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06.02.2023
Unternehmensteuer

BFH: Wechselseitige Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen weit unter Wert

Werden Anteile an einer GmbH wechselseitig zwischen Mitgesellschafter weit unter dem tatsächlichen Wert veräußert, kann der entstehende Veräußerungsverlust i.S.d. § 17 EStG wegen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. 

Sachverhalt

A und B waren jeweils zur Hälfte an der X-GmbH beteiligt. Aufgrund der in ihren Augen negativen Branchenentwicklung veräußerten sie ihre im Privatvermögen gehaltenen Geschäftsanteile, für die sie Anschaffungskosten i.H.v. 500.000 € getragen haben, zu einem Preis von 12.500 € an den jeweils anderen Gesellschafter (Anteilsrotation). Den nach § 17 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 EStG aus der Veräußerung ihres Geschäftsanteils entstehenden Verlust, machten die Gesellschafter in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Dieser Verlust sollte es ihnen ermöglichen, entstehende Steuererstattungsansprüche sodann für die weitere Tilgung der zur Finanzierung der Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile aufgenommenen Darlehen zu verwenden.

Nach Auffassung des Finanzamts und des FG ließen die wirtschaftlichen Umstände der X-GmbH nicht den Schluss zu, dass der gezahlte Kaufpreis angemessen sei. Die Anerkennung des Veräußerungsverlustes scheitere somit wegen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S.d. § 42 AO.

Entscheidung

Der BFH kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der wechselseitige Anteilsverkauf weit unter Wert nach § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AO rechtsmissbräuchlich war, sodass der Verlust nicht geltend gemacht werden kann.

Gesetzliche Grundlage

Nach § 42 Abs. 1 S. 1 AO kann das Steuergesetz nicht durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Beim Vorliegen eines Missbrauchs i.S.d. § 42 Abs. 2 AO entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 S. 3 AO). Ein Missbrauch liegt gem. § 42 Abs. 2 S. 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nach § 42 Abs. 2 S. 2 AO nicht, wenn außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung nachgewiesen werden, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Abgrenzung zu bisheriger BFH-Rechtsprechung

Nach Auffassung des BFH liegt ein Gestaltungsmissbrauch dann vor, wenn ein Veräußerungsverlust nur dadurch entsteht, dass die Beteiligten einen unzutreffenden, die Wertverhältnisse des Kapitalgesellschaftsanteils in krasser Weise verfehlenden Kaufpreis vereinbaren. Denn in diesem Fall sei der Verlust nicht – wie im Fall des BFH-Urteils vom 07.12.2010, IX R 40/09 – durch eine den Anteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf von Anteilen weit unter Wert zustande gekommen.

Veräußerung weit unter Wert

Die X-GmbH war aus Sicht des BFH im Veräußerungszeitpunkt wirtschaftlich erfolgreich. Die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft lasse nicht den Schluss zu, dass der von den Vertragsbeteiligten vereinbarte Kaufpreis auch nur annähernd dem Wert der veräußerten Anteile entsprach. Der Verlust aus der Veräußerung war laut BFH im Veräußerungszeitpunkt somit nicht real eingetreten. Eingetreten sei nur das rechnerische Ergebnis der vertraglichen Vereinbarung eines Unter-Wert-Verkaufs, bei dem der jeweilige Kaufpreis die Wertverhältnisse der jeweiligen Anteile in krasser Weise verfehlte. Der Verlust spiegele demnach auch keine geminderte Leistungsfähigkeit der Anteilseigner wider.

Kein beachtlicher außersteuerlicher Grund

Der von den Anteilseignern durchgeführten Anteilsrotation kann laut BFH außerdem kein realer wirtschaftlicher Hintergrund beigemessen werden, da sie nur dem Zweck diente, durch Auslösen eines – mit der Vereinbarung eines gegenseitigen Verkaufs unter Wer verbundenen – Steuererstattungsanspruchs die Tilgung privater Aufwendungen zu ermöglichen. Dies sei kein gem. § 42 Abs. 2 S. 2 AO beachtlicher außersteuerlicher Grund für die gewählte Gestaltung.

Rechtsmissbräuchlichkeit eines gegenläufigen Rechtsgeschäfts ohne wirtschaftliche Veränderung

Weiter wurde die Übertragung unter Wert nach Auffassung des BFH nur deshalb vorgenommen, weil die Gesellschafter im Gegenzug hierfür (zivil-)rechtlich zwar einen "anderen", wirtschaftlich gesehen jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten haben. Ein solches gegenläufiges bzw. ringförmiges Rechtsgeschäft wird von der bisherigen BFH-Rechtsprechung (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 08.03.2017, IX R 5/16) als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn es keine verständliche wirtschaftliche Veränderung bewirkt (und auch nicht bewirken soll). Für derartige Fälle geht der BFH davon aus, dass ein steuerrechtlich dem Grunde nach erheblicher Vorgang dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn er nach dem Willen des Steuerpflichtigen durch einen gegenläufigen Rechtsakt erst geschaffen oder wieder ausgeglichen wird und damit von vornherein eine wirtschaftliche Belastung vermieden werden soll.

Betroffene Normen

§ 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EStG, § 42 AO

Streitjahr 2017

Vorinstanz

Sächsisches Finanzgericht, 06.05.2021, Az: 8 K 1102/20, EFG 2021, S. 2063

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20.09.2022, IX R 18/21, BStBl II 2023, S. 315

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 08.03.2017, IX R 5/16, BStBl II 2017, S. 930, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 07.12.2010, IX R 40/09, BStBl II 2011, S. 427, siehe Deloitte Tax-News

 

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