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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/unternehmensteuer/fg-muenster-verlustabzugsverbot-bei-unterjaehrigem-schaedlichen-beteiligungserwerb.html
29.02.2012
Unternehmensteuer

BFH: Verlustabzug bei unterjährigem Beteiligungserwerb

Mit Urteil vom 30.11.2015 hat der BFH die Auffassung des FG Münster bestätigt. Auch der BFH geht davon aus, dass ein im laufenden Jahr bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs erwirtschafteter Gewinn mit dem bisher noch nicht genutzten Verlust verrechnet werden kann, da dieser Gewinn nicht für das "neue", sondern noch für das "alte" wirtschaftliche Engagement genutzt werden soll.
BFH, Urteil vom 30.11.2011, I R 14/11, BStB II 2012, S. 360
                                                                                                                             

FG Münster (Vorinstanz):
Das Verlustabzugsverbot bei Körperschaften erfasst den Verlustabzug von Gewinnen, die zeitlich nach dem schädlichen Beteiligungserwerb entstanden sind. Nach dem Gesetzeszweck können Gewinne, die bis zum Zeitpunkt eines unterjährigen Beteiligungserwerbs erwirtschaftet werden, gegen nicht genutzte Verluste aus Vorjahren verrechnet werden (stichtagsbezogene Betrachtungsweise; entgegen BMF-Schreiben vom 04.07.2008, Tz. 31).

Sachverhalt

V war Alleingesellschafter der Klägerin (GmbH). Die GmbH hatte zum 31.12.2007 einen körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag i.H.v. 60.046 Euro. Mit Vertrag vom 03.07.2008 hat V 50 % seiner GmbH-Anteile veräußert. Der Gewinn des laufenden Jahres sollte bis zum Tag der Beurkundung dem V zustehen. Für den Veranlagungszeitraum 2008 erzielte die GmbH einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 163.300 Euro. Das Finanzamt war der Auffassung, dass mit der Übertragung des 50%igen Geschäftsanteils der zum 31.12.2007 festgestellte Verlustabzug zu 50 % nicht mehr berücksichtigungsfähig sei und untergehe. Ein bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielter Gewinn könne nicht mit den noch nicht genutzten Verlusten verrechnet werden (BMF-Schreiben vom 04.07.2008, Tz 31). Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin macht geltend, Verlustvorträge würden nur insoweit untergehen, als sie zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs noch nicht ausgeglichen oder abgezogen seien. Dies sei aber vorliegend gerade nicht der Fall, da der Verlustvortrag von dem bis zum Beteiligungserwerb am 03.07.2008 erzielten Gewinn abzuziehen sei. Einen solchen Verlustabzug habe der Gesetzgeber mit § 8c Abs. 1 KStG nicht ausschließen wollen.

Entscheidung

Der zum 31.12.2007 festgestellte verbleibende Verlustvortrag war im Veranlagungszeitraum 2008 in voller Höhe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Die Verlustabzugsbeschränkung des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG liegt zwar ihren tatbestandlichen Voraussetzungen nach vor. Jedoch betrifft sie ihren Rechtsfolgen nach nicht den hier in Rede stehenden Verlustabzug.

Die Übertragung des 50%igen Geschäftsanteils mit Vertrag vom 03.07.2008 stellt einen schädlichen Beteiligungserwerb dar. Als Rechtsfolge sieht § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vor, dass die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste anteilig nicht mehr abziehbar sind. Das Abzugsverbot erfasst - entgegen der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung (BMF-Schreiben vom 04.07.2008, Tz 31) - nicht den Abzug eines zum Schluss des Vorjahres festgestellten verbleibenden Verlustvortrags von einem bis zum Zeitpunkt eines unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerbs entstandenen Gewinn bzw. dem hierauf entfallenden Gesamtbetrag der Einkünfte. Es wird vielmehr ausschließlich der Abzug von einem nach diesem Zeitpunkt entstandenen Gewinn bzw. dem hierauf entfallenden Gesamtbetrag der Einkünfte ausgeschlossen.

