Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen im Sinne von § 14 Abs. 3 S. 1 KStG sind als rein rechnerische Differenzbeträge zu verstehen. Der BFH bestätigt seine Rechtsprechung, wonach eine solche Mehrabführung der Höhe nach nicht auf den Betrag des handelsbilanziellen Jahresüberschusses begrenzt ist, den die Organgesellschaft (tatsächlich) an den Organträger abgeführt hat. Sie kann auch nicht durch Saldierung mit weiteren vororganschaftlichen und/oder organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen dem Betrag nach begrenzt werden (sogenannte geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise).
Zudem hält der BFH – trotz erheblicher Kritik in der Literatur – nach nochmaliger Überprüfung an seiner Auffassung fest, dass dem Begriff der Mehrabführung nicht das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal eines tatsächlichen Vermögensübergangs zu entnehmen ist.
Strittig war, ob für sogenannte vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen, die nach § 14 Abs. 3 KStG als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger gelten, die Ausschüttungsbelastung (nach § 38 Abs. 2 KStG) herzustellen ist.
Eine GmbH hatte mit der an ihr zu 94,9 % beteiligten T-GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen (mit Wirkung ab dem 01.01.2002). Die GmbH hatte in ihrer steuerlichen Anfangsbilanz (zum 01.01.1991) abweichend von der Handelsbilanz ihre Wohnungsbestände auf die höheren Teilwerte aufgestockt (gemäß § 13 Abs. 2 und 3 KStG wg. Wegfall der persönlichen Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen). Aus den Ansatzdifferenzen ergaben sich höhere Abschreibungen in der Steuerbilanz als in der Handelsbilanz. Im Weiteren ergaben sich aufgrund der höheren Restbuchwerte in der Steuerbilanz zudem geringere Erträge aus dem Verkauf einzelner Grundstücke. Insgesamt überstiegen damit die handelsbilanziellen Ergebnisse der Streitjahre 2004 bis 2006 die steuerbilanziellen Ergebnisse.
Außerdem hatte die GmbH Beträge aus dem Jahresergebnis in eine Gewinnrücklage eingestellt, was zu einer steuerrechtlichen Minderabführung, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit hatte, führte.
Das Finanzamt behandelte die Summe der Mehrabschreibungen und der Mindererlöse ("Mehrabführungen") als Gewinnausschüttungen im Sinne des § 14 Abs. 3 KStG und stellte dementsprechend bei der GmbH die körperschaftsteuerliche Ausschüttungsbelastung gemäß § 38 KStG her. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab.
Auch der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass die steuerlichen Mehrabschreibungen aufgrund des höheren steuerlichen Wertansatzes der Wohngebäude der GmbH sowie die damit verbundenen geringeren Erträge aus dem Verkauf einzelner Grundstücke zu vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen im Sinne des § 14 Abs. 3 S. 1 KStG geführt haben, für die als Leistung im Sinne des § 38 Abs. 1 S. 3 KStG gemäß § 38 Abs. 2 KStG eine entsprechende Körperschaftsteuererhöhung festzusetzen ist.
§ 14 Abs. 3 S. 1 KStG 2002 ist in der Konstellation des Streitfalls nicht verfassungswidrig und unterliegt deshalb nicht der Nichtigerklärung durch das BVerfG.
Gesetzliche Grundlage
Gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KStG gelten Mehrabführungen, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit haben, als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger. § 14 Abs. 3 S. 3 KStG bestimmt, dass sie in dem Zeitpunkt als erfolgt gelten, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet. Ein Teilwertansatz nach § 13 Abs. 3 S. 1 KStG ist dabei nach § 14 Abs. 3 S. 4 KStG der vororganschaftlichen Zeit zuzurechnen.
Mehrabschreibungen führen zu vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen
Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das FG nach Ansicht des BFH zutreffend davon ausgegangen, dass die steuerlichen Mehrabschreibungen aufgrund des höheren steuerlichen Wertansatzes der Wohngebäude der GmbH sowie die damit verbundenen geringeren Erträge aus dem Verkauf einzelner Grundstücke zu vororganschaftlich verursachten Mehrabführungen im Sinne des § 14 Abs. 3 S. 1 KStG geführt haben.
Der Begriff der Mehrabführung im Sinne des § 14 Abs. 3 S. 1 KStG sei als rein rechnerische Differenz zwischen dem handelsbilanziellen Jahresüberschuss und dem Steuerbilanzgewinn zu verstehen (BFH-Beschlüsse vom 06.06.2013, I R 38/11 und vom 27.11.2013, I R 36/13).
