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25.04.2014
Unternehmensteuer

BFH: Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf ihre (Schwester-) Verlustgesellschaft ist kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten

Mit Urteil vom 18.12.2013 hat der BFH das Urteil des Thüringer FG aufgehoben und der Annahme des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten bei Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf ihre (Schwester-) Verlustgesellschaft eine Absage erteilt. Der Gesetzgeber habe durch § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 und § 8 Abs. 4 KStG 2002 a.F. die Maßstäbe für missbräuchliche Gestaltungen im Zusammenhang mit der Verlustnutzung bei Verschmelzungen festgelegt. Diese Vorschriften würden zeigen, dass der Gesetzgeber das Problem der missbräuchlichen Nutzung von Verlusten in Umwandlungsfällen gesehen – aber auf eine (Sonder-)Regelung für Fälle wie den vorliegenden – verzichtet habe. Dies sorge dafür, dass die gewählte Gestaltung nicht als unangemessen anzusehen sei, weshalb der Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO (a.F.) nicht verwirklicht werden könne.
BFH, Urteil vom 18.12.2013, I R 25/12, nicht amtlich veröffentlicht
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Thüringer FG:
Geht eine Verschmelzung über den Anwendungsbereich einer speziellen Missbrauchsverhütungsvorschrift des UmwStG 2002 hinaus, ist aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls eine missbräuchliche Gestaltung (§ 42 AO) zu prüfen. Dient die Verschmelzung eines wirtschaftlich gesunden und am Markt etablierten Gewinnunternehmens auf die (Schwester-)Verlustgesellschaft mit bereits eingestelltem Geschäftsbetrieb und abgemeldetem Gewerbe allein dem Zweck der Steuerersparnis, ist der Übergang des verbleibenden Verlustvortrags ausgeschlossen.

Sachverhalt
Klägerin ist die ursprüngliche A-GmbH, die mit ihrem Autohandel mehrere Jahre Verluste erwirtschaftete, bis 2003 schließlich die Gewerbeabmeldung erfolgte. Zum 31.12.2003 wurde ein Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer und ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt. Die Gewinn erzielende Schwestergesellschaft der A-GmbH, die B-GmbH (übertragende Gesellschaft), übertrug rückwirkend mit Ablauf des 31.12.2003 (Verschmelzungsstichtag) ihr Vermögen als Ganzes auf die aufnehmende A-GmbH (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme. Die A-GmbH wurde sogleich in B-GmbH umbenannt. Überdies wurden der Sitz, der Geschäftsführer und die Buchhaltung von der übertragenden B-GmbH übernommen.

Nach den Feststellungen einer bei der Klägerin stattgefundenen Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 wurden die auf Grund der Verschmelzung bestehenden Verlustvorträge zur Körperschaftsteuer und die vortragsfähigen Gewerbeverluste nicht mehr anerkannt. Die Betriebsprüfung stellte einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO fest. Einziger erkennbarer Grund der vertraglichen Gestaltung hinsichtlich der Verschmelzung sei die Absicht der Steuerminderung gewesen. Bei Betrachtung des äußeren Erscheinungsbildes der verschmolzenen Firmen vor und nach dem Verschmelzungsakt erscheine die Verfahrensweise umständlich und wirtschaftlich - von der vermeintlich möglichen Nutzung des Verlustvortrags abgesehen - widersinnig.

Die Klage richtet sich gegen die Nichtberücksichtigung des bei der ursprünglichen A-GmbH bestehenden Verlustvortrags bei der Klägerin nach Verschmelzung mit der B-GmbH.

Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Verlustvorträge sind wegen Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO steuerlich nicht berücksichtigungsfähig.

Der Berücksichtigung der Verluste bei der Klägerin steht unstreitig weder die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG a.F. noch des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 entgegen. § 8 Abs. 4 KStG a.F. ist im Streitfall nicht einschlägig, da es sich um eine Verschmelzung unter Schwestergesellschaften handelt und damit die rechtliche und wirtschaftliche Identität (identische Beteiligungsquoten vor und nach der Verschmelzung) als Voraussetzung für einen Verlustabzug nach § 10d EStG erhalten bleibt. Ebenso wenig steht § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 der Berücksichtigung der Verluste entgegen. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 UmwStG tritt die übernehmende Kapitalgesellschaft (A-GmbH) im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechtsstellung der übertragenden Körperschaft (B-GmbH) ein. Dies gilt auch für einen verbleibenden Verlustabzug (§ 10d Abs. 3 S. 1 EStG), sofern der Betrieb oder Betriebsteil, der den Verlust verursacht hat, über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird (§ 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002). Die Vorschrift gilt jedoch nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur für die Nutzbarkeit eines auf der Ebene der übertragenden Körperschaft bestehenden Verlustvortrags. Im Streitfall geht es allerdings nicht um den Übergang des Verlustabzugs vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger, denn die übernehmende Klägerin hat den Verlust in ihrem Geschäftsbereich vor der Verschmelzung erwirtschaftet. Für den hier gegebenen Fall bietet § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG in dieser Konstellation keine rechtliche Grundlage.

