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16.11.2012
Unternehmensteuer

BFH: Schachtelstrafe bei Dividenden aus Drittstaaten

Zwischenzeitlich hat der BFH seine frühere im Urteil vom 29.08.2012, I R 7/12 vertretene Rechtsprechung zur Schachtelstrafe bei Dividenden aus Drittstaaten aufgegeben.
BFH, Urteil vom 24.07.2018, I R 75/16, siehe Deloitte Tax-News 
                                                                                                                                     

Überholte Rechtsprechung im Urteil vom 29.08.2012, I R 7/12:

Die sog. Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F.) verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit und bleibt deswegen innerhalb der EU unanwendbar. Die Unanwendbarkeit der Schachtelstrafe erstreckt sich infolge des Vorrangs der Niederlassungsfreiheit gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit nicht auf sog. Drittstaaten. Sie stellt gegenüber den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien auch kein "Treaty override" dar.

Sachverhalt  
Die Klägerin war im Streitjahr 1999 zu 33,5 % an einer in den USA ansässigen Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Corporation (nachfolgend AC) beteiligt. Aus dieser Beteiligung erzielte sie eine Brutto-Dividende in Höhe von 4,5 Mio. Euro, für die in den USA 5 % Quellensteuer einbehalten wurde (Art. 10 DBA-USA). Die mit der Beteiligung tatsächlich entstandenen Kosten der Klägerin haben im Streitjahr 5.600 Euro betragen.

Das Finanzamt behandelte die aus den USA stammenden Dividenden als steuerfrei und nahm eine Hinzurechnung i. H. v. 5 % als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben vor („Schachtelstrafe“, § 8b Abs. 7 KStG 1999). Die Klägerin wandte sich gegen diese pauschale Hinzurechnung i. H. v. 5 % und hatte vor dem FG Erfolg. Über die Nichtabziehbarkeit der tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben (§ 3c EStG 1997) besteht kein Streit.

Entscheidung
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die sog. Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F.) bleibe infolge eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bezogen auf die Dividende aus der Kapitalbeteiligung in den USA unangewandt.

Dies ergibt sich daraus, dass der BFH den Streitpunkt, ob die sog. Schachtelstrafe nicht allein gegen die Niederlassungsfreiheit, sondern zugleich auch gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, Art. 63 AEUV) verstößt - wobei Letzteres zur Folge haben könnte, dass sich die Reichweite der Vertragsverletzung prinzipiell nicht nur auf Beteiligungsgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU/EWR-Mitgliedstaat, sondern auch auf sog. Drittstaaten erstreckt - dahingehend entscheidet, dass zwar der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich eröffnet bleibt, dieser aber von der insoweit vorrangig anzuwendenden Niederlassungsfreiheit verdrängt wird.

Auslösend für diesen Streit ist das unterschiedliche Rechtsverständnis darüber, ob es für den systematischen Anwendungsvorrang der Niederlassungs- gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit auf den Zweck der betreffenden nationalen Vorschrift oder aber auf die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse ankommt: Nach der ständigen Spruchpraxis des EuGH berührt eine nationale Regelung vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit, wenn die Beteiligung es ihrem Inhaber im Rahmen einer sog. Direktinvestition ermöglicht, "einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen"; hingegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die - als sog. Portfolioinvestitionen - "in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll", ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen (z.B. EuGH-Urteile vom 17.09.2009, vom 19.07.2012, vom 21.11.2002 und vom 12.12.2006). Ausschlaggebend ist sonach, ob die zugrundeliegende nationale Norm - wie beispielsweise § 8b Abs. 5 KStG 1999/2002 a.F. - ausdrücklich oder nach ihrer Zielsetzung allgemein und vorbehaltlos gegen "jedermann" wirkt, oder ob sie qualifizierte Beteiligungsmerkmale verlangt. Die tatsächlichen Verhältnisse spielen insoweit keine unmittelbare Rolle; sie werden vom EuGH lediglich ergänzend herangezogen, um den zur Abgrenzung eingeforderten "sicheren Einfluss" für den konkret zu beurteilenden Einzelfall zu verifizieren (z.B. EuGH-Urteile vom 19.07.2012 und vom 26.03.2009, s.a. FG Köln-Urteil vom 24.02.2011). Die Finanzverwaltung sieht demgegenüber die tatsächlichen Verhältnisse als allein maßgebend an; lediglich sog. Streubesitz soll dem weltweit wirkenden Diskriminierungs- und Beschränkungsschutz der Kapitalverkehrsfreiheit unterworfen sein.

