 Abs. 1 GewStDV a.F. entspricht, in den Regelungsbereich der Vorschrift auch diejenigen Schulden einzubeziehen, die zum Erwerb eines Anteils an einem von Mitunternehmern betriebenen Kreditinstitut oder zur Refinanzierung von Einlagen der Mitunternehmer aufgenommen werden.

Zurückverweisung an das FG

Der BFH hat die Sache aufgrund fehlender Feststellungen des FG darüber, ob im Streitfall eine typisch stille Beteiligung oder eine atypisch stille Gesellschaft vorliegt, an das FG zurückverwiesen (siehe auch unter „Anmerkung“).

Betroffene Normen

​§ 19 Abs. 4 GewStDV, § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG, § 1 Abs. 1a KWG​​​

Streitjahr ​2009, 2010, 2011 und 2013​

Anmerkung

Fallunterscheidung in typisch stille oder atypisch stille (mitunternehmerische) Beteiligung

Die dargestellte Entscheidung vom 16.07.2020 (IV R 30/18) spielt zwei mögliche Lösungen des Streitfalles durch, da sich laut BFH unterschiedliche gewerbesteuerrechtliche Folgen ergeben, je nachdem, ob die Beteiligung der L-KG an der M-KG als typisch stille Beteiligung zu behandeln ist oder ob die L-KG mitunternehmerisch an der M-KG beteiligt war (atypisch stille Gesellschaft). 

Hätte ein typisch stille Beteiligung vorgelegen, würden die streitbefangenen Schuldzinsen den Gewerbeertrag der M-KG nicht mindern, weil sie keine Sonderbetriebsausgaben darstellen. Folglich hätte sich in diesem Fall die Frage nach einer Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG nicht gestellt, da die streitbefangenen Schuldzinsen auf Ebene der M-KG bei der Ermittlung des Gewinns nicht abzusetzen sind. Allerdings würden die Gewinnanteile der L-KG der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG unterliegen.
Hätte hingegen eine atypisch stille Beteiligung vorgelegen, minderten die streitbefangenen Zinsen zwar als Sonderbetriebsausgaben den Gewerbeertrag der atypischen Gesellschaft, wären allerdings nach Ansicht des BFH wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 S. 1 GewStDV nicht dem Gewerbeertrag der M-KG hinzuzurechnen.

Vorinstanz

Finanzgericht München, Urteil vom 31.05.2017, 9 K 3183/15, BeckRS 2017, 153031

Fundstelle

BFH, Urteil vom 16.07.2020, IV R 30/18, BStBl. II 2021, S.939

Weitere Fundstelle

BFH, Urteil vom 23.08.2000, I R 98/96, BStBl. II 2002, S. 207

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