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01.06.2016
Verfahrensrecht

Abgrenzung der Berichtigung nach § 153 AO zur Selbstanzeige: BMF gibt im finalen Anwendungserlass Hilfestellungen

Das Bundesfinanzministerium hat am 23.05.2016 den finalen Anwendungserlass zu § 153 AO (IV A 3 – S 0324/15/10001) veröffentlicht. In dem Anwendungserlass werden grundsätzliche Fragestellungen zu den §§ 153, 371 AO thematisiert, obwohl in der Sache überwiegend keine neuen Inhalte zu den ohnehin herrschenden Auslegungen der Normen mitgeteilt werden.

Hintergrund

Nachdem das Bundesfinanzministerium im Juni 2015 einen vorläufigen Diskussionsentwurf zur Abgrenzung einer Berichtigung nach § 153 AO von einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO (siehe Deloitte Tax-News) herausgegeben hatte, stammt der finale Anwendungserlass zu § 153 AO (IV A 3 – S 0324/15/10001) vom 23.05.2016. In dem Anwendungserlass werden grundsätzliche Fragestellungen zu den §§ 153, 371 AO thematisiert, obwohl in der Sache überwiegend keine neuen Inhalte zu den ohnehin herrschenden Auslegungen der Normen mitgeteilt werden. Darüber hinaus ist der Anwendungserlass deutlich weniger umfangreich als der vorläufige Diskussionsentwurf.

Allgemeine Ausführungen

Allgemein wird zunächst darauf hingewiesen, dass die allgemeine steuerliche Pflicht zur unverzüglichen Anzeige nach § 153 AO bei dem nachträglichen Erkennen eines steuerlichen Fehlers eingreift, der zumindest zur Möglichkeit einer Steuerverkürzung geführt hat.

Hinsichtlich der Abgrenzung zur Selbstanzeige wird klarstellend ausgeführt, dass sowohl § 153 AO als auch § 371 AO eine steuerlich unrichtige Erklärung voraussetzen. Im Grundfall des § 153 AO wurde der steuerliche Fehler jedoch nicht vorsätzlich begangen. § 371 AO betrifft die Berichtigung aufgrund von Steuerhinterziehung.

Auch im Fall des § 153 Abs. 2 AO handelt es sich um eine rein steuerrechtliche Berichtigung, denn der spätere Wegfall der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder Steuervergünstigung führt erst zu der Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung.

Wenn die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige und Berichtigung nach § 153 Abs. 1 oder Abs. 2 AO vorsätzlich nicht erfüllt wird, liegt eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen vor.

Der Anwendungserlass führt weiter aus, dass die leichtfertige Herbeiführung einer Steuerverkürzung eine Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO darstellt, die wiederum zu einer Selbstanzeigemöglichkeit nach § 378 Abs. 3 AO führen kann. Die strengen Voraussetzungen der Selbstanzeige nach Steuerhinterziehung gelten insoweit weitgehend nicht.

Darüber hinaus wird in dem Anwendungserlass thematisiert, dass sich die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO nicht nur auf Steuererklärungen, sondern auf alle Erklärungen des Steuerpflichtigen, die Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Steuer oder auf gewährte Steuervergünstigungen gehabt haben, bezieht.

Zur Anzeige nach § 153 AO verpflichtet sind bei juristischen Personen zum Beispiel die Geschäftsführer einer GmbH.

Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit

Der Anwendungserlass geht auf die Abgrenzung von Vorsatz zur Fahrlässigkeit ein und führt aus, dass es einer sorgfältigen Prüfung durch die Finanzbehörde bedarf, ob ein Anfangsverdacht einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Steuerverkürzung gegeben ist.

Erfreulicherweise wird klargestellt, dass nicht allein aufgrund der Höhe der steuerlichen Auswirkung von Vorsatz ausgegangen werden kann. Insbesondere in Unternehmenssachverhalten, in denen regelmäßig nicht unerhebliche Steuerbeträge betroffen sind, sind diese Ausführungen wertvoll.

Weiterhin ist dem Anwendungserlass zu entnehmen, dass die Einrichtung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, ggf. ein Indiz darstellen kann, das gegen das Vorliegen von Vorsatz oder Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalles befreit.

