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29.06.2022
Unternehmensteuer

BFH: Steuerliche Behandlung umwandlungsbedingter Mehrabführungen

Geht das Vermögen einer anderen Gesellschaft durch Umwandlung auf eine Organgesellschaft über und setzt die übernehmende Organgesellschaft das auf sie übergehende Vermögen in der Steuerbilanz mit den Buchwerten, handelsrechtlich jedoch mit den Verkehrswerten an, stellt die sich daraus ergebende Mehrabführung eine sog. organschaftliche Mehrabführung dar. In solchen Fällen liegt keine sog. vororganschaftliche Mehrabführung vor, da das Tatbestandsmerkmal "vororganschaftlich" in § 14 Abs. 3 S. 1 KStG nur in zeitlicher, nicht auch in sachlicher Hinsicht zu verstehen ist. Außerorganschaftlich verursachte Mehrabführungen in organschaftlicher Zeit sind daher – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung im sog. Umwandlungssteuererlass – nicht erfasst. 

Sachverhalt

Die börsennotierte Societas Europaea (SE) mit Sitz im Inland hält sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH 1. Zwischen der SE als herrschender Gesellschaft und der GmbH 1 wurde mit Wirkung zum Wirtschaftsjahr 2007 ein Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Die GmbH 1 war ihrerseits alleinige Gesellschafterin der GmbH 2 und einer AG.

In 2008 wurden die GmbH 2 und die AG auf die GmbH 1 verschmolzen. Sowohl die GmbH 2 als auch die AG beantragten, die bei der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert anzusetzen.

Die GmbH 1 als übernehmende Körperschaft aktivierte die von der GmbH 2 und der AG auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter in ihrer Handelsbilanz zum 31.12.2008 jedoch unter Aufdeckung der stillen Reserven. Die sich aus der Differenz zwischen dem handelsbilanziellen und dem steuerbilanziellen Ansatz ergebende Mehrabführung behandelte die SE als organschaftlich i.S. von § 14 Abs. 4 KStG und bildete in ihrer Steuerbilanz einen besonderen passiven Ausgleichsposten in gleicher Höhe (§ 14 Abs. 4 S. 1 KStG a.F.). Bei der GmbH 1 wurde das Einlagekonto entsprechend gemindert.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei den durch die Verschmelzungen der GmbH 2 und der AG auf die GmbH 1 und die damit verbundene Aufdeckung der stillen Reserven in der Handelsbilanz entstandenen Mehrabführungen nach Rz. Org. 33 des Umwandlungssteuererlasses vom 11.11.2011 um außer- bzw. vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen handele, die als Gewinnausschüttungen an den Organträger zu behandeln seien. Die Bildung des besonderen passiven Ausgleichspostens wurde dementsprechend wieder rückgängig gemacht. Der dagegen erhobenen Klage gab das FG Rheinland-Pfalz statt.

Entscheidung

Wie schon das FG kommt auch der BFH zu dem Schluss, dass keine Gewinnausschüttungen wegen vororganschaftlicher Mehrabführungen i.S. des § 14 Abs. 3 S. 1 KStG anzusetzen waren.

Gesetzliche Regelung

Nach § 14 Abs. 3 S. 1 KStG gelten Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben (sog. vororganschaftliche Mehrabführungen), als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger und unterliegen somit der Dividendenbesteuerung. Für Mehrabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben (sog. organschaftliche Mehrabführungen), ist in der Steuerbilanz des Organträgers hingegen lediglich ein besonderer passiver Ausgleichsposten zu bilden (§ 14 Abs. 4 S. 1 KStG a.F.).

Vororganschaftliche Mehrabführung

Soweit das Finanzamt unter Hinweis auf Rz. Org.33 des Umwandlungssteuererlasses meint, das in § 14 Abs. 3 S. 1 KStG enthaltene Tatbestandsmerkmal "vororganschaftlich" sei nicht nur in zeitlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht zu verstehen und erfasse auch eine sog. außerorganschaftliche Verursachung, so dass auch solche Mehrabführungen erfasst würden, die sich daraus ergäben, dass das Vermögen einer anderen Gesellschaft durch Umwandlung oder Einbringung auf eine Organgesellschaft übergehe und die übernehmende Organgesellschaft das auf sie übergehende Vermögen in der Steuerbilanz mit den Buchwerten, handelsrechtlich jedoch mit den Verkehrswerten ansetze, folgt der BFH dem nicht.

Eine vororganschaftliche Mehrabführung i.S. von § 14 Abs. 3 S. 1 KStG liegt nach dem BFH vor, wenn die Mehrabführung "ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit" hat. Der Gesetzeswortlaut lasse eine Auslegung, wonach „vororganschaftlich verursacht“ im Sinne von „außerhalb des konkreten Organschaftsverhältnisses verursacht“ auszulegen sei, nicht zu.

Zeitpunkt der Ursache der Mehrabführung

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Ursache der Mehrabführung sei dabei auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das Ereignis eintritt, auf dem der Unterschied zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und der Vermögensmehrung in der Steuerbilanz beruht. Der entsprechende die Differenz zwischen handelsbilanziellem Jahresüberschuss und Steuerbilanzgewinn auslösende Geschäftsvorfall, müsse demnach erstmalig in einer Handels- bzw. Steuerbilanz vor Wirksamwerden des Ergebnisabführungsvertrags zu bilanzieren gewesen sein.

Keine Regelungslücke

Schließlich sieht der BFH auch keine Regelungslücke, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu schließen wäre. § 14 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 KStG differenzieren Mehrabführungen allein danach, ob sie "in vororganschaftlicher Zeit" oder "in organschaftlicher Zeit" verursacht sind. Nach dieser Systematik wird ausnahmslos jede Mehrabführung von einer der beiden Bestimmungen erfasst und ist eine eigene Kategorie von "außerorganschaftlich" verursachten Mehrabführungen weder im Gesetz angelegt noch erforderlich.

Ergebnis im Streitfall

Die Verschmelzungen und die Ausübung des Bewertungswahlrechts sind im Streitjahr 2008 erfolgt; das Organschaftsverhältnis zwischen der GmbH 1 und der SE besteht hingegen bereits seit dem Wirtschaftsjahr 2007, so dass eine in zeitlicher Hinsicht vororganschaftlich verursachte Mehrabführung nicht vorliegen kann.

Betroffene Normen

§ 14 Abs. 3 S. 1 KStG, § 14 Abs. 4 S. 1 KStG a.F.

Streitjahr 2008

Anmerkungen

Hinweis auf neue Rechtslage

Das hier besprochene Urteil hat auch Bedeutung für die aktuelle Rechtslage, da § 14 Abs. 3 KStG in seinem Wortlaut unverändert gegenüber der Rechtssituation von 2008 ist. Damit behält auch die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "vororganschaftlich" durch den BFH weiterhin Gültigkeit.

Lediglich in § 14 Abs. 4 KStG wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) vom 25.06.2021 (siehe Deloitte Tax-News) ein Wechsel der bisherigen Behandlung von organschaftlichen Minder- und Mehrabführungen vollzogen und die Bildung steuerlicher Ausgleichsposten durch die Einlagelösung ersetzt (siehe dazu BMF-Entwurf zur Einlagelösung bei Organschaft nach § 14 Abs. 4 KStG im in den Deloitte Tax-News).

Vorinstanz

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.2019, 1 K 1418/18, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 21.02.2022, I R 51/19, BStBl II 2023, S. 725

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 11.11.2011, Umwandlungssteuererlass 2011, BStBl. I 2011, S. 1314

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