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24.02.2022
Unternehmensteuer

FG Münster: Übergang des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags bei Begründung einer GmbH & atypisch Still

Der bei einer GmbH festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust geht bei Begründung einer atypisch stillen Gesellschaft (GmbH & atypisch Still) – soweit die GmbH an ihr beteiligt ist - über, wenn der Betrieb im Ganzen eingebracht wurde und die GmbH „Inhaberin des Handelsgewerbes“ bleibt.

Sachverhalt

Strittig war, ob ein bei einer Kapitalgesellschaft festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust anteilig auf eine neu begründete atypisch stille Gesellschaft (ertragsteuerliche Mitunternehmerschaft) übergeht, die aus dieser Kapitalgesellschaft und zwei atypisch stillen Gesellschaftern besteht.

Die Klägerin ist eine GmbH, an der zwei Gesellschafter beteiligt waren. Für die GmbH war auf den 31.12.2009 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust nach § 10a GewStG festgestellt worden. Zum 01.01.2010 beteiligten sich die beiden Gesellschafter jeweils als atypisch stille Gesellschafter ausnahmslos am gesamten Handelsgewerbe der GmbH. Die GmbH blieb Inhaberin des Handelsgewerbes. Auch Geschäftsführerin der GmbH & atypisch stille Gesellschaft war weiterhin die GmbH.

Den festgestellten vortragsfähigen Gewerbesteuerverlust der GmbH berücksichtigte die Klägerin in den Gewerbesteuererklärungen der Mitunternehmerschaft der Jahre 2010-2012. Das Finanzamt lehnte es ab, den Gewerbeverlust der GmbH auf die atypisch stille Gesellschaft zu übertragen. Lediglich auf Ebene der GmbH könne der Verlust vorgetragen werden.

Entscheidung

Das FG kommt entgegen der Ansicht des Finanzamtes zu dem Ergebnis, dass der für die GmbH auf den 31.12.2009 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust i.S.d. § 10a GewStG anteilig mit dem Gewerbeertrag der atypisch stillen Gesellschaft zu verrechnen sei.

Voraussetzung für die Berücksichtigung eines gewerbesteuerlichen Verlustvortrags

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH setzt die Geltendmachung eines Gewerbeverlustes sowohl die Unternehmeridentität als auch die Unternehmensidentität voraus.

(Partielle) Unternehmeridentität

Voraussetzung für einen Verlustabzug nach § 10a GewStG ist zunächst, dass der Gewerbetreibende den Verlust in eigener Person erlitten hat. Die Vorschriften des § 10a S. 8 i.V.m. 2 Abs. 5 GewStG besagen, dass, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht, der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen kann, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmens ergeben haben.

Nach Auffassung des FG stellt die streitgegenständliche Einbringung des Betriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft (bzw. atypisch stille Gesellschaft) nach § 24 Abs. 1 UmwStG allerdings (im Umfang der Beteiligung der GmbH an der atypisch stillen Gesellschaft) keinen Unternehmerwechsel in diesem Sinne dar. Dies liegt nach dem FG daran, dass Unternehmer des Betriebs einer Personengesellschaft die Mitunternehmer der Personengesellschaft sind. Da die GmbH Unternehmerin (Mitunternehmerin) des von ihr (als „Inhaberin des Handelsgewerbes“) fortgeführten Betriebs bzw. der atypischen stillen Gesellschaft geblieben ist, liege auch insoweit eine (partielle) Unternehmeridentität vor.

Unternehmensidentität

Nach der Rechtsprechung des BFH bedeutet der Begriff Unternehmensidentität, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb (hier: dem Unternehmen der Mitunternehmerschaft) identisch sein muss mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahre der Entstehung des Verlusts bestanden hat (hier: Unternehmen der GmbH) (BFH-Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13).
Nach Ansicht des FG liegt im vorliegenden Streitfall auch die erforderliche Unternehmensidentität vor. Der in den Entstehungsjahren des Verlusts ausgeübte Gewerbebetrieb (Bauunternehmen) der GmbH sei identisch mit dem Gewerbebetrieb der Mitunternehmerschaft in den Jahren, in denen der Verlust angerechnet werden soll.

