Die Europäische Kommission hat am 16.03.2011 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, durch den ein gemeinsames System zur Ermittlung einer konsolidierten Steuerbemessungsgrundlage von Unternehmen eingeführt würde. Ziel des Vorschlags ist es insbesondere, den Verwaltungsaufwand und die Befolgungskosten bei grenzüberschreitender Tätigkeit von Unternehmen innerhalb der EU zu reduzieren, so dass „Unternehmen die Europäische Union für Körperschaftsteuerzwecke als Binnenmarkt ansehen können“.
Für Unternehmen würde die GKKB, wenn der Richtlinienvorschlag in dieser Form verabschiedet werden würde, erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise der Besteuerung innerhalb der EU haben. Sie könnten künftig europaweit eine einheitliche Gemeinsame Bemessungsgrundlage für alle Gruppengesellschaften und Betriebsstätten ermitteln. Für Konzerne würde diese Bemessungsgrundlage über alle Gruppengesellschaften gemeinsam ermittelt, sodass nur die Konsolidierte Bemessungsgrundlage der Besteuerung unterliegt. Sie hätten künftig für die gesamte Besteuerung der Gruppe eine einzige Anlaufstelle („Hauptsteuerbehörde“) und müssten nur noch eine Steuererklärung abgeben. Die über alle Gesellschaften und Betriebsstätten ermittelte Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer- Bemessungsgrundlage würde anschließend mittels einer Formelzerlegung auf die verschiedenen Mitgliedstaaten verteilt.
Der Richtlinienvorschlag sieht die Ermittlung einer „gemeinsamen“ Bemessungsgrundlage nach gemeinschaftsweit einheitlichen Regelungen zur Gewinnermittlung vor. Eine gesonderte Betriebsstättengewinnermittlung würde innerhalb des Geltungsbereichs der GKKB entfallen. Steuerpflichtige haben dabei grundsätzlich die Wahl, weiterhin nach nationalen Regelungen besteuert zu werden, oder der GKKB zu unterliegen; sie sind an einen sogenannten „opt-in“ aber mindestens fünf Jahre gebunden.
Der steuerliche Gewinn wird definiert als Überschuss der Erträge über die Betriebsaufwendungen. Die Gewinnermittlung ist damit GuV-basiert, wobei das in Deutschland vorherrschende Realisationsprinzip an einigen Stellen durchbrochen wird (z.B. Marktwertansatz von zu Handelszwecken gehaltenen Finanzanlagen, percentage-of-completion Methode bei Langfristfertigung). Abziehbare Betriebsaufwendungen sind in der Regel alle Kosten im Zusammenhang mit Veräußerungen und Ausgaben für die Erzielung, Aufrechterhaltung oder Sicherung von Einkommen. Die Abziehbarkeit umfasst auch Forschungs- und Entwicklungskosten und die Kosten für die betrieblich veranlasste Beschaffung von Eigen- oder Fremdkapital. Anlagevermögen ist grundsätzlich für steuerliche Zwecke abschreibungsfähig. Bewegliche und immaterielle Wirtschaftsgüter mit langer Nutzungsdauer sollen einzeln linear über 15 Jahre, Gebäude über 40 Jahre und andere Wirtschaftsgüter gesammelt über 4 Jahre abgeschrieben werden.
Verluste sollen zeitlich unbegrenzt vortragsfähig sein, ein Verlustrücktrag ist nicht vorgesehen. Ebenso wurde auf eine Mindestbesteuerung verzichtet.
Innerhalb einer konsolidierungsfähigen Unternehmensgruppe würde nur mehr ein einziger konsolidierter steuerpflichtiger Gewinn zu ermitteln sein. Auch für europäische Konzerne ist die Anwendung der GKKB optional. Eine entsprechende Option zur GKKB kann aber für alle konsolidierungsfähigen Gruppenmitglieder nur einheitlich ausgeübt werden.