Da § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 eine spezielle Missbrauchsverhütungsvorschrift ist, die auf die Verhinderung eines vom Gesetzgeber als missbräuchlich angesehenen Verlusthandels abzielt (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009), den Umkehrfall einer Verschmelzung der Gewinn- auf die Verlustgesellschaft nicht erfasst, ist nach Ansicht des FG aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls eine missbräuchliche Gestaltung i.S.d. § 42 AO zu prüfen. Entgegen dem FG Münster (Urteil vom 25.10.2006) sind die im Umwandlungssteuergesetz normierten Missbrauchstatbestände nicht per se abschließend. Vielmehr ist im jeweiligen Fall durch Auslegung zu ermitteln, ob und inwieweit diesen speziellen Missbrauchsvorschriften eine Sperrwirkung in Bezug auf § 42 AO zukommt. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG 2002 nur den Fall einer Verschmelzung der Verlustgesellschaft auf die Gewinngesellschaft anspricht, kann nicht geschlossen werden, dass die umgekehrte Gestaltung per se nicht als missbräuchlich angesehen werden und bereits deshalb § 42 AO keine Anwendung finden kann. Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 28.10.2009 entschieden, dass mit der Anwendung des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG nicht abschließend über das Vorliegen einer missbräuchlichen Gestaltung entschieden werden soll bzw. entschieden wird, so dass über die beschriebenen Missbrauchsfälle hinaus eine Prüfung der Verschmelzung aufgrund der allgemeinen Vorschrift des § 42 AO möglich ist. Folglich kommt der Regelung des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG keine Sperrwirkung zu.

Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.v. § 42 Abs. 1 AO liegt nach ständiger BFH-Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche und sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (z.B. BFH-Urteile vom 18.10.2011 und vom 07.12.2010).

Im Streitfall sollte im Ergebnis die ursprüngliche B-GmbH völlig unverändert fortbestehen und die A-GmbH abgewickelt werden. Dieses Ziel wäre mit einer Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH einfach und wirtschaftlich nachvollziehbar erreichbar gewesen (keine Namensänderung, keine Sitzverlegung, kein Wechsel des Geschäftsführers etc.). Stattdessen wurde die wirtschaftlich gesunde Gewinngesellschaft B-GmbH auf die Schwesterverlustgesellschaft A-GmbH mit bereits eingestelltem Geschäftsbetrieb und abgemeldetem Gewerbe verschmolzen, um - so die Auffassung des FG - an die von der A-GmbH erwirtschafteten Verluste zu gelangen. Da diese untypische Verfahrensweise - von dem vermeintlichen Zweck der Steuerersparnis durch Umgehung des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG abgesehen - wirtschaftlich wiedersinnig erscheint, liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 Abs. 1 S. 2 AO vor.

Der verbleibende Verlustvortrag der A-GmbH wäre mit einer Verschmelzung der A-GmbH auf die B-GmbH nicht auf die B-GmbH übergegangen. Denn § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG hätte vorausgesetzt, dass der Betrieb der A-GmbH über den Verschmelzungsstichtag hinaus in einem nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse vergleichbaren Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt wird, was dann aber nicht der Fall gewesen wäre. Damit ist die Berücksichtigung des von der A-GmbH verursachten Verlustvortrags bei der Klägerin unter Anwendung des § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG zu versagen. Gleiches gilt in entsprechender Anwendung für den vortragsfähigen Gewerbeverlust (§ 19 Abs. 2 UmwStG i.V.m. § 10a GewStG).

Die Revision wird zugelassen, da der BFH bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden hat, ob § 12 Abs. 3 S. 2 UmwStG eine Sperrwirkung dahingehend zukommt, dass eine Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft wegen fehlender gesetzlicher Regelung nicht als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO angesehen werden kann.

Betroffene Norm
§ 12 Abs. 3 UmwStG 2002; § 42 AO; § 8 Abs. 4 KStG
Streitjahr 2004 - 2006

Fundstellen
BFH, Urteil vom 18.12.2013, I R 25/12, nicht amtlich veröffentlicht
Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 28.09.2011, 3 K 1086/09

Weitere Fundstellen
Finanzgericht Münster, Urteil vom 25.10.2006, 1 K 538/03
BFH, Urteil vom 28.10.2009, I R 4/09, BStBl II 2011 S. 315, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 18.10.2011, IX R 15/11, BFH/NV 2012 S. 83, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 07.12.2010, IX R 40/09, BStBl II 2011 S. 427, siehe Deloitte Tax-News

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