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06.04.2023
Unternehmensteuer

FG Niedersachsen: Ausschüttungen einer EU-Beteiligungsgesellschaft an inländische Organgesellschaft

Schüttet eine EU-Beteiligungsgesellschaft an eine inländische Organgesellschaft aus, sind die Dividenden auf Ebene der Organgesellschaft nicht steuerfrei zu stellen. Auf Ebene des Organträgers kommt im Falle einer Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschafter im Rahmen der sog. Bruttomethode für die Dividenden das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung. Es liegt kein Verstoß gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie vor.

FG Niedersachsen, Urteil vom 22.09.2022, 1 K 17/20; BFH-anhängig: IV R 29/22

Sachverhalt

Strittig ist die steuerliche Behandlung von Ausschüttungen einer EU-Beteiligungsgesellschaft an eine inländische Organgesellschaft bei der Organträgerin.

Eine Einheits-GmbH & Co. KG hält 100% an ihrer Komplementär-GmbH, die ihrerseits ohne Anteile an der GmbH & Co. KG beteiligt ist. Die Komplementär-GmbH hält 50% an einer dänischen Gesellschaft (A/S). Zwischen der Einheits-GmbH & Co. KG als Organträger (OT) und der Komplementär-GmbH als Organgesellschaft (OG) bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die dänische Gesellschaft (A/S) schüttete Gewinne an die Komplementär-GmbH (OG) aus.

Die Dividenden wurden von der Komplementär-GmbH (OG) unter Berufung auf die Mutter-Tochter-Richtlinie als steuerfreie Einkünfte behandelt.
Hingegen war die Außenprüfung der Auffassung, dass für Beteiligungserträge, die eine Organgesellschaft erzielt, die sog. Bruttomethode gilt (vgl. § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG). Die Anwendung der Bruttomethode führt im Streitfall aufgrund der an der KG beteiligten natürlichen Personen (als Kommanditisten) zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 EStG.

Entscheidung

Das FG schließt sich der Auffassung des Finanzamts an und kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Einkommensermittlung der Komplementär-GmbH (OG) die Dividenden der dänischen Gesellschaft nicht steuerfrei zu stellen sind. Für die Dividenden kommt auf Ebene der GmbH & Co. KG (OT) im Rahmen der sog. Bruttomethode das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG zu Anwendung.

Einheits-GmbH & Co. KG und Organschaft

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 KStG ist Voraussetzung für die Organträgereigenschaft einer Personengesellschaft, dass diese originär gewerbliche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG hat. Im Streitfall erzielte die GmbH & Co. KG (OT) originäre Einkünfte aus Gewerbebetrieb, welche aus erbrachten Dienstleistungen gegenüber Konzerngesellschaften resultierten.

Des Weiteren kann nach dem FG die Komplementär-GmbH im Streitfall auch Organgesellschaft sein. Das FG schließt sich somit der in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass die Komplementär-GmbH Organgesellschaft einer GmbH & Co. KG sein kann, wenn die Beteiligung an der Komplementär-GmbH zu 100 % im Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG gehalten wird. Nach dem FG soll dies zumindest für den vorliegenden Fall, in dem eine Komplementär-GmbH vermögensmäßig nicht an der KG beteiligt ist, gelten. Denn das Argument, dass die GmbH als Mitunternehmer der KG an ihrem eigenen an die KG abgeführten Gewinn wieder teilhaben würde, greife hier nicht. Diese Frage sei allerdings in der Literatur umstritten und höchstrichterlich – soweit ersichtlich – bislang noch nicht entschieden.

Mangelhafte Verlustübernahmevereinbarung und rückwirkend heilende Übergangsregelung

Die im Gewinnabführungsvertrag geregelte Verlustübernahme wird den Erfordernissen des § 17 S. 2 Nr. 2 KStG a.F. nicht gerecht. Nach dem FG ist die GmbH & Co. KG aber nach der rückwirkend heilenden Übergangregelung des § 34 Abs. 10b S. 2 KStG nicht verpflichtet gewesen, die fehlerhafte Vereinbarung zu heilen, weil das Organschaftsverhältnis zum 31.12.2014 beendet wurde. Nach Auffassung des FG verstößt die Heilungsvorschrift des § 34 Abs. 10b S. 2 und 3 KStG auch nicht gegen das grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung. Denn der Gesetzgeber konnte vielmehr typisierend davon ausgehen, dass die Regelung ausschließlich begünstigenden Charakter hat.