Beantwortung einer vom BFH offen gelassenen Frage

Der BFH hatte in seinem Urteil vom 17.01.2019 (III R 35/17, siehe Deloitte Tax-News) die Frage offen gelassen, ob ausnahmsweise ein Verlustübergang in Betracht kommt, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen im Wege der Ausgliederung von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft übergeht und die Kapitalgesellschaft sich fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der Personengesellschaft beschränkt.

Nach dem FG ist der vorliegende Streitfall identisch mit dem Sachverhalt, dessen Beurteilung der BFH in der o.g. Entscheidung ausdrücklich offen gelassen hat. Die vom BFH offen gelassene Frage sei dahingehend zu beantworten, dass – jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation – ausnahmsweise ein Verlustübergang in Betracht kommt. Denn im Streitfall bestehe die Besonderheit, dass die Klägerin in den Streitjahren nach wie vor „Inhaberin des Handelsgewerbes“ geblieben ist. Damit ist sie auch Inhaberin des laufenden Betriebs geblieben. Für sie als „Inhaberin des Handelsgewerbes“ ist der Verlust vor und auch nach der Begründung der atypisch stillen Beteiligung festzustellen.

Anteilige Verrechnung des gewerbesteuerlichen Verlusts

Aufgrund der partiellen Unternehmeridentität ist der auf den 31.12.2009 für die GmbH festgestellte Verlust nur anteilig mit dem auf diese entfallenden Gewerbeertrag zu verrechnen und nicht mit den auf die beiden atypisch stillen Gesellschaftern entfallenden Gewerbeerträgen.

Betroffene Normen

§ 10a S. 8 GewStG

Streitjahre 2010-2015

Anmerkung

BFH-Urteil vom 17.01.2019 (III R 35/17)

Der BFH hatte mit Urteil vom 17.01.2019 (III R 35/17, siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass im Falle einer Ausgliederung eines Betriebs einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft der Gewerbeverlust der Kapitalgesellschaft nicht auf die Personengesellschaft übergeht. Im damaligen Streitfall ging allerdings nicht der Betrieb der Kapitalgesellschaft im Ganzen auf die Personengesellschaft über. Es verblieben neben dem Kommanditanteil und der Beteiligung an der Komplementär-GmbH auch die drei Beteiligungen an den Tochter-Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft.

Ausdrücklich offen gelassen hatte der BFH allerdings die Frage, ob ein Verlustübergang nicht ausnahmsweise doch in Betracht kommt, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen im Wege der Ausgliederung von einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft übergeht und die Kapitalgesellschaft sich fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung bei der Personengesellschaft beschränkt.

Im nun anstehenden Revisionsverfahren zum oben dargestellten Urteil des FG Münster wird der BFH nun die Gelegenheit haben, die bislang noch offen gelassenen Frage zu beantworten. Gleichwohl könnte es sein, dass sich die Ausführungen vom BFH zum zu entscheidenden Fall nicht allgemein auf Einbringungen von Betrieben im Ganzen durch eine Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft, welche keine atypisch stille Gesellschaft ist, übertragen lassen.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 05.11.2021, 14 K 2364/21 G, F, BFH-anhängig: IV R 25/21

Pressemitteilung Nr. 18 vom 15.12.2021 zum Urteil 14 K 2364/21 G, F

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 17.01.2019, III R 35/17, BStBl II 2019, S. 407, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 25.04.2018, IV R 8/16, BStBl. II 2018, S. 484

BFH, Urteil vom 26.08.1993, IV R 133/90, BStBl. II 1995, S. 791

BFH, Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13, BStBl. II 2017, S. 482

BFH, Urteil vom 26.08.1993, IV R 133, BStBl. II 1995, S. 791

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