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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/steuern/unternehmensteuer/laendererlasse-folgen-der-rechtsprechung-zur-gewerbesteuerlichen-hinzurechnung-von-miet--und-pachtzinsen.html
13.04.2022
Unternehmensteuer

Ländererlasse: Folgen der Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen

Aktuell: Die Ländererlasse vom 06.04.2022 wurden durch die Verfügung der OFD Frankfurt a.M. aktualisiert (siehe hierzu Deloitte Tax-News)
                                                                                                                          

Ländererlasse vom 06.04.2022:
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit Datum vom 06.04.2022 einen Erlass zu den Folgen der Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen sowie dem Vorliegen fiktiven Anlagevermögens veröffentlicht. Mit dem aktuellen Erlass übernimmt die Finanzverwaltung die BFH-Rechtsprechung.

Hintergrund

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wurden u.a. die bisherigen Regelungen zur Hinzurechnung von Entgelten für die Nutzung von Betriebskapital durch die Regelungen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen (vgl. § 8 Nr. 1 GewStG) ersetzt. Mit Datum vom 02.07.2012 hatten die obersten Finanzbehörden der Länder zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG einen Erlass veröffentlicht.

Als Reaktion auf ergangene BFH-Rechtsprechung haben die obersten Finanzbehörden der Länder mit Erlass vom 06.04.2022 ihre im o.g. Erlass vom 02.07.2012 erteilten Hinweise zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen überarbeitet. Der BFH hatte in einer Reihe von jüngeren Urteilen zu Fragen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, insbesondere zur Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen bei unterjähriger Veräußerung von hergestelltem Umlaufvermögen sowie zum Vorliegen von fiktivem Anlagevermögen, Stellung genommen. Mit dem aktuellen Erlass vom 06.04.2022 übernimmt die Finanzverwaltung die BFH-Rechtsprechung.

Ländererlasse vom 06.04.2022

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit Datum vom 06.04.2022 einen Erlass zu den Folgen der Rechtsprechung zur gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen sowie dem Vorliegen fiktiven Anlagevermögens veröffentlicht. Mit diesem Erlass wird der Erlass vom 02.07.2012 zu den Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG wie folgt geändert:

Hinzurechnung von gewinnmindernden Aufwendungen

Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sind dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzuzurechnen, soweit sie als Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens zu aktivieren sind. Mit Urteil vom 30.07.2020 (III R 24/18, siehe Deloitte Tax News) hatte der BFH – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung- entschieden, dass für unterjährig aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgüter auch dann keine Hinzurechnung der Miet- und Pachtzinsen zu erfolgen hat, wenn die Miet- und Pachtzinsen als Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das aktivierungspflichtige Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte.

Mit Urteil vom 12.11.2020 (III R 38/17, siehe Deloitte Tax News) hatte der BFH auch klargestellt, dass die Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen auch in Fällen, in denen der Steuerpflichtige immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (hier: einen Film), die dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG unterliegen, herstellt, nicht verfassungswidrig ist. 

Mit Erlass vom 06.04.2022 übernimmt die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung des BFH:

In Randnummer 2 wird der bisherige Satz 2 durch folgende Sätze ersetzt:

„Demnach unterbleibt eine Hinzurechnung von Aufwendungen, die am Bilanzstichtag als Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Anlage- oder Umlaufvermögens aktiviert wurden. Losgelöst hiervon unterbleibt in Fällen bereits unterjährig ausgeschiedener Wirtschaftsgüter eine Hinzurechnung für solche Aufwendungen, die als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert worden wären, wenn sich das Wirtschaftsgut am Bilanzstichtag noch im Betriebsvermögen befunden hätte (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 2020, III R 24/18, BStBl 2022 II S. … und BFH-Urteil vom 12. November 2020, III R 38/17, BStBl 2022 II S. ...)1 ; zu Bauzeit- und Erbbauzinsen vgl. Rdnr. 13. Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Herstellung eines selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens stehen, sind aufgrund des Aktivierungsverbots in § 5 Abs. 2 EStG stets hinzuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 2020, III R 38/17, a.a.O.).“

Vorliegen fiktiven Anlagevermögens

Gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG unterliegen Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung von beweglichen bzw. unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Miet- und Pachtzinsen werden dann für die Benutzung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gezahlt, wenn die Wirtschaftsgüter für den Fall, dass sie im Eigentum des Mieters oder Pächters stünden, dessen Anlagevermögen zuzurechnen wären. Die Fiktion muss sich jedoch soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70). Mit Urteil vom 08.12.2016 (IV R 24/11, siehe Deloitte Tax News) hatte der BFH entschieden, dass bei der Prüfung, ob fiktives Anlagevermögen vorliegt, darauf abzustellen ist, ob der Geschäftszweck das dauerhafte Vorhandensein solcher Wirtschaftsgüter voraussetzt. So hatte der BFH im Fall eines Konzertveranstalters bei kurzfristiger Anmietung von häufig wechselnden Immobilien fiktives Anlagevermögen und folglich eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Miet- und Pachtzinsen bejaht.

