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15.02.2013
Unternehmensteuer

BFH: Übertragung einer § 6b EStG-Rücklage in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen

Das Bilanzierungswahlrecht für die Bildung und Auflösung einer § 6b-Rücklage ist immer durch entsprechenden Bilanzansatz im veräußernden Betrieb auszuüben, auch wenn die Rücklage auf Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen übertragen werden soll. Wird die im veräußernden Betrieb gebildete Rücklage zulässigerweise fortgeführt und nicht auf Reinvestitionsgüter im anderen Betrieb des Steuerpflichtigen übertragen, kann eine spätere Ausübung dieses Bilanzierungswahlrechts durch eine nach § 4 Abs. 2 S. 2 EStG geänderte Bilanz mangels vorhergehender Bilanzberichtigung i.S.v. Satz 1 nicht erfolgen. Denn die erstmalige Wahlrechtsausübung verstößt nicht gegen die GoB.

Sachverhalt

Der Kläger ist Gesellschafter eines landwirtschaftlichen Betriebs (Westbetrieb) in der Rechtsform einer GbR, im Rahmen dessen er in den Wirtschaftsjahren 1993/1994 und 1994/1995 Grundstücke veräußerte. Die daraus entstandenen Veräußerungsgewinne hatte er in seiner Sonderbilanz des Westbetriebs einer gewinnmindernden Rücklage gem. § 6b EStG zugeführt.

Daneben bewirtschaftete der Kläger einen weiteren landwirtschaftlichen Betrieb (Ostbetrieb), für den er in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 bis 1997/1998 verschiedene landwirtschaftliche Grundstücke erworben hatte. Die Anschaffungskosten wurden in tatsächlich entstandener Höhe ausgewiesen. Eine Übertragung von Rücklagen nach § 6b EStG war nicht geltend gemacht worden. In den Bilanzen ab dem 30.06.1996 erklärte der Kläger die Übertragung von Rücklagen, die durch die Landverkäufe im Westbetrieb entstanden waren. In den bestandskräftig gewordenen Feststellungsbescheiden für den Ostbetrieb blieb dies unbeanstandet.

In der bereits zuvor beim Finanzamt eingereichten Sonderbilanz des Westbetriebs zum 30.06.1996 und 30.06.1997 wurden die Rücklagen allerdings unverändert ausgewiesen. Erst in der Sonderbilanz zum 30.06.1998 wurde die Rücklage teilweise gewinnneutral aufgelöst mit der Begründung, dass sie auf die Anschaffungskosten der für den Ostbetrieb in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 und 1995/1996 erworbenen Grundstücke übertragen worden sei. Im Dezember 1999 reichte der Kläger eine berichtigte Sonderbilanz zum 30.06.1998 ein, in der die Rücklage gewinnneutral aufgelöst wurde.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Westbetriebs vertrag der Betriebsprüfer die Auffassung, dass die Rücklagen nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter übertragen worden seien und löste die gebildeten Rücklagen zum 30.06.1998 und zum 30.06.1999 jeweils mit entsprechenden Gewinnzuschlägen gem. § 6b Abs. 7 EStG auf. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Entscheidung

Die Revision wird zurückgewiesen. Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Sonderbilanz des Klägers gebildeten § 6b-Rücklagen nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter in dem Ostbetrieb übertragen worden sind und deshalb mit Ablauf der Reinvestitionsfrist in den Streitjahren gem. § 6b Abs. 3 S. 5 und Abs. 7 EStG gewinnwirksam aufzulösen waren.

Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf Anschaffungskosten von Grund und Boden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr entstanden sind, übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können sodann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6b EStG begünstigter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage aufzulösen.