Ausschlaggebend für die vom Senat vertretene Auslegung ist angesichts des unklaren Wortlauts der Sinn und Zweck der Regelung. Die in früherer Zeit erwirtschafteten Verluste sollen für das "neue wirtschaftliche Engagement" unberücksichtigt bleiben (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/4841, S. 76). Nach diesem Gesetzeszweck spricht nichts dafür, dass der Abzug eines vorher festgestellten Verlustvortrags von einem Gewinn ausgeschlossen werden soll, der bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs erwirtschaftet wird. Der vorherige Verlustvortrag wird gerade nicht für das "neue", sondern noch für das "alte" wirtschaftliche Engagement genutzt (vgl. auch BFH-Urteil vom 05.06.2007 zu § 8 Abs. 4 KStG a.F.). Zudem erschiene es widersprüchlich, dass die Verlustabzugsbeschränkung einen bis zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs entstandenen laufenden Verlust erfassen soll, im Falle eines bis dahin entstandenen Gewinns dieser dagegen bereits dem "neuen" wirtschaftlichen Engagement zugerechnet würde. Dafür, dass § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG den Verlustabzug von einem bis zu einem unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerb entstandenen Gewinn nicht ausschließt, spricht schließlich auch die Regelung zur Einschränkung des Verlustabzugsverbots aufgrund vorhandener stiller Reserven nach § 8c Abs. 1 S. 6 - 8 KStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009, die allerdings im Streitjahr noch nicht anwendbar ist. Diese Bestimmung stellt auf die stillen Reserven zum Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs ab. Es wäre nur schwer nachvollziehbar, wenn zwar stille Reserven zu diesem Zeitpunkt das Verlustabzugsverbot des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG einschränken würden, bei Realisierung der stillen Reserven im laufenden Jahr vor diesem Zeitpunkt die Verlustabzugsbeschränkung dagegen voll eingriffe. In der mündlichen Verhandlung war es unstreitig, dass der anteilige Gesamtbetrag der Einkünfte zum 03.07.2008 mindestens 60.046 Euro beträgt, so dass der zum 31.12.2007 festgestellte verbleibende Verlustvortrag in voller Höhe vom Gesamtbetrag der Einkünfte 2008 abzuziehen war.

Betroffene Norm

§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG
Streitjahr 2008

Anmerkung

Das FG Münster hat mit Urteil vom 21.07.2016 ebenfalls – entgegen BMF-Schreiben vom 04.07.2008 sowie Entwurf eines BMF-Schreibens vom 15.04.2014 (jeweils Tz. 30) – entschieden, dass auch nach einem unterjährig stattgefundenem schädlichen Beteiligungserwerb ein Verlustrücktrag trotz § 8c Abs. 1 KStG möglich sei, da ein nach dem schädlichen Beteiligungserwerb erzielter Verlust schon vom Wortlaut des § 8c Abs. 1 KStG nicht erfasst werde und ein bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielter Verlust aufgrund von Sinn und Zweck der Norm (weiterhin) abziehbar sein müsse.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 30.11.2011, I R 14/11, BStBl. II 2012 S. 360
Finanzgericht Münster, Urteil vom 30.11.2010, 9 K 1842/10 K, EFG 2011, S. 909
Pressemitteilung Nr. 4 vom 15.03.2011

Weitere Fundstellen

Finanzgericht Münster, Urteil vom 21.07.2016, 9 K 2794/15 K, F, EFG 2016, S. 1546, BFH-anhängig: I R 61/16, siehe Deloitte Tax-News 
BMF-Entwurf zur Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften - Anwendung des § 8c KStG (Stand: 15.04.2014), siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 - S 2745-a/08/10001, BStBl I 2008, S. 736
BT-Drs. 16/4841
BFH, Urteil vom 05.06.2007, I R 9/06, BStBl II 2008, S. 988

Englische Zusammenfassung

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