Mit Beschluss vom 29.08.2017 hat das FG Hamburg das Bundesverfassungsgericht zu der Frage angerufen, ob § 8c S. 2 KStG a.F. (jetzt: § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) verfassungswidrig ist. Das FG ist von der Verfassungswidrigkeit der Regelung bei Anteilsübertragungen über 50% überzeugt.
Die Klägerin ist eine GmbH. Im Streitfall wurden 80% des gezeichneten Kapitals der GmbH unmittelbar innerhalb von fünf Jahren an einen Erwerber übertragen. Die GmbH erwirtschaftete seit ihrer Gründung bis zum 31.12.2007 Verluste. Im Streitjahr 2008 erzielte die GmbH erstmals Gewinne. Die GmbH begehrte die Berücksichtigung des festgestellten Verlustvortrages. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf die schädliche Anteilsveräußerung im Sinne von § 8c S. 2 KStG ab.
Das FG ist überzeugt, dass § 8c S. 2 KStG a.F. nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Verfassungsrechtlich hinreichende sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Kapitalgesellschaften mit und ohne Anteilseignerwechsel bzw. für die Durchbrechung des Trennungsprinzips zwischen Kapitalgesellschaft und ihren Anteilseignern im Falle des § 8c KStG ergäben sich weder aus dem Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung noch aus den gesetzgeberischen Typisierungsbefugnissen.
Auch § 8c S. 2 KStG a.F. durchbreche – wie § 8c S. 1 KStG a.F. – das Trennungsprinzip, nach dem Kapitalgesellschaften nach ihrer eigenen Leistungsfähigkeit getrennt und unabhängig von ihren Anteilseignern besteuert werden. Besonders problematisch sei der Durchgriff auf die Anteilseignerebene im Falle des § 8c S. 2 KStG a.F., da es zu einem unwiderruflichen und vollständigen – nicht nur anteiligen – Untergang der Verluste der Kapitalgesellschaft komme. Diese Durchbrechung des Trennungsprinzips lasse sich auch nicht mit den Ziel, missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern, rechtfertigen.
So indiziere der Erwerb einer Beteiligung von mehr als 50 % an einer Kapitalgesellschaft alleine – ebenso wenig wie der Erwerb einer Beteiligung von mehr als 25 % (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.03.2017) – eine missbräuchliche Gestaltung. Der typische Missbrauchsfall "Mantelkauf" sei dadurch gekennzeichnet, dass eine Kapitalgesellschaft, die noch über Verlustvorträge verfügt, aber mangels Geschäftsbetriebs und nennenswerten Betriebsvermögens sonst nur einen leeren Mantel darstellt, von einem Investor mit einer neuen gewinnträchtigen Aktivität gefüllt werde, um die Verluste nutzbar zu machen. Diese Missbrauchskonstellation habe im Tatbestand des § 8c S. 1 KStG a.F. keinen Niederschlag gefunden. Weiter könne nicht typisierend angenommen werden, dass sich allein infolge des Erwerbs einer Mehrheitsbeteiligung die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft ändere. Zwar ermögliche der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung dem Anteilseigner, unmittelbar Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen, allerdings werde die Gesellschaft allein durch diese Möglichkeit der neuen Anteilseigner nicht zu einer „anderen“ Gesellschaft. In Anlehnung an den Beschluss des BVerfG vom 29.03.2017 müssten auch aus Sicht des FG weitere Voraussetzungen, die an das Substrat der Gesellschaft, wie deren Betriebsvermögen und/oder Unternehmensgegenstand anknüpfen, hinzutreten, um eine Änderung der wirtschaftlichen Identität realitätsgerecht zu erfassen.
§ 8c S. 2 KStG a.F., § 8c Abs. 1 S. 2 KStG
Streitjahr 2008
BVerfG-Beschluss vom 29.03.2017
Das BVerfG hat bereits mit Beschluss vom 29.03.2017 entschieden, dass die Regelung des § 8c S. 1 KStG a.F. bzw. § 8c Abs. 1 S. 1 KStG in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung, die bei Anteilsübertragungen von mehr als 25% und bis zu 50% zur Anwendung kommt, verfassungswidrig ist (siehe Deloitte Tax News).
FG Hamburg vom 11.04.2018: Aussetzung der Vollziehung
Aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Zweifel an der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c S. 2 KStG a.F. (jetzt § 8c Abs. 1 S. 2 KStG) gewährt das FG Hamburg nun in seinem Beschluss vom 11.04.2018, 2 V 20/18 (siehe Deloitte Tax-News) vorläufigen Rechtsschutz.
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 29.08.2017, 2 K 245/17, BVerfG-anhängig: 2 BvL 19/17
Pressemitteilung vom 30.08.2017
Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 11.04.2018, 2 V 20/18, siehe Deloitte Tax-News
BVerfG, Beschluss vom 29.03.2017, 2 BvL 6/11, siehe Deloitte Tax-News
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