Hinsichtlich des durch den Anwendungserlass angesprochenen innerbetrieblichen Kontrollsystems (Steuer-IKS) wären weitere, konkretere Angaben wünschenswert gewesen. Letztlich „dient“ jedes innerbetriebliche Kontrollsystem der Erfüllung von steuerlichen Pflichten, selbst wenn das System fehlerhaft sein sollte. Das Bundesfinanzministerium teilt leider nicht mit, welche Anforderungen an die Qualität des innerbetrieblichen Kontrollsystems gestellt werden müssen, um ggf. Vorsatz oder Leichtfertigkeit auszuschließen. In diesem Zusammenhang wird ein Rückgriff auf die durch die Rechtsprechung bereits umrissenen Anforderungen an ein schuldausschließendes innerbetriebliches Kontrollsystem erforderlich sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofes, allerdings zur zivilrechtlichen Haftung von Unternehmensorganen (vgl. Urteil vom 20.09.2011 – II ZR 234/09 (CCZ 2012, 76)), hat sich ein Vertretungsorgan einer Gesellschaft, das selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, zur eigenen Enthaftung unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten zu lassen und die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Um strafrechtliche Sicherheit zu erlangen, sollten im Zweifelsfall diese genannten Grundsätze aus Gründen der Vorsorge auf jedes innerbetriebliche Kontrollsystem angewandt werden (weitere Informationen zum Steuer-IKS).

Keine genaueren Ausführungen zur Frage der „Unverzüglichkeit“

Die Anzeige nach § 153 AO muss „unverzüglich“ nach dem positiven Erkennen des steuerliche Fehlers erfolgen. Wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, unverzüglich auch alle steuerlichen Berechnungsgrundlagen mitzuteilen, weil zum Beispiel noch umfangreiche Aufarbeitungen erforderlich sind, hat das Finanzamt ihm eine angemessene Zeit zur Aufarbeitung und Berichtigung zuzugestehen.

Leider geht der Anwendungserlass nicht auf die sehr praxisrelevante Frage ein, wann eine Anzeige nach § 153 AO noch unverzüglich ist, also welcher Zeitraum dem Steuerpflichtigen zugestanden wird. Solange diese Frage nicht abschließend geklärt ist, sollte man, auch bei komplizierten Unternehmenssachverhalten, davon ausgehen, dass „unverzüglich“ maximal eine Frist von wenigen Wochen umfasst, in der Regel aber nicht mehr als zwei Wochen.

Nemo-tenetur-Grundsatz und Pflicht zur Berichtigung nach § 153 AO

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass auch ein bedingt vorsätzlich handelnder Täter einer Steuerhinterziehung zur Berichtigung nach § 153 AO verpflichtet ist, wenn er nachträglich positiv erkennt, dass tatsächlich steuerliche Fehler gegeben sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. 3. 2009 - 1 StR 479/08). Hintergrund ist, dass ein bedingt vorsätzlich handelnder Täter nicht sicher weiß, dass tatsächlich Steuern verkürzt werden, sondern nur die Möglichkeit der Steuerverkürzung sieht, diese aber billigend in Kauf nimmt.

Die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist stark kritisiert worden, da durch sie Täter gezwungen werden, sich selbst zu belasten, ansonsten droht eine neue Strafbarkeit.

Das Bundesfinanzministerium versucht in dem Anwendungserlass nun, die Streitfrage dadurch zu entschärfen, dass „unverzüglich“ im Sinne des § 153 AO in den genannten Fällen auch noch die Berichtigung erfolgen soll, die nach „angemessener Zeit zur Aufbereitung einer Selbstanzeige“, die vollumfänglich schon alle Bemessungsgrundlagen der vergangenen Jahre beinhalten muss, erfolgt.

Völlig unklar bleibt jedoch, wie lange eine „angemessene Zeit“ in solchen Fallkonstellationen sein soll. Darüber hinaus ist aufgrund der mehrfachen Verschärfung der Vorschriften zur Selbstanzeige in den letzten Jahren häufig die Situation gegeben, in der aufgrund des Eingreifens eines Sperrgrundes, zum Beispiel der Ankündigung einer Betriebsprüfung, zeitweise eine Selbstanzeige nicht wirksam erstattet werden kann. Davon ausgehend, könnte man den Anwendungserlass dann so verstehen, dass die Beendigung der Betriebsprüfung abgewartet werden darf, bis eine Selbstanzeige erstattet wird. Sollte dieser Sichtweise seitens der Finanzverwaltung gefolgt werden, was wünschenswert wäre, bedürfte eine so weitreichende Folge einer eindeutigen Klarstellung, die hoffentlich zeitnah erfolgt. Gegenwärtig sorgt der Anwendungserlass jedoch leider nur noch für mehr Rechtsunsicherheit.

Beispielsfälle zu den §§ 153, 371 AO
Der Entwurf des Anwendungserlasses sah mehrere Beispielsfälle zur Anwendung der Normen §§ 153, 371 AO vor (siehe Deloitte Tax-News). Die Beispielsfälle waren in der damaligen Form in sich noch nicht schlüssig. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen, wenn die Fälle nach einer Überarbeitung in den Anwendungserlass übernommen worden wären.

Betroffene Normen
§§ 153, 371, 378 AO
AEAO

Fundstelle
BMF, Schreiben vom 23.05.2016, IV A 3 – S 0324/15/10001

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