Tatsächlicher Vermögensübergang ist nicht erforderlich
Dem Begriff der Mehrabführung sei zudem nicht das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal eines tatsächlichen Vermögensübergangs zu entnehmen (BFH-Beschlüsse vom 06.06.2013, I R 38/11 und vom 27.11.2013, I R 36/13). Auch unter Berücksichtigung der in der Literatur an diesen Beschlüssen geäußerten Kritik hält der BFH an dieser Auslegung des § 14 Abs. 3 S. 1 KStG nach nochmaliger Überprüfung fest.
Mehrabführung ist nicht auf handelsbilanziellen Jahresüberschusses begrenzt
Hieraus ergibt sich dem BFH zufolge zum einen, dass eine Mehrabführung nicht der Höhe nach auf den Betrag des handelsbilanziellen Jahresüberschusses begrenzt sein kann, den die Organgesellschaft (tatsächlich) an den Organträger abgeführt hat (BFH-Beschluss vom 27.11.2013, I R 36/13).
Keine Saldierung von Mehrabführung und Minderabführung
Zum anderen folge daraus, dass eine tatbestandlich verwirklichte Mehrabführung nicht durch Saldierung mit weiteren vororganschaftlichen und/oder organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen dem Betrag nach begrenzt werden kann. Es sei vielmehr auf die einzelnen Geschäftsvorfälle abzustellen (sogenannte geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise, vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.2013, I R 36/13).
Ursache in vororganschaftlicher Zeit
Die Abweichungen in der Steuerbilanz gegenüber dem handelsbilanziellen Jahresüberschuss der GmbH haben ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit (vgl. BFH-Urteil vom 21.02.2022, I R 51/19, zu einem rein zeitbezogenen Verständnis des Begriffs). Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 14 Abs. 3 S. 4 KStG ist ein Teilwertansatz nach § 13 Abs. 3 S. 1 KStG der vororganschaftlichen Zeit zuzurechnen. Dieser Bilanzansatz hat die streitgegenständlichen Mehrabführungen ausgelöst, wodurch diese wiederum, wie von § 14 Abs. 3 S. 1 KStG gefordert, vororganschaftlich "verursacht" sind.
Vororganschaftliche Mehrabführungen gelten als Gewinnausschüttungen
Die vororganschaftlichen Mehrabführungen gelten gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 KStG als Gewinnausschüttungen und stellen in dieser Höhe Leistungen im Sinne des § 38 Abs. 1 S. 3 KStG mit der Folge entsprechender Körperschaftsteuererhöhungen nach § 38 Abs. 2 KStG dar. Ein tatsächlicher Vermögensabfluss sei schon nach der Wortbedeutung in § 14 Abs. 3 S. 1 KStG nicht erforderlich (s. dazu ausführlich BFH-Beschlüsse vom 06.06.2013, I R 38/11 und vom 27.11.2013, I R 36/13). Indem § 14 Abs. 3 S. 1 KStG vororganschaftliche Mehrabführungen als Gewinnausschüttungen fingiert, ordnet das Gesetz zugleich an, dass es sich hierbei auch um Leistungen im Sinne des § 38 Abs. 1 S. 3 KStG handelt. Dass es sich tatsächlich nicht um Gewinnausschüttungen handelt, führt nicht zu einer abweichenden Wertung, so der BFH.
Sachverhalt im Streitfall fällt nicht unter die (Teil-)Nichtigerklärung der Regelung des § 14 Abs. 3 S. 1 KStG durch das BVerfG
Der BFH gelangt zu dem Ergebnis, dass der streitgegenständliche Sachverhalt nicht unter die (Teil-)Nichtigerklärung der Regelung des § 14 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 34 Abs. 9 Nr. 4 KStG durch das BVerfG fällt.
Mit Beschluss vom 14.12.2022, 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14 hatte das BVerfG entschieden, dass § 34 Abs. 1 und Abs. 9 Nr. 4 KStG verfassungswidrig sind, soweit sie in bestimmten Konstellationen § 14 Abs. 3 KStG auf der Ebene der Organgesellschaft zur Anwendung bringen. Der BFH hat nun festgestellt, dass im Streitfall keine der vom BVerfG als vertrauensschutzwürdig beschriebenen Konstellationen gegeben ist.
§ 14 Abs. 3 S. 1 KStG
Streitjahre 2004 bis 2006
Finanzgericht Düsseldorf, 15.04.2013, 6 K 4270/10 K,F, EFG 2013, S. 1262 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 10.04.2024, I R 16/23 (I R 36/13)
BFH, Urteil vom 06.06.2013, I R 38/11, BStBl. II 2014, S. 398
BFH, Urteil vom 27.11.2013, I R 36/13, BStBl. II 2014, S. 651
BFH, Urteil vom 21.02.2022, I R 51/19, BStBl. II 2023, S. 725, siehe Deloitte Tax-News
BVerfG, Beschluss vom 14.12.2022, 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14
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Daniela Gemmel
Senior Manager
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