Im Streitfall bedarf es zu dieser Kontroverse nach dem grundsätzlichen Verhältnis von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit keiner weiteren Ausführungen, weil eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit jedenfalls unter den hier zu beurteilenden Gegebenheiten hinter die Verletzung der Niederlassungsfreiheit zurücktritt und deren "unvermeidliche Folge" ist (vgl. EuGH-Urteil vom 17.09.2009). Grund dafür ist, dass § 8b Abs. 7 KStG 1999 n.F. nicht (wie aber dessen Nachfolgeregelung in § 8b Abs. 5 KStG 1999/2002 a.F.) allgemein an die steuerfreien Bezüge aus Anteilen an ausländischen Gesellschaften anknüpft, sondern nur an solche Gewinnausschüttungen der Auslandsgesellschaft, die nach einem DBA von der Körperschaftsteuer befreit sind. Das aber erfordert wiederum nach dem beschriebenen Tatbestand des im Streitfall anzuwendenden Art. 23 Abs. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 und 3 DBA-USA 1989 als maßgebender Bezugsnorm (abweichend von § 8b Abs. 1 KStG 2002 n.F) eine unmittelbare Beteiligung an den stimmberechtigten Anteilen der in den USA ansässigen Gesellschaft von mindestens 10 % und damit eine (qualifizierte) Mindestbeteiligungsquote, für welche sich "nach Aktien- und Umwandlungsrecht bereits bestimmte Sonderrechte (ergeben)" und welche deswegen eine "unternehmerische Beteiligung" kennzeichnet. Eine derartige qualifizierte Mindestbeteiligungsquote ermöglicht in Einklang mit der zitierten einschlägigen Spruchpraxis des EuGH bei der hierfür gebotenen typisierenden Betrachtung einen hinreichend "sicheren Einfluss". Im Streitfall, in dem die Klägerin einen Anteil von 33,5 % an der UC hielt und die Mindestbeteiligungsquote deutlich übertraf, steht denn auch tatsächlich außer Frage, dass es sich so verhält.

Die sog. Schachtelstrafe stellt auch kein sog. Treaty override dar. Weiterhin widerspricht sie entgegen der Annahme der Klägerin nicht dem Diskriminierungsverbot, wie dieses im Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 ebenso wie in Art. 24 DBA-USA 1989 verbürgt ist.

Betroffene Normen

§ 8b Abs. 7 KStG 1999, § 3c EStG, Art. 43, Art. 56 EG (Art. 49, Art. 63 AEUV), Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. a und Abs. 4, Art. 23 Abs. 2 S. 1 Buchst. a S. 1 und 3, Art. 24 DBA-USA 1989

Streitjahr 1999

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 22.11.2011, 13 K 2853/07, siehe Deloitte Tax-News

Anmerkung

Mit Urteil vom 29.08.2012, I R 7/12 hat der BFH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und folgt nun der neueren EuGH-Rechtsprechung, wonach das pauschale Betriebsausgaben-Abzugsverbot nach § 8b Abs. 7 KStG i.d.F. des StBereinG 1999 (bis VZ 2001) mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit nicht vereinbar und daher auch bei Drittstaatenbeteiligungen nicht anwendbar ist.

Fundstellen

BFH, Urteil vom 24.07.2018, I R 75/16, siehe Deloitte Tax-News 

BFH-Urteil vom 29.08.2012, I R 7/12, BStBl II 2013, S. 89

Weitere Fundstellen

EuGH, Urteil vom 17.09.2009, C-182/08, IStR 2009, S. 691

EuGH, Urteil vom 19.07.2012, C-31/11, DStR 2012, S. 1508

EuGH, Urteil vom 21.11.2002, C-436/00, IStR 2003, S. 23

EuGH, Urteil vom 12. 12. 2006, C-446/04, IStR 2007, S. 69

EuGH, Urteil vom 26.03.2009, C-326/07

Finanzgericht Köln, Urteil vom 24.02.2011, 13 K 80/06, EFG 2011, S. 1651

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