Aktuell:
BFH-Urteil vom 10.09.2020 (IV R 14/18):
Der BFH kommt entgegen der Auffassung des FG zu dem Schluss, dass § 6 Abs. 3 S. 1 HS. 1 EStG nicht zur Anwendung kommt, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird. Nach dem BFH liegt in solchen Fällen eine Betriebsaufgabe vor. Der BFH schließt sich somit hinsichtlich dieser Frage der Auffassung der Finanzverwaltung an (vgl. BMF-Schreiben vom 20.11.2019, Rz. 9). Zugleich präzisiert der BFH mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 02.08.2012, IV R 41/11 und vom 09.12.2014, IV R 36/13), indem er für die Frage, ob die Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 EStG zur Anwendung kommt, auf den Zeitpunkt („juristische Sekunde“) des Ausscheidens von funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen abstellt.
BFH, Urteil vom 10.09.2020 (IV R 14/18, siehe Deloitte Tax News)
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FG Düsseldorf (Vorinstanz):
Wird bei der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils taggleich eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens bei derselben Mitunternehmerschaft an Dritte veräußert, steht dies der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG nicht entgegen. Voraussetzung ist, dass es nicht zu einer Zerschlagung des Betriebs kommt.
Die Klägerin, an der C (75 %) und D (25 %) beteiligt waren, war Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit der A-GmbH. Die Anteile an der A-GmbH (wesentliche Betriebsgrundlagen der Klägerin und Sonderbetriebsvermögen) hielten C (75,2 %) und D (24,8 %). Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertrug C einen Teil ihres Geschäftsanteils an der A-GmbH (30 %) und ihren Miteigentumsanteil an dem der A-GmbH überlassenen Grundstück auf ihren Sohn F. Taggleich verkaufte C weitere Teile ihres Geschäftsanteils an D (23,2 %) und an G (22 %).
Das Finanzamt sah für die unentgeltliche Übertragung an F die Voraussetzungen der Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 S.1 EStG aufgrund der taggleichen Veräußerung der GmbH-Anteile an D und G als nicht erfüllt an.
Das Finanzamt habe zu Unrecht die Anwendung des § 6 Abs. 3 S.1 EStG auf die unentgeltliche Übertragung der GmbH-Anteile und des Miteigentumsanteils an dem Grundstück von C auf F versagt.
Vom BFH bereits entschiedene Fälle
Vorherige oder zeitgleiche Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 5 EStG
Nach früherer BFH-Rechtsprechung erforderte der Tatbestand des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG, dass das wirtschaftliche Eigentum an allen funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen dem Erwerber in einem einheitlichen Vorgang übertragen wurde und der Übergeber damit seine unternehmerische Betätigung aufgab. Bei unentgeltlichem Übergang eines gesamten Mitunternehmeranteils war deshalb auch das (funktional wesentliche) Sonderbetriebsvermögen mit zu übertragen (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.2011). Diese Rechtsprechung hat der BFH jedenfalls für die Fälle aufgegeben, in denen funktional wesentliche Betriebsgrundlagen des Sonderbetriebsvermögens vorher bzw. zeitgleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 02.08.2012).
Vorherige Entnahme oder Veräußerung
Zudem setzt nach der Rechtsprechung des BFH eine Anteilsübertragung i.S.d. § 6 Abs. 3 S. 1 EStG nur die Übertragung des gesamten Betriebsvermögens voraus, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert. Zuvor entnommene oder veräußerte Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sind dagegen nicht mehr Bestandteil des Mitunternehmeranteils (vgl. BFH-Urteil vom 02.08.2012 und BFH-Urteil vom 09.12.2014).
Spätere Übertragung in ein anderes Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 5 EStG
Schließlich entfällt die Buchwertprivilegierung der unentgeltlichen Übertragung eines Teilmitunternehmeranteils unter Zurückbehaltung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens auch nicht deshalb rückwirkend, weil ein zurückbehaltenes Wirtschaftsgut später von dem Übertragenden zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen wird (BFH-Urteil vom 12.05.2016).
