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18.04.2024
Unternehmensteuer

FG Niedersachsen: Bindungswirkung des steuerlichen Übertragungsstichtages für die Aufstellung einer Übernahmebilanz

Stellt die übernehmende Gesellschaft auf den steuerlichen Übertragungsstichtag eine Übernahmebilanz auf, in der sie den Buchwert des Einbringenden fortführt, ist zwingend dieser Wert als Veräußerungspreis anzusetzen (vgl. § 20 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 6 S. 1 und S. 2 UmwStG). Die für den Veräußerungspreis maßgebliche Übernahmebilanz der übernehmenden Gesellschaft ist für den Veranlagungszeitraum aufzustellen, in den der steuerliche Übertragungsstichtag fällt. Ist bereits ein Antrag auf Buchwertfortführung zum steuerlichen Übertragungsstichtag gestellt worden, so ist es auch für die Bemessung des Wertansatzes der übernehmenden Gesellschaft unschädlich, wenn die übernehmende Gesellschaft vor Abgabe der maßgeblichen Übernahmebilanz eine Bilanz auf einen Folge-Veranlagungszeitraum beim Finanzamt einreicht.

Sachverhalt

Der Kläger B war Inhaber eines Einzelunternehmens und gründete als alleiniger Gesellschafter die B-GmbH. Nur wenige Tage später gliederte B sein Einzelunternehmen mit steuerlicher Rückwirkung auf die B-GmbH gegen Gewährung weiterer Gesellschaftsanteile aus. Zum steuerlichen Übertragungsstichtag (hier: 31.12.2017) existierte die B-GmbH zivilrechtlich noch nicht. Die Übertragung sollte zu Buchwerten erfolgen. Ein Antrag auf Buchwertfortführung nach § 20 Abs. 2 S. 2 und 3 UmwStG bei der B-GmbH wurde ca. ein Jahr nach dem Vertrag über die Ausgliederung gestellt.

Im Folgejahr reichte die GmbH eine Körperschaftsteuererklärung samt Schlussbilanz (hier: zum 31.12.2018), also für den (Folge-)Veranlagungszeitraum (= Veranlagungszeitraum, der auf den in den steuerlichen Übertragungsstichtag fällt, folgt) beim Finanzamt ein. Die Betriebsprüfung vertrat die Ansicht, dass die Einbringung nicht zu Buchwerten, sondern nur zu Zwischenwerten erfolgen konnte und berücksichtigte auf Ebene der GmbH im (o.g.) Folge-Veranlagungszeitraum (2018) fortgeführte Zwischenwerte. Weiter habe der Zwischenwertansatz einen Veräußerungsgewinn aus Gewerbebetrieb für B für 2017 zur Folge.

Erst nach dieser Außenprüfung reichte die B-GmbH eine Körperschaftsteuer- und eine Gewerbesteuererklärung samt steuerlicher Schlussbilanz („Umwandlungsbilanz") für das Jahr des steuerlichen Übertragungsstichtags (hier: 2017) ein. In dieser Umwandlungsbilanz setzte die GmbH die Buchwerte des Einzelunternehmens zum steuerlichen Übertragungsstichtag an.

Entscheidung

Entgegen der Ansicht des Finanzamts vertritt das FG die Auffassung, dass kein Veräußerungsgewinn für B berücksichtigt werden muss.

Gesetzliche Grundlagen: Einbringung einer Sacheinlage

Im Fall einer Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der Gesellschaft i.S.v. § 20 Abs. 1 UmwStG (Sacheinlage) ist für die Bemessung des Veräußerungspreises nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG der Wert entscheidend, mit dem die übernehmende Gesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt. Führt diese die Buchwerte des Einbringenden nach § 20 Abs. 2 S. 2 UmwStG fort, beträgt der Veräußerungsgewinn i.S.v. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 EStG (ohne Berücksichtigung von Veräußerungskosten) 0 EUR.

Zivilrechtliche Existenz am steuerlichen Übertragungsstichtag nicht erforderlich

Nach dem FG ist es für die Bestimmung des steuerlichen Übertragungssichtages irrelevant, ob die GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits zivilrechtlich existent war oder nicht. Denn aus der durch den Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit der steuerlichen Rückbeziehung einer Sacheinlage gem. § 20 Abs. 5 S. 1, Abs. 6 S. 1 und 2 UmwStG sei zu folgern, dass für steuerliche Zwecke auch eine fingierte Existenz des übernehmenden Rechtsträgers ausreichend sei.

Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens am steuerlichen Übertragungsstichtag maßgeblich

Für die Bestimmung des Wertansatzes des eingebrachten Betriebsvermögens auf Seiten der GmbH als übernehmendem Rechtsträger ist nach dem FG ausschließlich der steuerliche Übertragungsstichtag maßgeblich. Es könne mithin nur darauf ankommen, mit welchem Wert (Buchwert, Zwischenwert oder gemeiner Wert) die GmbH das eingebrachte Betriebsvermögen zum steuerlichen Übertragungsstichtag in ihrer steuerlichen Schlussbilanz gem. § 20 Abs. 2 S. 1 bis 3 i.V.m. Abs. 3 UmwStG angesetzt hat. Aus der eingereichten Steuerbilanz („Umwandlungsbilanz“) geht nach dem FG hervor, dass die GmbH die übernommenen Wirtschaftsgüter mit den Buchwerten angesetzt hat.

Ansatz von Zwischenwerten in Folgejahren nicht maßgeblich

Dem stehe auch nicht entgegen, dass im Rahmen der Außenprüfung die von der GmbH angesetzten Werte des Betriebsvermögens zu einem Zwischenwertansatz hin geändert wurden. Die Änderungen erfolgten erst in dem Veranlagungszeitraum, der auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgt. Die (spätere) Änderung des Wertansatzes auf Seiten des übernehmenden Rechtsträgers zeitlich nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag sei indes für die Ermittlung des Veräußerungspreises des Einbringenden irrelevant, denn eine Bindungswirkung i.S.v. § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG bestehe gegenüber dem Einbringenden ausschließlich in Bezug auf den Ansatz des übernehmenden Rechtsträgers im Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungsstichtages.

Dass die GmbH bereits vor Einreichung der Schlussbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag elektronisch eine Körperschaftsteuererklärung für das Folgejahr nebst Schlussbilanz für das Folgejahr eingereicht habe, ändere an diesem Ergebnis nichts, da bereits vorab durch ein Schreiben der steuerliche Übertragungsstichtag bestimmt wurde. Soweit in der Folge aufgrund der Außenprüfung für das eingebrachte Betriebsvermögen Zwischenwerte auf den Tag nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag (hier: 01.01.2018) bei der GmbH angesetzt werden, habe dies keine Auswirkung auf die erfolgte Bestimmung des steuerlichen Übertragungsstichtages einerseits und die hieraus folgende Maßgeblichkeit des Wertansatzes des übernommenen Betriebsvermögens zu diesem Stichtag auf Seiten der GmbH als übernehmendem Rechtsträger andererseits. Weil eine spätere Änderung des einmal bestimmten steuerlichen Übertragungsstichtages nicht möglich sei (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.2018, I R 1/17 ), könne auch der auf diesen Stichtag vorzunehmende und für den Einbringenden nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG maßgebliche Wertansatz des übernehmenden Rechtsträgers nicht durch eine Schlussbilanz des übernehmenden Rechtsträgers auf einen späteren Zeitpunkt überlagert werden. Dies muss nach FG selbst dann gelten, wenn die Schlussbilanz auf den späteren Zeitpunkt (hier: auf den 31.12.2018) durch den übernehmenden Rechtsträger chronologisch vor derjenigen auf den steuerlichen Übertragungsstichtag (hier: auf den 31.12.2017) bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht wird.

Ergebnis

Der von der GmbH auf den steuerlichen Übertragungsstichtag angesetzte Wert des übernommenen Betriebsvermögens entspricht nach dem FG dem Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens des B und damit nach § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG auch dem bei B anzusetzenden Veräußerungspreis seines Einzelunternehmens i.S.v. § 16 Abs. 2 S. 1 EStG. Danach beträgt der Veräußerungsgewinn des B aus der Veräußerung seines Einzelunternehmens im Veranlagungszeitraum des steuerlichen Übertragungsstichtags 0 EUR.

Betroffene Normen

§ 16 EStG, § 20 UmwStG

Streitjahr: 2017

Fundstelle

Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 07.02.2024, 3 K 36/22, rechtskräftig

Anmerkungen

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Es sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob für die Besteuerung des Einbringenden im Rahmen einer Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG gem. § 20 Abs. 3 S. 1 UmwStG auf den angesetzten Wert des übernehmenden Rechtsträges zum Ablauf des Veranlagungszeitraums, in den der steuerliche Übertragungsstichtag fällt, abzustellen ist, oder aber derjenige Wertansatz maßgeblich ist, der aus der ersten, nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag durch den übernehmenden Rechtsträger bei dem zuständigen Finanzamt eingereichten Schlussbilanz abzuleiten ist, auch wenn diese erst für einen auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Veranlagungszeitraum eingereicht wird.

Mittlerweile ist das o.g. FG-Urteil rechtskräftig geworden.

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 19.12.2018, I R 1/17, BStBl. II 2019, S. 709, siehe Deloitte Tax News

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