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18.11.2011
Unternehmensteuer

BFH: Rückstellung für zukünftigen Aufwand, der mit (noch) nicht realisierten Erträgen zusammenhängt

Die Kosten für die Zulassung eines neu entwickelten Pflanzenschutzmittels sind Bestandteil der Herstellungskosten für die Rezeptur des Pflanzenschutzmittels. Aufwendungen zur Herstellung eines selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens, das nicht aktiviert werden darf (§ 5 Abs. 2 EStG), sind steuerlich sofort abziehbare Betriebsausgaben. Für solchen Aufwand kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Eine dem Grunde nach rechtlich entstandene Verbindlichkeit ist auch wirtschaftlich vor dem Bilanzstichtag verursacht, wenn sie unabhängig davon zu erfüllen ist, ob der Unternehmer seine Tätigkeit in Zukunft fortführt oder den Betrieb zum jeweiligen Bilanzstichtag beendet.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Herstellung und zum Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln. Für einen von ihr neu entwickelten Wirkstoff beantragte die Klägerin im Jahr 1999 die Erstzulassung. Die geschätzten Kosten für die Zulassung stellte sie im Streitjahr 1999 in eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ein. Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an und verneinte die wirtschaftliche Verursachung der Zulassungskosten in 1999, da diese erst mit zukünftigen Erträgen im Zusammenhang stünden. Die Bildung einer Rückstellung setze die konkrete Zugehörigkeit künftiger Ausgaben zu bereits realisierten Erträgen voraus. Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab.

Entscheidung

Das FG hat die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Zulassungskosten für das von ihr neu entwickelte Pflanzenschutzmittel im Jahr 1999 zu Unrecht verneint.

Die Kosten für die Zulassung eines neu entwickelten Pflanzenschutzmittels sind Teil der Herstellungskosten, die zwangsläufig im Zusammenhang mit der Schaffung der Rezeptur aufgebracht werden müssen. Die Zuordnung der Zulassungskosten zu den Herstellungskosten der Rezeptur eines Pflanzenschutzmittels schließt im Streitfall die Bildung einer Rückstellung nicht aus. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind zulässig, wenn die künftigen Aufwendungen zur Erfüllung der Verpflichtung steuerrechtlich sofort abziehbare Ausgaben darstellen, also nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert werden müssen (§ 5 Abs. 4b S. 1 EStG). Aus § 5 Abs. 2 EStG folgt, dass für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens keine Aktivposten angesetzt werden dürfen. Ist deshalb der Herstellungsaufwand nicht zu aktivieren, muss hierfür eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten gebildet werden, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Die Klägerin war im Gewinnermittlungszeitraum 1999 verpflichtet, im Hinblick auf ihre Verpflichtung zur Zahlung der Zulassungskosten für das von ihr neu entwickelte Pflanzenschutzmittel eine Rückstellung zu bilden. Denn die genannte Zahlungsverpflichtung der Klägerin war im Jahr 1999 sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich verursacht.

Im Jahr 1999 war die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Zulassungskosten für das von ihr neu entwickelte Pflanzenschutzmittel unmittelbar kraft Gesetzes dem Grunde nach rechtlich entstanden. Denn die Klägerin hatte 1999 einen Antrag auf Zulassung des von ihr neu entwickelten Pflanzenschutzmittels bei der sachlich zuständigen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft gestellt. Eine Gebührenschuld entsteht rechtlich, soweit ein Antrag notwendig ist, mit dessen Eingang bei der zuständigen Behörde, auch wenn zu diesem Zeitpunkt der genaue Kostenbetrag noch ungewiss ist. Der Antrag der Klägerin begründet zugleich den wirtschaftlichen Bezugspunkt der Kostenschuld zum Gewinnermittlungszeitraum 1999.

Der Vergangenheitsbezug der Kostenschuld ergibt sich weiterhin daraus, dass die Kostenschuld unabhängig vom Ausgang des Zulassungsverfahrens besteht. Die Klägerin muss die Zulassungskosten sowohl bei Erlass eines positiven wie auch bei Erlass eines negativen Bescheids begleichen. Demgegenüber ist es unerheblich, ob sie im Falle eines positiven Bescheids das von ihr neu entwickelte Mittel zukünftig tatsächlich am Markt anbietet, also von der erteilten Zulassung auch Gebrauch macht, oder ob sie ihre unternehmerische Tätigkeit zum Bilanzstichtag 31.12.1999 vollständig beendet oder jedenfalls davon absieht, das neu entwickelte Pflanzenschutzmittel zukünftig in den Verkehr zu bringen.

Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Falle der Erteilung der von ihr beantragten Zulassung und ihrer unterstellten Verwertung am Markt erst in Zukunft mit dem Pflanzenschutzmittel handeln wird und daraus künftige Erträge resultieren werden. Der Vergangenheitsbezug einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung kann nicht allein damit verneint werden, dass die Verpflichtung in unternehmerischer Perspektive der Erzielung künftiger Einnahmen dient.

Betroffene Norm

§ 5 Abs. 2 und Abs. 4b S. 1 EStG
Streitjahr 1999

Vorinstanz

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.12.2008, 10 K 120/04, DStRE 2009, S. 972

Fundstelle

BFH, Urteil vom 08.09.2011, IV R 5/09, BStBl II 2012, S. 122

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