Hintergrund
Durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (siehe Deloitte Tax-News) wurde § 6e EStG eingeführt und die ertragsteuerliche Behandlung von sogenannten Fondsetablierungskosten geregelt. Danach gehören Aufwendungen im Zusammenhang mit der Etablierung bestimmter geschlossener Fonds während der Investitionsphase nicht zu den sofort abziehbaren Betriebsausgaben oder Werbungskosten, sondern sind als Anschaffungskosten der Investitionsobjekte aktivierungspflichtig, wenn der Initiator des Fonds ein vorformuliertes Vertragswerk vorgibt und die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten auf dieses haben.
Mit Datum vom 14.11.2024 hat das BMF nun den Entwurf eines Schreibens zur ertragsteuerlichen Behandlung von Fondsetablierungskosten veröffentlicht und an die Verbände zur Stellungnahme bis zum 12.12.2024 geschickt.
Verwaltungsschreiben
Überblick über ausgewählte wichtige Regelungen des Entwurfsschreiben:
Anwendungsbereich
- Die Regelungen des BMF-Schreibens gelten für alle geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft, bei denen es sich regelmäßig um Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 KAGB (Fonds) handelt.
- § 6e EStG ist sowohl auf Fonds, die gewerbliche Einkünfte erzielen, als auch auf vermögensverwaltende Fonds anwendbar.
- § 6e EStG ist auch auf Fonds anwendbar, deren konkrete Investitionsobjekte zum Zeitpunkt des Beitritts der Anleger noch nicht endgültig bestimmt sind (sog. (Semi) – Blind Pools).
Grundsätze
Erweiterung des Anschaffungskostenbegriffs
- § 6e Abs. 1 EStG definiert, dass Fondsetablierungskosten, die vom Anleger im Rahmen des Erwerbs eines Fondsanteils zu zahlen sind, zu den Anschaffungskosten der vom Fonds erworbenen Wirtschaftsgüter gehören und damit nicht sofort in voller Höhe als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind. Von einem Anschaffungsvorgang ist immer dann auszugehen, wenn die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentlichen Einflussnahmemöglichkeiten auf das vom Projektanbieter (Initiator des Fonds) vorformulierte Vertragswerk haben.
- § 6e Abs. 1 S. 1 EStG erweitert den Umfang der Anschaffungskosten der angeschafften Wirtschaftsgüter über § 255 Ab. 1 HGB hinaus um die Fondsetablierungskosten.
- Ob die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt werden, spielt hierbei keine Rolle (§ 6e Abs. 1 S. 2 EStG).
Vorformuliertes Vertragswerk
- Ein Vertragswerk ist vorformuliert, wenn der Projektanbieter das Vertragswerk vorgibt und der einzelne Anleger weder die Vertragsgestaltung, insbesondere in der Beitrittsphase, noch die Vertragsdurchführung wesentlich beeinflussen kann (z.B. Anlageprospekt) und nur die Möglichkeit hat, das Vertragswerk anzunehmen oder sich nicht am Projekt zu beteiligen.
Wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten
- Eine ausreichende Einflussnahme der Anleger sieht die Finanzverwaltung nur dann als gegeben an, wenn sie rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, wesentliche Teile des Konzepts zu verändern (insbesondere die Auswahl der konkreten Investitionsobjekte, deren Finanzierung und Nutzung) und deren Umsetzung tatsächlich selbst bestimmen können.
- Wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten sind nur zu bejahen, wenn die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter über die zur Anerkennung der Mitunternehmereigenschaft nach 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG geforderte Initiative hinausgehen.
- Eine Vertretung der Anleger in einem Beirat begründet nur dann eine wesentliche Einflussnahmemöglichkeit, wenn über die Einrichtung und Zusammensetzung eines Beirats allein die Gesellschafter entscheiden dürfen. Dies gilt frühestens ab einer Einzahlung von mindestens 50% des zugesagten Kapitals.
Fondsetablierungskosten (§ 6e Abs. 2 EStG)
Umfang der Fondsetablierungskosten
- Zu den Anschaffungskosten gehören (neben § 255 Abs. 1 HGB) alle auf Grund des vorformulierten Vertragswerks vom Anleger an den Projektanbieter oder Dritte zu zahlenden Aufwendungen, die auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter gerichtet sind.
- Eine Aufspaltung der Aufwendungen nach § 6e Abs. 2 EStG in sofort abziehbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten und Anschaffungskosten danach, ob sie auf die Finanzierung, die steuerliche Beratung oder die Anschaffung der Wirtschaftsgüter entfallen, kommt nicht in Betracht.
