Im Rahmen einer mehrstöckigen Personengesellschaft begründet ein Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zu Buchwerten innerhalb von sieben Jahren nach einer Buchwertübertragung eines Betriebsgrundstücks im Sinne des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG von einer Tochterpersonengesellschaft auf eine Enkelpersonengesellschaft einen Verstoß gegen die Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 5 S. 6 EStG. Der Umfang des Teilwertansatzes nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG bestimmt sich nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG.
Personenobergesellschaft einer mehrstöckigen Personengesellschaft war die M KG. An der M KG war u.a. eine E GmbH zu 11% beteiligt. Die M AG war alleinige Kommanditistin der T KG, welche ihrerseits alleinige Kommanditistin der E KG war. Im Streitjahr 2010 brachte die T KG ein Betriebsgrundstück in ihre 100%ige Tochtergesellschaft E KG ein. Die T KG behandelte diese Übertragung als eine Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG.
Im Jahr 2012 kam es zu diversen Umstrukturierungen im Gesellschafterbestand der M KG. Unter anderem hat die P GmbH von der E GmbH einen „rechnerisch unbedeutenden Zwerganteil“ an der M KG im Wege der Sonderrechtsnachfolge erworben. Die E GmbH wurde auf die M KG verschmolzen. Darüber hinaus wurde im Jahr 2012 die M KG formwechselnd in die M GmbH umgewandelt. Anschließend wurde auch die T KG formwechselnd in die T GmbH umgewandelt. Die Formwechsel wurden steuerrechtlich zu Buchwerten durchgeführt.
Das Finanzamt und das FG waren der Auffassung, dass der Formwechsel der M KG bzw. der nachfolgende Formwechsel der T KG zu einem Verstoß gegen die siebenjährige Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 5 S. 6 EStG führt. Wegen der 100%-igen Beteiligung an der E KG sei mittelbar der Anteil einer Körperschaft am übertragenen Betriebsgrundstück zu 100% begründet worden. Folglich sei rückwirkend auf den Zeitpunkt der Grundstücksübertragung der Teilwert auch zu 100% anzusetzen.
Der BFH schließt sich der Auffassung an, dass auch ein Formwechsel einer Oberpersonengesellschaft zu Buchwerten einen Verstoß gegen die Sperrfrist gemäß § 6 Abs. 5 S. 6 EStG begründen kann. Allerdings bestimmt sich der Umfang des Teilwertansatzes nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG auch dann nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG (und nicht im Zeitpunkt des Sperrfristverstoßes), wenn sich der mittelbare Anteil einer an der formgewechselten Oberpersonengesellschaft als Mitunternehmerin beteiligten Kapitalgesellschaft an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut bis zum Sperrfristverstoß verringert. Der BFH weist die Sache allerdings an das FG zurück, da insbesondere nicht zweifelsfrei feststehe, ob die Voraussetzungen für eine Buchwertübertragung des Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG vorgelegen haben.
Gesetzliche Grundlagen
Soweit innerhalb von sieben Jahren nach der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft der Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut aus einem anderen Grund unmittelbar oder mittelbar begründet wird oder dieser sich erhöht, ist nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert des übertragenen Wirtschaftsguts anzusetzen.
Begründet oder erhöht sich der Anteil einer Körperschaft am übertragenen Wirtschaftsgut bereits im Zuge der Übertragung unmittelbar oder mittelbar, liegt ein Anwendungsfall von § 6 Abs. 5 S. 5 EStG vor. Auch im Fall des § 6 Abs. 5 S. 5 EStG ist die Rechtsfolge der Ansatz des Teilwerts des übertragenen Wirtschaftsguts.
Keine Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 5 EStG
Liegen die Voraussetzungen für eine Übertragung des Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG im Streitjahr vor, sei der Tatbestand des § 6 Abs. 5 S. 5 EStG nicht erfüllt. Im Zuge der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG wurde kein Anteil einer Körperschaft am übertragenen Wirtschaftsgut begründet oder erhöht.
Formwechsel als Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG
Liegt eine Übertragung des Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG vor, sei durch den Formwechsel der M KG in die M GmbH dem Grunde nach ein Sperrfristverstoß nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG erfolgt.
Der Wortlaut des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG erfasse jede „aus einem anderen Grund“ erfolgende unmittelbare oder mittelbare Begründung oder Erhöhung des Anteils eines Körperschaftsteuersubjekts am übertragenen Wirtschaftsgut, welche einer Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nachgelagert ist. Die bezeichnete Anteilsveränderung müsse nicht aufgrund eines (zivilrechtlichen oder ertragsteuerrechtlichen) Rechtsträgerwechsels erfolgen. Damit könne auch der zivilrechtlich die Identität wahrende Formwechsel nach den §§ 190 ff. des Umwandlungsgesetzes ein „anderer Grund“ im Sinne des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG sein (vgl. auch BMF-Schreiben vom 8.12.2011, Rz. 34). § 6 Abs. 5 S. 6 EStG verlange lediglich, dass zeitlich der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nachfolgend ein unmittelbarer oder mittelbarer Anteil eines Körperschaftsteuersubjekts an dem Wirtschaftsgut begründet wird oder sich erhöht. Dabei sei unerheblich, ob dies dadurch geschieht, dass die das Wirtschaftsgut aufnehmende Mitunternehmerschaft oder --bei mehrstöckigen Personengesellschaften-- eine Oberpersonengesellschaft in ein Körperschaftsteuersubjekt formwechselnd umgewandelt werde.