Die Konsolidierungsfähigkeit (Mitgliedschaft in der Gruppe) und bei entsprechender Option zur GKKB Konsolidierungspflicht ist gegeben, wenn eine Gesellschaft während des gesamten Steuerjahres unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 % der Stimmrechte und mehr als 75 % des Eigenkapitals oder mehr als 75 % der Ansprüche auf Gewinnbeteiligung an einer anderen Gesellschaft hält.
Für die Ermittlung der konsolidierten Bemessungsgrundlage innerhalb der Gruppe gelten die allgemeinen Regelungen der GKKB. Dabei werden allerdings sämtliche Gewinne und Verluste aus Transaktionen, die zwischen Mitgliedern einer Gruppe erfolgen, außer Acht gelassen. Gruppeninterne Leistungsbeziehungen werden zum niedrigeren Betrag aus Kosten und steuerlichem Wert abgewickelt, was im Ergebnis zu einer Art „Buchwertfortführung“ innerhalb der Gruppe führt. Dadurch entfällt die Verpflichtung, für steuerliche Zwecke Transferpreise für Geschäftsbeziehungen innerhalb der Gruppe festzulegen.
Da innerhalb der GKKB-Gruppe nur mehr eine einheitliche konsolidierte Bemessungsgrundlage ermittelt wird, erfolgt im Ergebnis ein sofortiger grenzüberschreitender Verlustausgleich. Hierzu werden für alle Gruppengesellschaften getrennt die Bemessungsgrundlagen nach den einheitlichen Regeln der GKKB ermittelt und in einem zweiten Schritt zu einer einheitlichen Bemessungsgrundlage zusammengefasst. Bei dieser Zusammenfassung sind Gewinne und Verluste der einzelnen GKKB-Gruppengesellschaften unbeschränkt miteinander verrechenbar.
Tritt ein Unternehmen der Gruppe bei, ist ein vor der Konsolidierung entstandener Betriebsverlust vorzutragen. Anders als vororganschaftliche Verluste können diese „Vorgruppenverluste“ aber in den Folgejahren der Gruppenmitgliedschaft mit dem zugewiesenen Anteil des Steuerpflichtigen verrechnet werden. Verlässt ein Unternehmen die Gruppe, ist ihm kein während des Konsolidierungszeitraums entstandener Verlust zuzuweisen. Wird die gesamte Gruppe aufgelöst, sind die während der Dauer der GKKB-Gruppe entstandenen Verluste allerdings grundsätzlich aufzuteilen und vortragsfähig.
Die Kommission stellt mehrfach klar, dass der GKKB-Richtlinienvorschlag keine Harmonisierung der Steuersätze beinhaltet. Die jeweiligen nationalen Unternehmenssteuersätze werden aber nicht mehr auf eine isoliert nach nationalem Recht ermittelte Bemessungsgrundlage, sondern auf einen dem jeweiligen Gruppemitglied zugewiesenen Anteil an der gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage angewendet (siehe nachfolgendes Beispiel). Dabei ist es zulässig, auf Unternehmen, die der GKKB unterliegen, einen anderen Steuersatz anzuwenden als auf Unternehmen, die den nationalen Vorschriften unterliegen – dadurch sollen Unterschiede in der Bemessungsgrundlage kompensiert werden können, um die effektiven Steuersätze anzugleichen.
Die Formel für die Aufteilung der konsolidierten Bemessungsgrundlage umfasst drei gleich gewichtete Faktoren (Arbeit, Vermögenswerte und Umsatz).
Für bestimmte Branchen (beispielsweise Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen) gibt es besondere Regelungen für die Ermittlung des Zerlegungsmaßstabs.
Die Steuerschuld eines Gruppenmitglieds ist das Ergebnis der Anwendung des nationalen Steuersatzes auf den zugewiesenen Anteil an der konsolidierten Bemessungsgrundlage. Bestimmte Bereinigungen, beispielsweise um Vorgruppenverluste, sind vorab durchzuführen.
