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29.09.2017
Unternehmensteuer

BFH: Unterbrochene Organschaft

Die für die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft notwendige Voraussetzung, dass der Gewinnabführungsvertrag im Rahmen der Mindestvertragslaufzeit während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird, erfordert nicht, dass stets alle Tatbestandsmerkmale der steuerrechtlichen Anerkennung erfüllt sein müssen. Eine Unterbrechung der Organschaft mangels finanzieller Eingliederung vor dem Ablauf der Mindestlaufzeit – bei gleichzeitig durchgehender Ergebnisübernahme – führt nicht dazu, dass die Organschaft insgesamt (rückwirkend und zukünftig) zu versagen ist (wohl entgegen Finanzverwaltung). Die Organschaft ist vielmehr für die Jahre anzuerkennen, in denen alle Voraussetzungen vorliegen.

Sachverhalt

Die Gesellschafter (ED AG und SW AG) der Klägerin (AG) errichteten in 2000 die GbRalt als sog. Willensbildungsgesellschaft, um eine sog. Mehrmütterorganschaft mit der AG als Organgesellschaft zu bilden. Der Ergebnisabführungsvertrag (vom 02.11.2000) sah eine Laufzeit "auf unbestimmte Zeit" vor; er konnte zum Ablauf des 31.12.2006 gekündigt werden.

Nach Anerkennung der Organschaft in den VZ 2001 und 2002 durch das Finanzamt, war die GbRalt in 2003 aufgrund einer Gesetzesänderung (Aufhebung des § 14 Abs. 2 KStG 2002) nicht mehr als Organträgerin anzusehen. Gleichwohl ließen die Vertragsparteien den Vertrag bis zum 31.12.2005 unverändert fortbestehen und führten ihn auch durch.

Rückwirkend zum 01.01.2005 übertrug die SW AG ihren Anteil an der GbRalt der ED AG. Der Ergebnisabführungsvertrag ging mit Wirkung vom 01.01.2005 auf die ED AG über. In ihrer Körperschaftsteuererklärung 2005 ging die AG von einer Organschaft zwischen ihr und der ED AG aus. Dem stimmte das FG entgegen der Auffassung des Finanzamtes zu.

Entscheidung

Das FG habe die Voraussetzungen für die steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft im Streitjahr zutreffend als erfüllt angesehen.

Neben der finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft erfordert eine körperschaftsteuerliche Organschaft, dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Mit der fünfjährigen Mindestdauer werde das Ziel, Manipulationen zu verhindern, verfolgt (BFH-Urteile vom 13.11.2013 und vom 12.01.2011).

Die Gesetzesänderung (Abschaffung des § 14 Abs. 2 KStG 2002) sowie das Ausscheiden der SW AG als vorletzter Gesellschafterin der GbRalt und Übergang des Gesellschaftsvermögens auf die ED AG berühre die zivilrechtliche Wirksamkeit des Ergebnisabführungsvertrags nicht. Einen eigenständigen steuerrechtlichen Maßstab zur Wirksamkeit eines Ergebnisabführungsvertrags gebe es nicht. Vielmehr sei die ED AG als Rechtsnachfolgerin der bis zu diesem Zeitpunkt zivilrechtlich fortbestehenden GbRalt in den Vertrag eingetreten.

Das Vorliegen einer steuerlichen Organschaft sei im Streitjahr auch nicht deshalb zu verneinen, weil in den beiden Vorjahren mit Blick auf die (alte) Organträgerin die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft gemäß § 14 Abs. 1 KStG nicht erfüllt waren ("unterbrochene Organschaft"). Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass stets alle Tatbestandsmerkmale der steuerrechtlichen Anerkennung erfüllt sein müssen, um dem Erfordernis zu genügen, dass der Gewinnabführungsvertrag im Rahmen der Mindestvertragslaufzeit "während seiner gesamten Geltungsdauer" durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Das gesetzliche Erfordernis der Vertragsdurchführung (§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG) beziehe sich auf die zivilrechtlichen Vertragspflichten, nicht allgemein auf die steuerrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 KStG.

Im Streitfall war der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen worden und erlaubte erstmals eine Kündigung nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Wirksamwerden. Aufgrund der Ergebnisübernahme in den Jahren 2001 bis 2005 wurde der Vertrag auch unstreitig "tatsächlich durchgeführt". Die Nichtanerkennung der Organschaft in den Jahren 2003 und 2004 wegen fehlender finanzieller Eingliederung sei für die Möglichkeit der steuerrechtlichen Anerkennung im Streitjahr 2005 unbeachtlich.

Schließlich verdeutliche die in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG getroffene und ausdrücklich zeitpunktbezogene Regelung, nach der die finanzielle Eingliederung vom Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft an gegeben sein muss, dass § 14 KStG nicht von einem allgemeinen Grundsatz vertragslaufzeitbezogener Erfordernisse getragen wird (so bereits BFH-Urteil vom 24.07.2013).

Betroffene Normen

§ 14 Abs. 1 KStG, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG

Anmerkung

Die Frage, ob eine "Unterbrechung der Organschaft" vor dem Ablauf der Mindestlaufzeit des Vertrags dazu führt, dass die Organschaft insgesamt (rückwirkend und zukünftig) zu versagen ist, war bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Dies wird in der Literatur teilweise und wohl auch von der Finanzverwaltung (evtl. R 14.5 Abs. 2 S. 2 KStR) bejaht. Nach anderer Auffassung, der sich nun auch der BFH anschließt, ist die Organschaft für die Jahre anzuerkennen, in denen alle Voraussetzungen vorliegen, so dass eine "Unterbrechung" nicht schadet. Es bleibt nun abzuwarten, ob die Finanzverwaltung das Urteil des BFH anwenden wird.

Vorinstanz

Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 16.06.2015, 1 K 1109/13, EFG 2016, S. 396

Fundstelle

BFH, Urteil vom 10.05.2017, I R 51/15, BStBl II 2018 Seite 30

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 13.11.2013, I R 45/12, BStBl II 2014, S. 486, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 12.01.2011, I R 3/10, BStBl II 2011, S. 727, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 24.07.2013, I R 40/12, BStBl II 2014, S. 272, siehe Deloitte Tax-News

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