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15.01.2010
Verfahrensrecht

BFH: Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist nach Steuerfestsetzung – Ermessen bei der Änderung einer Anrechnungsverfügung

Update vom 19.01.2012

 Mit Urteil vom 25.10.2011 hat der BFH seine Rechtsprechung zur Korrekturmöglichkeit einer Anrechnungsverfügung weiterentwickelt. Das Finanzamt kann versehentlich zu viel angerechnete und an den Steuerpflichtigen erstattete Lohnsteuer nicht mehr zurückfordern, wenn seit dem Erlass des Einkommensteuerbescheids mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Zu diesem Zeitpunkt entsteht der Rückforderungsanspruch, der in fünf Jahren verjährt. Auf den Zeitpunkt der Änderung der Anrechnungsverfügung kommt es nicht an. (Anschluss an BFH-Urteil vom 27.10.2009)
BFH, Urteil vom 25.10.2011, VII R 55/10

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Kreditinstitut, hatte 1991 Aktien vom Beigeladenen cum Dividende erworben und noch am selben Tag, dem Dividendenstichtag, ex Dividende an ihn zurückveräußert. Bei Kauf und Verkauf waren zwei weitere Banken zwischengeschaltet. In ihrer Körperschaftsteuer-Erklärung 1991 machte die Klägerin unter Vorlage zweier von ihr erstellter Steuerbescheinigungen Steueranrechnungsbeträge aus Ausschüttungen auf vorgenannte Aktien geltend. Die Körperschaftsteuer wurde darauf hin auf 0 DM festgesetzt und bei der Abrechnung u.a. anrechenbare Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag entsprechend den vorgelegten Steuerbescheinigungen angesetzt, so dass ein Guthaben ausgewiesen wurde. Später ist das Finanzamt zu der Auffassung gelangt, der der Klägerin gutgeschriebene Betrag (Net-todividende) könne nicht entsprechend der Steuererklärung als Dividende behandelt werden. Der Beigeladene - der vom Finanzamt als Haftungsschuldner nach § 71 der Abgabenordnung (AO) in Anspruch ge-nommen worden ist - habe nämlich initiiert, dass in Wahrheit gar nicht existierende Aktien mit Dividende über mehrere Banken an die Klägerin und von dieser ohne Dividende an den Beigeladenen zurückveräußert worden sind, so dass Steuern erstattet wurden, die mangels tatsächlicher Dividendenausschüttung nicht gezahlt worden sind. Das Finanzamt hat aufgrund dieser Feststellungen, gestützt auf § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO, die Anrechnungsverfügung geändert und von der Klägerin den Anrechnungsbetrag zurückgefordert. Als es hierüber zum Streit kam, hat das Finanzamt einen entsprechenden Abrechnungsbescheid erlassen, gegen den sich die Klage richtet.

Entscheidung

Die Änderung einer durch arglistige Täuschung eines fremden Dritten zugunsten des Steuerschuldners erwirkten Anrechnungsverfügung ist zulässig. Sie setzt jedoch eine Abwägung widerstreitender Gesichtspunkte voraus und verlangt eine diesbezügliche Ermessensentscheidung des Finanzamts.

In einem Abrechnungsbescheid i.S. d. § 218 Abs. 2 AO darf nur dann von dem Regelungsgehalt einer zuvor erlassenen Anrechnungsverfügung zu Lasten des Steuerpflichtigen abgewichen werden, wenn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO vorliegen. Gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO ist eine Rücknahme nur dann zulässig, wenn die Anrechnungsverfügung durch unlautere Mittel erwirkt wurde. Nach Ansicht des erkennenden Senats verlangt § 130 Abs. 2 Nr. 2 AO zwar nicht, dass der Begünstigte selbst arglistig getäuscht hat. Er lässt eine Rücknahme des Verwaltungsaktes dann aber um des schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten willen auch nicht zu, ohne dass die Umstände des Falls vom Finanzamt gewürdigt werden und das Interesse an einer Korrektur einer rechtswidrig vorgenommenen Anrechnung gegen das Vertrauensschutzinteresse abgewogen wird. Der angefochtene Bescheid, der die danach gebotene Abwägung der für und gegen eine Änderung der ursprünglichen Anrechnungsverfügung sprechenden Gesichtspunkte vermissen lässt, verletzt deshalb § 5 AO und ist daher aufzuheben.

Der Änderung der Anrechnungsverfügung stand im Urteilsfall überdies Zahlungsverjährung (§ 228 AO) entgegen. § 228 AO normiert eine absolute Verjährungsfrist, also eine solche, deren Lauf davon unabhängig ist, ob der Berechtigte von den seinen Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis hatte, Kenntnis haben musste oder auch nur Kenntnis haben konnte. Durch die Bekanntgabe der Steuerfestsetzung wird die Frist für die Zahlungsverjährung der festgesetzten Steuer in Lauf gesetzt. Eine Änderung der Anrechnungsverfügung nach Ablauf dieser Frist ist ungeachtet dessen, ob sie zu einer Erhöhung oder einer Verminderung der Abschlusszahlung oder einer Rückforderung erstatteter Steueranrechnungsbeträge führt, unzulässig.

Vorinstanz

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 19.11.2008, 6 K 167/06, EFG 2009, S. 540.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27.10.2009, VII R 51/08, BStBl II 2010, S. 382.

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