Die Finanzverwaltung übernimmt den Grundsatz dieser Rechtsprechung in Randnummer 29b:

„Diese Fiktion [des Anlagevermögens] muss sich jedoch soweit wie möglich an den betrieblichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen orientieren (vgl. BFH vom 29. November 1972, BStBl 1973 II S. 148) und richtet sich nach dem jeweiligen konkreten Geschäftsgegenstand im betreffenden Einzelfall (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2016, IV R 24/11, BStBl 2022 II S. …).“

Folgende Entscheidungen des BFH werden im Erlass vom 06.04.2022 als „Einzelfälle aus der Rechtsprechung“ aufgenommen:

  • Filmhersteller (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.2020, III R 38/17, siehe Deloitte Tax-News)
    „Gehen angemietete Wirtschaftsgüter wie Filmlocations oder Ausstattungsgegenstände gewissermaßen in das „Produkt“ Film ein, weil sie nur in einem einzelnen Film verwendet werden können, so liegt kein Anlagevermögen vor. Kann das angemietete Wirtschaftsgut demgegenüber jedoch gleich einem Werkzeug für die Herstellung von verschiedenen Filmen verwendet werden, handelt es sich hierbei um fiktives Anlagevermögen (vgl. BFH-Urteil vom 12. November 2020, III R 38/17, a.a.O.).“
  • Konzertveranstalter (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11, siehe Deloitte Tax News)
    „Die von einem Konzertveranstalter angemieteten Veranstaltungsimmobilien sind seinem fiktiven Anlagevermögen zuzuordnen, da diese Wirtschaftsgüter nach dem Geschäftsgegenstand ständig für den Gebrauch vorzuhalten sind. Hierbei ist es unerheblich, ob mehrmals derselbe oder aber verschiedene mehr oder weniger vergleichbare Gegenstände angemietet werden und ob ein potenzieller Erwerb dieser Mietobjekte wirtschaftlich sinnvoll ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2016, IV R 24/11, a.a.O.).“ 
  • Messedurchführungsgesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, siehe Deloitte Tax-News)
    „Wird eine sog. Messedurchführungsgesellschaft entsprechend ihres Geschäftszwecks nur aufgrund auftragsbezogener Weisungen ihres Auftraggebers nach den konkreten vertraglichen Abreden wie ein Mittler zwischen Messeveranstalter und Auftraggeber tätig, liegt kein fiktives Anlagevermögen hinsichtlich der für den jeweiligen Auftrag angemieteten Wirtschaftsgüter vor. Angesichts der Zufälligkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Messedurchführungsgesellschaft entsprechende Wirtschaftsgüter ständig für den Gebrauch in ihrem Betrieb vorgehalten hätte (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 2016, I R 57/15, BStBl 2022 II S. …).“
  • Pauschalreiseveranstalter (vgl. BFH-Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, siehe Deloitte Tax-News)
    „Die von einem Pauschalreiseveranstalter angemieteten Hotelzimmer und Hoteleinrichtungen stellen nach dessen Geschäftsgegenstand kein fiktives Anlagevermögen dar. Die angemieteten Wirtschaftsgüter werden nicht wie bei einem Hotelier zur dauerhaften Herstellung neuer Produkte (Übernachtung, Verpflegung, Veranstaltung) benötigt, sondern fließen als Teilprodukt in das jeweilige Kundenprodukt „Pauschalreise“ ein und verbrauchen sich mit der Durchführung der Reise (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2019, III R 22/16, BStBl 2020 II S. 51).“

Soweit noch nicht erfolgt, sollen die im Erlass aufgenommenen Urteile nun auch im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden.

Anwendung

Der Erlass ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Betroffene Norm

§ 8 Nr. 1 GewStG

Fundstellen

OFD Frankfurt a.M., Verfügung vom 08.04.2022, G 1422 A-44-St 513, siehe Deloitte Tax-News

Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 06.04.2022

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 30.07.2020, III R 24/18, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 12.11.2020, III R 38/17, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 29.11.1972, I R 178/70, BStBl. II 1973, S. 148

BFH, Urteil vom 08.12.2016, IV R 24/11, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 25.10.2016, I R 57/15, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 25.07.2019, III R 22/16, BStBl. II 2020, S. 51, siehe Deloitte Tax-News

Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 02.07.2012, BStBl. I 2012, S. 654, siehe Deloitte Tax-News

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