- Mithin ist ohne Bedeutung, ob diese Aufwendungen von dem Anleger unmittelbar oder dem Fonds geleistet werden und ob dafür seine Einlage oder Fremdkapital verwendet wird. Auf das Wissen des Anlegers dieser Zahlungen kommt es dabei nicht an. Unbeachtlich ist weiterhin, ob diese Aufwendungen an den Projektanbieter oder an Dritte gezahlt werden.
Beginn und Ende der Investitionsphase
- Die Investitionsphase beginnt mit den ersten Planungs- und Vorbereitungshandlungen (z.B. gesellschaftsvertragliche Fondsgründung vor Investorenbeitritt) in Hinblick auf den späteren Erwerb der jeweiligen Wirtschaftsgüter. Anlegerbezogene Zeitpunkte (z.B. Einwerbung oder Beitritt) sind für den Beginn der Investitionsphase nicht maßgeblich.
Beim Ende der Investitionsphase unterscheidet der Entwurf des BMF-Schreibens zwischen der Anschaffung nur eines Wirtschaftsgutes und der Anschaffung mehrerer Wirtschaftsgüter:
- Anschaffung nur eines Wirtschaftsgutes: Das Ende der Investitionsphase ist bei Ein-Objekt-Fonds regelmäßig durch das Erreichen der Betriebsbereitschaft des angeschafften Wirtschaftsgutes markiert.
- Anschaffung mehrerer Wirtschaftsgüter: Unabhängig von der Anzahl der erworbenen Wirtschaftsgüter gibt es stets nur eine einheitliche Investitionsphase des Fonds. Die Investitionsphase ist abgeschlossen, wenn alle laut Investitionskonzept angeschafften Wirtschaftsgüter betriebsbereit sind. Erfolgen die Investitionen mittelbar über eine Kapitalgesellschaft, ist für das Ende der Investitionsphase auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter durch die Kapitalgesellschaft abzustellen.
Aufteilung der Anschaffungskosten bei mehrjährigen Investitionsphasen und mehreren angeschafften Wirtschaftsgütern
- Werden mehrere Wirtschaftsgüter ggf. über mehrere Jahre hinweg angeschafft, sind die Anschaffungskosten der einzelnen Wirtschaftsgüter zweistufig zu ermitteln.
- Auf der ersten Stufe sind die Aufwendungen des § 6e Abs. 2 EStG, soweit sie den Wirtschaftsgütern unmittelbar einzeln zugeordnet werden können, als Anschaffungskosten der entsprechenden Wirtschaftsgüter zu erfassen.
- Auf der zweiten Stufe sind die Aufwendungen, die nicht unmittelbar einzeln einem Wirtschaftsgut zugeordnet werden können, entsprechend dem Verhältnis der auf der ersten Stufe ermittelten Anschaffungskosten der im jeweiligen Jahr angeschafften Wirtschaftsgüter zu verteilen.
- Bei der Gewinnermittlung nach den § 4 Abs. 1 S. 1 und § 5 Abs. 1 S.1 EStG können die zu aktivierenden Aufwendungen während der Investitionsphase in einem Ausgleichsposten erfasst werden. Der Ausgleichsposten ist kein abschreibbares Wirtschaftsgut.
Voraussetzungen für den Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten
- Aufwendungen, die nicht auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter gerichtet sind, insbesondere solche, die auf die Nutzung und Verwaltung der angeschafften Wirtschaftsgüter entfallen und die auch der (Einzel-)Erwerber außerhalb einer Fondsgestaltung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen könnte, sind als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar.
Vergleichbare Modelle mit nur einem Kapitalanleger und Gesamtobjekte
- Die Ausführungen dieses Schreibens sollen auch für Einzelinvestments mit nur einem Anleger und für Gesamtobjekte außerhalb einer Fondskonstruktion gelten, bei denen mit Fondsetablierungskosten vergleichbare Aufwendungen zu zahlen sind und die auf einem vorformulierten Vertragswerk beruhen.
- Bei der Errichtung, Sanierung, Modernisierung oder dem Erwerb von Gebäuden und Eigentumswohnungen gilt der Anleger auch als Erwerber (nicht Bauherr), wenn ein Höchstpreis für den Gesamtaufwand vereinbart wird, über den nach Abschluss der Bauarbeiten keine detaillierte Abrechnung gegenüber dem Anleger selbst erforderlich ist, oder wenn der Unterschiedsbetrag zum Höchstpreis als Gebühr für die Höchstpreisgarantie beansprucht wird.
Verhältnis zu § 15b EStG
- Die Verlustverrechnungsbeschränkung für Steuerstundungsmodelle des § 15b EStG ist auf den nach Maßgabe des § 6e EStG ermittelten Verlust anzuwenden.
Anwendungsregelungen
Die Grundsätze dieses Schreibens sollen in allen offenen Fällen anzuwenden sein.
Fundstelle
BMF, Entwurfsschreiben vom 14.11.2024