Folglich lagen nach dem FG die Voraussetzungen für die Anerkennung der Organschaft im Streitfall vor.

Steuerliche Behandlung der ausgeschütteten Dividenden

Das FG beruft sich auf bisherige BFH-Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 18.07.2012, X R 28/10 und vom 25.07.2019, IV R 47/16) zur Anwendung der sog. Bruttomethode und bestätigt deren Rechtmäßigkeit.

Darüber hinaus verstößt nach dem FG die Einbeziehung der Gewinnausschüttungen der dänischen Gesellschaft (A/S) nach der Bruttomethode in das der GmbH & Co. KG (OT) zuzurechnenden Organeinkommen auch nicht gegen Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie (ABlEG Nr. L 225, 6; berichtigt ABlEG Nr. L 226, 20). Da die Mutter-Tochter-Richtlinie eine Steuerbefreiung nur für Körperschaften als Empfänger von Bezügen vorsieht, sei eine entsprechende Steuerbefreiung bei natürlichen Personen, die wie im Streitfall Mitunternehmer des Organträgers sind, nicht veranlasst. Oder anders gesagt – das Schachtelprivileg der Mutter-Tochter-Richtlinie schützt Kapitalgesellschaften, nicht hingegen Personengesellschaften (wie die Organträgerin im Streitfall).

Mangels Zweifeln hinsichtlich der Vereinbarkeit der sog. Bruttomethode nach § 15 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG mit dem Unionsrecht hält das FG eine Vorabentscheidung des EuGH für nicht erforderlich.

Betroffene Normen

§ 14 Abs. 1 KStG, § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG, § 17 S. 1 KStG, § 8b KStG, § 3 Nr. 40 EStG
Streitjahr 2009

Anmerkung

Hintergrundinformation: sog. Bruttomethode

Gemäß § 15 S. 1 Nr. 2 S. 1 KStG ist § 8b Abs. 1 KStG, wonach Gewinnausschüttungen einer in- oder ausländischen Körperschaft an eine in- oder ausländische Körperschaft unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 3 KStG steuerfrei bleiben, bei der Organgesellschaft nicht anzuwenden.
Sind in dem dem Organträger zugerechneten Einkommen Bezüge, Gewinne oder Gewinnminderungen im Sinne des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG enthalten, ist § 8b KStG sowie § 3 Nr. 40 EStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden.

Folglich tritt die Steuerfreistellung der Dividenden nicht auf Ebene der Organgesellschaft, sondern auf Ebene des Organträgers in Abhängigkeit mit dessen Rechtsform bzw. der seiner Gesellschafter ein. Handelt es sich beim Organträger um eine Kapitalgesellschaft, kommt grundsätzlich eine 95%-Steuerfreiheit der Dividenden (vgl. § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG) in Betracht. Handelt es sich beim Organträger um eine Personengesellschaft mit natürlichen Personen als Gesellschafter, kommt im Rahmen des Teileinkünftsverfahrens lediglich eine 40%-ige Steuerfreiheit der Dividenden (vgl. § 3 Nr. 40 EStG) zur Anwendung.

Im Rahmen der Bruttomethode soll ausgeschlossen werden, dass eine Organträger-Personengesellschaft oder eine natürliche Person als Organträger in den Genuss von Steuervergünstigungen kommen, die ihnen nach ihrer Rechtsform nicht zustehen.

Hinweise für die Praxis

Das FG hat die Revision zugelassen. In vergleichbaren Fällen, in denen es um die Steuerfreistellung von Auslandsdividenden an eine Organgesellschaft geht, kann ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens erwogen werden.

Fundstelle

FG Niedersachsen, Urteil vom 22.09.2022, 1 K 17/20; BFH-anhängig: IV R 29/22

Weitere Fundstellen

 BFH, Urteil vom 18.07.2012, X R 28/10, BStBl. II 2013, S. 444, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 25.07.2019, IV R 47/16, BStBl. II 2020, S. 142

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