Weiter bestätigt der BFH, dass § 6 Abs. 5 S. 6 EStG keine Missbrauchsabsicht voraussetzt.
Keine teleologische Reduktion des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG
Nach dem BFH ist der Wortlaut des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG auch nicht einschränkend im Wege der teleologischen Reduktion dahin auszulegen, dass ein Sperrfristverstoß ausscheidet, wenn die Anteilsbegründung durch einen Formwechsel der Oberpersonengesellschaft nach § 25 Satz 1, § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG zu Buchwerten erfolgt und wenn im Zeitpunkt des Formwechsels an der Oberpersonengesellschaft (auch) natürliche Personen als Mitunternehmer vermögensmäßig beteiligt sind, die bereits an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG übertragenen Betriebsgrundstück (mittelbar) vermögensmäßig beteiligt waren. Eine teleologische Reduktion komme grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn der weite Wortlaut der Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist. So entspreche der weite Wortlaut des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG dem weiten Sinn und Zweck dieser Regelung, nämlich von vornherein den Transfer von stillen Reserven aus dem Einkommensteuer- in das Körperschaftsteuerregime zu verhindern.
Auch das Argument, dass bei einer anderen Reihenfolge der Verträge – zuerst steuerneutrale formwechselnde Umwandlung der T KG in eine Kapitalgesellschaft, erst dann Übertragung des Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG durch die T GmbH auf die E KG die stillen Reserven in dem Betriebsgrundstück nicht hätten besteuert werden müssen, helfe in diesem Zusammenhang nicht weiter. Anknüpfungspunkt für die steuerrechtliche Beurteilung sei der tatsächlich verwirklichte und nicht ein hypothetischer Sachverhalt (vgl. BFH-Urteil vom 24.01.2018, I R 48/15).
Umfang des rückwirkenden Teilwertansatzes
Allerdings habe das FG zu Unrecht einen rückwirkenden Teilwertansatz in voller Höhe bejaht. Verringere sich bei einer mehrstöckigen Personengesellschaft der mittelbare Anteil einer an der formgewechselten Oberpersonengesellschaft als Mitunternehmerin beteiligten Kapitalgesellschaft an dem nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG übertragenen Wirtschaftsgut bis zum Formwechsel (Sperrfristverstoß), bestimme sich der Umfang des rückwirkenden Teilwertansatzes nach § 6 Abs. 5 S. 6 EStG nach den vermögensmäßigen Beteiligungsverhältnissen im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG.
Zwar regele § 6 Abs. 5 S. 6 EStG nicht ausdrücklich, ob bei einem Formwechsel innerhalb der Sperrfrist zur Bestimmung des Umfangs des Teilwertansatzes die Beteiligungsverhältnisse am übertragenen Wirtschaftsgut im Zeitpunkt des Formwechsels (Sperrfristverstoßes) oder diejenigen im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG maßgeblich sind. Nach Auffassung des BFH sei gemäß dem Zweck der Regelung des § 6 Abs. 5 S. 6 EStG, nämlich die im Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG vorhandenen stillen Reserven zu besteuern, die in den körperschaftsteuerrechtlichen Bereich wechseln, auf den Zeitpunkt der Übertragung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG abzustellen.
Zurückverweisung an das FG
Für den BFH ist nicht abschließend nachprüfbar, ob die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG vorgelegen haben. Unter anderem sei unklar, ob die T KG im Streitjahr überhaupt das wirtschaftliche Eigentum an dem Betriebsgrundstück auf die E KG übertragen habe.
§ 6 Abs. 5 S. 6 EStG, § 6 Abs. 5 S. 3 EStG
Streitjahr 2010
Praxishinweis:
Die Entscheidung bestätigt erneut den für die Praxis wichtigen Hinweis, dass jegliche Umstrukturierungen in einer Unternehmensgruppe innerhalb einer noch geltenden Sperrfrist äußerst sorgfältig zu prüfen sind. Darüber hinaus sollte die Zielstruktur möglichst frühzeitig festgelegt werden. Denn - wie im Urteilsfall - kann auch insbesondere die Reihenfolge der einzelnen Schritte für die steuerlichen Konsequenzen entscheidend sein. Wäre im Streitfall die formwechselnde Umwandlung der T KG in eine Kapitalgesellschaft als erster Schritt und die Übertragung des Betriebsgrundstücks nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG durch die T GmbH auf die EKG als zweiter Schritt erfolgt, hätten die stillen Reserven in dem Betriebsgrundstück nicht besteuert werden müssen.
FG Niedersachsen, Gerichtsbescheid vom 26.10.2018, 3 K 173/16, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 15.07.2021, IV R 36/18
BMF, Schreiben vom 08.12.2011, BStBl. I 2011, S. 1279
BFH, Urteil vom 24.01.2018, I R 48/15, BStBl. II 2019, S. 45, siehe Deloitte Tax News
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