§ 6b EStG räumt dem Steuerpflichtigen insoweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Übertragung stiller Reserven ein: Er ist während des Laufs der Reinvestitionsfrist befugt, die Rücklage ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen oder auf ein anderes Reinvestitionsgut ganz oder teilweise zu übertragen (BFH-Urteil vom 17.09.1987 und vom 22.06.2010). Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG wird dieses Wahlrecht durch entsprechenden Ansatz oder die Auflösung einer Rücklage in der Steuerbilanz oder bei Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen in der jeweiligen Sonderbilanz des veräußernden Betriebs ausgeübt (BFH-Urteile vom 21.01.1992 und vom 07.03.1996). Denn in diesem Betrieb ist der Veräußerungsgewinn angefallen, der durch die Bildung der Rücklage neutralisiert werden soll. In der Bilanz der „reinvestierenden“ Gesellschaft wirkt sich die Übertragung der Rücklage immer erst in Form der Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aus.

Eine (gewinnneutrale) Übertragung der Rücklage auf die Anschaffungskosten der Grundstücke, die der Kläger in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 bis 1996/1997 für den Ostbetrieb angeschafft hat, ist nicht zulässig. Nach § 6b Abs. 3 S. 2 EStG kann eine Rücklagenübertragung nur im Wirtschaftsjahr der Anschaffung des Reinvestitionsguts vorgenommen werden. Da der Kläger das Übertragungswahlrecht aber erstmalig in seiner Sonderbilanz zum 30.06.1998 ausgeübt hat, kann keine Übertragung der Rücklagen erfolgen. Eine Nachholung auf bereits in früheren Wirtschaftsjahren angeschaffte Reinvestitionsgüter scheidet aus.

Die Rücklagenübertragung auf Anschaffungskosten der Grundstücke und Gebäude, die vom Kläger in dem Wirtschaftsjahr 1997/1998 für den Ostbetrieb angeschafft worden sind, scheitert an den Voraussetzungen einer Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 S. 2 EStG. Der Kläger hat sein Bilanzierungswahlrecht in der Sonderbilanz zum 30.06.1998 zunächst dahin ausgeübt, dass er die Rücklage fortführen möchte. Die nunmehr andere Ausübung dieses Bilanzierungswahlrechts in der im Dezember 1999 eingereichten geänderten Sonderbilanz des Westbetriebs stellt eine nach § 4 Abs. 2 S. 2 EStG nicht mehr zulässige Bilanzänderung dar. Seit dem Tag der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 ist nach § 4 Abs. 2 S. 2 EStG eine Änderung der Bilanz (nur) zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht. Eine Bilanzberichtigung der erstmalig zum 30.06.1998 eingereichten Sonderbilanz scheidet insofern aus, als die Reinvestitionsfrist noch nicht abgelaufen war und die Bilanz damit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des EStG entspricht. Die Bilanz ist mithin nicht fehlerhaft i.S.d. § 4 Abs. 2 S. 1 EStG, so dass eine Änderung nicht zulässig war.

Konnten die in der Sonderbilanz gebildeten Rücklagen daher nicht auf die Anschaffungskosten der für den Ostbetrieb angeschafften Wirtschaftsgüter übertragen werden, waren sie mit Ablauf der Reinvestitionsfrist gewinnerhöhend gem. § 6b Abs. 3 S. 5 EStG unter Berücksichtigung eines Gewinnzuschlags gem. § 6b Abs. 7 EStG aufzulösen.

Betroffene Norm
§ 4 Abs. 2 S. 1 EStG, § 6b Abs. 1 u. Abs. 3, § 13 EStG
Streitjahre 1997 – 1999

Vorinstanz  
Finanzgericht Köln, Urteil vom 04.11.2008, 9 K 2227/04, EFG 2010, S. 472

Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.12.2012, IV R 41/09

Weitere Fundstellen  
BFH, Urteil vom 22.06.2010, I R 77/09, nicht amtlich veröffentlicht
BFH, Beschluss vom 25.01.2006, IV R 14/04, BStBl II 2006, S. 418
BFH, Urteil vom 18.08.2005, IV R 37/04, BStBl II 2006, S. 165
BFH, Urteil vom 07.03.1996, IV R 34/95, BStBl II 1996, S. 568
BFH, Urteil vom 17.09.1987, IV R 8/86, BStBl II 1988, S. 55

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