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11.01.2013
Unternehmensteuer

Niedersächsisches FG: Gestaltungsmissbrauch durch steuerfreie Veräußerungsgewinne

Der BFH hebt das Urteil des Nds. FG aus verfahrensrechtlichen Gründen unter Zurückverweisung der Sache an das FG auf.
BFH, Urteil vom 22.12.2015, I R 43/13
                                                                                       

Niedersächsisches FG (Vorinstanz):
Die Beteiligung an einem Fonds, der nach seinem Konzept darauf abzielt, den Anlegern durch wirtschaftlich gegenläufige Geschäfte steuerfreie Veräußerungsgewinne zu vermitteln, die das handelsrechtliche Ergebnis des Fonds weit übersteigen, kann ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten sein.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin aus der Anlage in einem Fonds einen steuerfreien Veräußerungsgewinn erzielt hat.

Im Streitjahr 2008 entschied sich die Klägerin für eine Anlage freier Liquidität im X-Fonds. Nach dem Fondprospekt richtet sich dieser Fonds an in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen, die „ausreichende Steuerkapazität“ besitzen, „um potentielle, beim Verkauf der Fondsanteile realisierte Verluste anzurechnen“. Noch im selben Jahr verkaufte die Klägerin alle Fondsanteile. Der steuerrelevante Aktiengewinn wurde von der X-Bank (dem Anbieter des X-Fonds) mit einem signifikant unter dem Rücknahmepreis liegendem Wert bescheinigt. Die Klägerin machte einen aus dem Verkauf resultierenden steuerfreien Veräußerungsgewinn (§ 8b KStG i.V.m. § 8 InvStG) geltend.

Das Finanzamt lehnte eine Steuerfreiheit nach § 8b KStG hingegen ab, da es sich um einen Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO handele. Eine Anlage in dem Fonds lasse sich nur durch die angestrebte Steuerersparnis erklären.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat den von der Klägerin geltend gemachten steuerfreien Veräußerungsgewinn zu Recht unberücksichtigt gelassen. Falls die von der Klägerin geltend gemachten steuerfreien Veräußerungsgewinne nicht bereits auf Ebene des Fonds mit angefallenen Veräußerungsverlusten zu saldieren sind, ist eine steuermindernde Berücksichtigung dieser Gewinne nach § 42 AO ausgeschlossen.

Nach § 42 Abs. 1 S. 1 AO kann das Steuergesetz nicht durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Ein Gestaltungsmissbrauch ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.

Würde die Körperschaftsteuer so festgesetzt, wie sie von der Klägerin erklärt wurde und wie es dem Konzept des X-Fonds entsprach, so würde dies bei der Klägerin im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen (§ 42 Abs. 2 S. 1 AO). Eine angemessene Gestaltung für das von der Klägerin geschilderte Ziel, vorhandene Liquidität kurzfristig anzulegen, wäre eine Anlage am Kapitalmarkt zum marktüblichen Zins. Die gewählte Anlage war jedoch so konstruiert, dass sich Chancen und Risiken des Aktienmarktes durch gegenläufige Termingeschäfte zumindest weitgehend ausschlossen und die versprochene Geldmarktrendite durch die entstehenden Kosten weitgehend aufgezehrt wurde. Dies ging gleichermaßen aus der vorgelegten Modellrechnung und dem Fondsprospekt hervor, die darauf hinwiesen, dass der Fonds nur einen vergleichsweise geringen handelsrechtlichen Gewinn anstrebt und sich an Anleger richtet, die „beim Verkauf der Fondsanteile realisierte Verluste“ mit in Deutschland steuerpflichtigem Einkommen verrechnen, wobei nach der Beispielrechnung des Fonds der „Wert des negativen zu versteuernden Einkommens“ fast das Fünffache de Steuerbilanzgewinns ausmachte.

Außersteuerliche Gründe für die von der Klägerin vorgenommene Geldanlage i.S.v. § 42 Abs. 2 S. 2 AO, die den Missbrauch nach Satz 1 AO hätten widerlegen können, hat diese nicht nachgewiesen. Denn das wesentliche Ziel der Klägerin, eine angemessene Rendite auf Geldmarktniveau zu erzielen und die Liquidität sicher anzulegen, hätte auch durch einen ähnlich risikoarmen Fonds erreicht werden können, der sogar eine deutlich höhere, ebenso sichere Rendite hätte erzielen können. Eine Anlage in dem von der Klägerin gewählten Fonds lässt sich damit nur durch die angestrebte Steuerersparnis erklären.

Mit der Einführung des § 8b Abs. 2 KStG im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000, der zu einer Steuerbefreiung des Veräußerungsgewinns aus Aktien führt, hatte der Gesetzgeber nicht die Absicht, Unternehmern, die kurzfristig Liquidität anlegen wollen, eine Möglichkeit zu verschaffen, durch wirtschaftlich gegenläufige Termingeschäfte ein Vielfaches des handelsrechtlichen Ertrags aus der Geldanlage in steuerfreie Veräußerungsgewinne zu transferieren und so einen anderweitig erzielten Ertrag aus dem operativen Geschäft der Besteuerung zu entziehen. Der Auffassung des Klägers, dass die steuerliche Wertung des § 8b KStG bei einer Kopplung von Finanzgeschäften eine Anwendung des § 42 AO ausschließe, folgt das FG nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung kann etwa dann ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen, wenn durch wirtschaftlich gegenläufige Rechtsgeschäfte allein steuerliche Vorteile erzielt werden sollen (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2003). Er kann insbesondere dann vorliegen, wenn die gewählte Gestaltung von vornherein nur kurzfristig angelegt war oder in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist (BFH-Urteil vom 12.07.2012).

Aufgrund des von der Klägerin gewählten Gestaltungsmissbrauchs entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Abs. 1 S. 3 AO so wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin den ihr zufließenden Ertrag als Teil ihres Jahresüberschusses zu versteuern hat, ohne dass der von der Klägerin geltend gemachte steuerfreie Veräußerungsgewinn gegenzurechnen ist.

Betroffene Norm
§ 42 AO, § 8b Abs. 2 KStG, § 15b EStG, § 18 Abs. 2b InvStG
Streitjahr 2008

Anmerkung
BFH-Urteil vom 22.12.2015
Der BFH gibt dem FG mit der Zurückverweisung im Revisionsverfahren Gelegenheit die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage unter Anwendung der Rechtsgrundsätze des BFH-Urteils vom 09.04.2014 (I R 52/12, BStBl II 2014, S. 861, siehe Deloitte Tax-News) zu entscheiden.

Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.12.2015, I R 43/13, BStBl II 2016, S. 212
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 01.11.2012, 6 K 382/10

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.12.2003, IX R 56/03, BStBl II 2004, S. 648
BFH, Urteil vom 29.05.2008, IX R 77/06, BStBl II 2008, S. 789, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 07.12.2010, IX R 40/09, BStBl II 2011, S. 427, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 18.10.2011, IX R 15/11, BStBl II 2012, S. 205, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 12.07.2012, I R 23/11, DStR 2012, S. 2058, siehe Deloitte Tax-News
Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000, BGBl I 2000, S. 1433

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