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25.01.2013
Unternehmensteuer

BFH: Vermögensanlage in gebrauchte Lebensversicherungen ist kein Gewerbetrieb

Der Erwerb von gebrauchten Lebensversicherungen durch eine Anlagegesellschaft mit dem Ziel, Versicherungssummen bei Fälligkeit einzuziehen, ist kein Gewerbebetrieb. Eine gewerbliche Tätigkeit des Erwerbers kommt nur dann in Betracht, wenn sich dieser wie ein Händler oder Dienstleister verhält. Weder das Anlagevolumen noch der Umfang der getätigten Rechtsgeschäfte ist ausreichendes Indiz für die Qualifikation der Tätigkeit als Gewerbebetrieb.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine deutsche Personengesellschaft. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, das Halten, die Verwaltung und die Verwertung von Lebensversicherungspolicen. Die Klägerin erwarb auf Vermittlung einer US-amerikanischen Gesellschaft sog. „gebrauchte“ Lebensversicherungen auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt, auf dem Versicherungsnehmer ihre Lebensversicherungen, die sie weder fortführen noch kündigen wollen, zum Kauf anbieten. Die Klägerin leistete für die Restvertragslaufzeit die Versicherungsprämien und zog bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssummen ein. Ein Weiterverkauf der aus Eigenmitteln erworbenen Versicherungsverträge erfolgte nicht. Aus den vereinnahmten Versicherungssummen war der Erwerb weiterer Lebensversicherungen nicht vorgesehen. Streitig ist, ob die Tätigkeit dieser Anlagegesellschaft gewerblich ist und die Einkünfte damit der Gewerbesteuer unterliegen.

Entscheidung

Das FG hat zu Recht entgegen der Auffassung des Finanzamts die Einkünfte der Anlagegesellschaft nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert. Die Klägerin unterliegt demnach auch nicht der Gewerbesteuer.

Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 15 Abs. 2 S. 1 EStG). Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. BFH, Beschluss vom 25.06.1984 und Urteil vom 31.05.2007).

Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. BFH, Beschluss vom 10.01.2001, m.w.N.). Das "Bild des Handels" ist durch die Ausnutzung substantieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten gekennzeichnet. Es unterscheidet sich von der "Vermögensumschichtung im Rahmen privater Vermögensverwaltung" durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten. Das "Bild des gewerblichen Dienstleisters" ist durch ein Tätigwerden für Andere, vor allem ein Tätigwerden für fremde Rechnung geprägt.

Nach den vorgenannten Maßstäben gehen der Erwerb und das Halten "gebrauchter" Lebensversicherungen sowie der Einzug der Versicherungssumme im Regelfall nicht über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinaus, wenn diese Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei Erwerb und Veräußerung beweglicher Sachen im Rahmen der Vermietung einzelner beweglicher Gegenstände. Zwischen Erwerb und Verwertung einer "gebrauchten" Lebensversicherung ist die Tätigkeit des Erwerbers regelmäßig in gleicher Weise auf Fruchtziehung ausgelegt wie die des ursprünglichen Versicherungsnehmers. Eine gewerbliche Tätigkeit des Erwerbers kommt daher auch hier nur in Betracht, wenn sich dieser "wie ein Händler" oder "Dienstleister" verhält. Auch hier ist das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend.

Handelbare Lebensversicherungen können zwar grundsätzlich Gegenstand händlertypischen Umschlags sein. Ein händlertypischer marktmäßiger Umschlag der im Streitfall erworbenen Lebensversicherungen findet jedoch – zumindest planmäßig – nicht statt. Denn die Klägerin erwirbt die ("gebrauchten") Versicherungsansprüche, um diese im Zeitpunkt des Versicherungsfalls einzuziehen. Dies entspricht nicht dem Bild des "Handels", weil es im Streitfall bereits an einer für den Handel typischen "Veräußerung" der erworbenen Ware fehlt. Der Tätigkeit der Klägerin liegt auch keine gewerbliche Dienstleistung zu Grunde. Für eine Dienstleistungstätigkeit fehlt es bereits an einem Tätigwerden für Andere, denn hierzu zählen nicht die an der Klägerin beteiligten Kommanditisten bzw. Treuhandkommanditisten.

Bei der gebotenen wirtschaftsgutspezifischen Betrachtung entspricht die Tätigkeit der Klägerin nicht dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Auch der Vergleich mit dem Berufsbild eines Factors führt im Streitfall nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin.

Das im Streitfall entwickelte Anlagevolumen (Fondskapital) ist kein ausschlaggebendes Indiz für eine gewerbliche Betätigung der Klägerin. Der Einsatz umfangreicher finanzieller Mittel kommt bei Kapitalanlagen sowohl in der betrieblichen als auch in der privaten Sphäre vor. Ohne Bedeutung für den Streitfall ist auch der Umfang der von der Klägerin getätigten Rechtsgeschäfte (BFH, Urteil vom 30.07.2003). Dem Umstand, dass die Klägerin eine Settlement-Gesellschaft eingeschaltet hat, ist ebenfalls keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Denn allein die Nutzung fremder (Markt-)Kenntnisse, Erfahrungen und Expertise sowie die Inanspruchnahme fremder Dienste begründen noch kein hinreichendes Indiz für einen Gewerbebetrieb (vgl. BFH, Beschluss vom 10.04.2006). Dies gilt gleichermaßen für die erforderliche Marktbeobachtung und die Übernahme eines „unternehmerischen Risikos“.

Betroffene Norm
§ 15 Abs. 2 EStG
Streitjahr 2004

Vorinstanz
Finanzgericht München, Urteil vom 29.06.2010, 1 K 2663/07, EFG 2010, S. 1883

Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.10.2012, IV R 32/10

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 31.05.2007, IV R 17/05, BStBl II 2007, S. 768
BFH, Beschluss vom 10.04.2006, X B 209/05, BFH/NV 2006, S. 1461
BFH, Urteil vom 30.07.2003, X R 7/99, BStBl II 2004, S. 408
BFH, Beschluss vom 10.01.2001, GrS 1/98, BStBl II 2002, S. 291
BFH, Beschluss vom 25.06.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, S. 75

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