Vom BFH bislang nicht entschieden
Taggleiche Veräußerung an Dritte
Die o.g. Grundsätze seien auf den Streitfall nicht direkt übertragbar. Die nicht an F übertragenen, sondern die an D und G veräußerten Anteile an der A-GmbH stellen, da es sich um Anteile im Rahmen einer Betriebsaufspaltung handelt, funktional wesentliche Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmeranteils von C dar. Diese seien anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen nicht vorab veräußert, zurückbehalten oder nach § 6 Abs. 5 EStG übertragen, sondern taggleich an Dritte veräußert worden.
Hinsichtlich einer Anwendung von § 6 Abs. 3 S. 1 EStG im Falle einer taggleichen Veräußerung oder Entnahme von wesentlichen Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen ist das Meinungsbild in der Literatur uneinheitlich. Das FG Düsseldorf kommt dabei in Übereinstimmung mit einem Großteil der Stimmen in der Literatur zu dem Schluss, dass die taggleiche Veräußerung der GmbH-Anteile für die Fortführung der Buchwerte nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG unschädlich ist (entgegen FG Niedersachsen, Urteil vom 27.11.2014, siehe unter Anmerkung).
Sinn und Zweck der nach § 6 Abs. 3 EStG möglichen Buchwertfortführung sei die Sicherstellung der Liquidität (keine Steuerbelastung) des nach einem Rechtsträgerwechsel fortgeführten Betriebs. Sie diene typischerweise der Erleichterung der Generationennachfolge. Dieser Zweck könne aber auch erreicht werden, solange die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der entsprechenden Sachgesamtheit nicht derart berührt werde, dass es wirtschaftlich zu einer Zerschlagung und damit zu einer Betriebsaufgabe komme. Denn entscheidend sei, dass der Empfänger eine funktionsfähige Einheit erhält, die es ihm ermöglicht, den Betrieb fortzuführen. Im Streitfall sei es zu einer solchen Zerschlagung nicht gekommen, da die Betriebsaufspaltung trotz der erfolgten Übertragungen weiterbestand.
Schließlich sei zu bedenken, dass wenn schon für den Fall einer unentgeltlichen – und damit ohne Aufdeckung stiller Reserven erfolgenden – Übertragung funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen nach § 6 Abs. 5 EStG eine Anwendung von § 6 Abs. 3 EStG zu bejahen sei, dies erst recht in den Fällen einer Veräußerung, in denen es tatsächlich zur Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven kommt, gelten müsse (wohl angedeutet in BFH-Urteil vom 02.08.2012).
§ 6 Abs. 3 S. 1 EStG
Streitjahr 2014
FG Niedersachsen, Urteil vom 27.11.2014, 1 K 10294/13
In seinem Urteil vom 27.11.2014 hat das FG Niedersachsen festgestellt, dass in dem Fall, dass funktional wesentliches Betriebsvermögen taggleich mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile an einen Dritten veräußert (dieser Fall lag im Streitfall allerdings nicht vor) oder übertragen oder in ein anderes Betriebsvermögen des bisherigen Mitunternehmers überführt, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG für eine Fortführung der Buchwerte grundsätzlich nicht vorliegen. Das Revisionsverfahren ist beim BFH anhängig (IV R 12/15). Die Frage der taggleichen Veräußerung ist in diesem Revisionsverfahren allerdings nicht entscheidungserheblich, da sie im Streitfall nicht gegeben war.
BFH, Urteil vom 10.09.2020 (IV R 14/18, siehe Deloitte Tax News)
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 19.04.2018, 15 K 1187/17 F, EFG 2018, S. 1092
BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 12/15, BFH/NV 2016, S. 1376, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 09.12.2014, IV R 29/14, BFH/NV 2015, S. 415, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 02.08.2012, IV R 41/11, BFH/NV 2012, S. 2053, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.09.2011, IV R 33/08, BStBl II 2012, S. 10, siehe Deloitte Tax-News
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.11.2014, 1 K 10294/13, BFH-anhängig: IV R 12/15, siehe Deloitte Tax-News
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