Die Unternehmen A, B und C bilden eine GKKB-Gruppe. Es wird ein Steuersatz von 20 % in Mitgliedstaat A, 25 % in Mitgliedstaat B und 30 % in Mitgliedstaat C unterstellt.
BMG | Vermögenswerte | Lohnsumme | Beschäftigte | Umsatz im MS A/B/C | |
Unternehmen A | 250 | 100 | 100 | 1.000 | 10.000 |
Unternehmen B | -100 | 200 | 200 | 2.000 | 20.000 |
Unternehmen C | 750 | 300 | 300 | 3.000 | 30.000 |
Summe | 900 | 600 | 600 | 6.000 | 60.000 |
Beispiel in Anlehnung an das MEMO/11/171 der Kommission v. 16.03.2011
Die Zerlegung und Besteuerung erfolgt nach folgendem Schlüssel:
Die gesamte Steuerbelastung der Gruppe beträgt in diesem Fall 240, die durchschnittliche Steuerbelastung somit 26,67 %.
Der Richtlinienvorschlag enthält zahlreiche Bestimmungen, die die Beziehungen zwischen Unternehmen in der GKKB-Gruppe und anderen Unternehmen regeln. Die meisten Vorschriften in diesem Bereich haben den Zweck, mögliche Missbräuche zu verhindern. So enthält der Vorschlag einige bereits aus den bestehenden Körperschaftsteuersystemen bekannte Vorschriften, wie beispielsweise den Fremdvergleichsgrundsatz für Transaktionen mit verbundenen Unternehmen außerhalb der Gruppe, den Übergang zur Anrechnungsmethode bei niedrig besteuerten Betriebsstätten in Drittstaaten, eine Hinzurechnungsbesteuerung und bestimmte Zinsabzugsbeschränkungen für Zinszahlungen an verbundene Unternehmen in Drittstaaten. Darüber hinaus sind Regelungen vorgesehen, die sich gegen einen Missbrauch der GKKB und des Zerlegungsmaßstabes richten.
Nach dem nun vorgelegten Vorschlag sollen die Unternehmen ihre Steuererklärung einheitlich bei der zuständigen Behörde des Ansässigkeitsstaats einreichen. Im Fall der Gruppenbesteuerung reicht der Hauptsteuerpflichtige bei der für ihn zuständigen Hauptsteuerbehörde die Steuererklärung für die gesamte Gruppe ein. Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide sind im Ansässigkeitsstaat des Hauptsteuerpflichtigen einzulegen, wobei der Richtlinienvorschlag ein eigenständiges Verfahrensrecht – insbesondere Fristen – für dieses Rechtsbehelfsverfahren vorsieht.
Der Vorschlag für eine GKKB hat bereits im Vorfeld heftige Kritik aus einigen Mitgliedstaaten, wie z.B. Großbritannien und Irland erfahren. Zwar verlangen Harmonisierungsmaßnahmen auf dem Gebiet der direkten Steuern Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten, die Kommission hat aber bereits deutlich gemacht, dass, sollte Einstimmigkeit nicht zu erreichen sein, vom Instrument der „Verstärkten Zusammenarbeit“ Gebrauch gemacht werden soll. Danach müssen sich mindestens neun Mitgliedstaaten bereit erklären, die GKKB einzuführen. Die GKKB würde in diesem Fall im Gebiet der Mitgliedstaaten, die nicht zustimmen, auch nicht gelten.
Sollte es den Mitgliedstaaten (oder auch nur einem Teil der Mitgliedstaaten) gelingen, sich auf die Einführung der GKKB zu einigen, ist noch offen, ob der Richtlinienvorschlag in seiner derzeitigen Form tatsächlich umgesetzt wird oder ob auf bestimmte Elemente des Vorschlags (wie zum Beispiel die Konsolidierung) verzichtet wird.
Über den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens werden wir Sie auf dem Laufenden halten.
Europäische Kommission, Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage
(GKKB)
Weitere Informationen zur GKKB finden Sie auf der Internet-Seite der Europäischen Kommission.
Englischsprachiger Alert zum Richtlinienvorschlag
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