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16.07.2010
Verfahrensrecht

BFH: Ablaufhemmung nach Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ihre Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre (1993 und 1994) in den jeweils folgenden Kalenderjahren (1994 und 1995) abgab. Am 04.11.1996 erließ das Finanzamt eine Prüfungsanordnung und teilte mit, dass die Außenprüfung voraussichtlich Anfang Dezember 1996 beginnen werde. Am 15.11.1996 beantragte die Klägerin, die für Anfang Dezember 1996 angesetzte Betriebsprüfung auf Mitte Januar 1997 zu verlegen. Mit Schreiben vom 19.11.1996 teilte das Finanzamt mit, der Beginn der Betriebsprüfung werde antragsgemäß auf Mitte Januar 1997 verschoben. Es führte aus, der Ablauf der Festsetzungsverjährung der in der Prüfungsanordnung bezeichneten Steueransprüche sei gemäß § 171 Abs. 4 AO seit dem 15.11.1996, dem Tag des Eingangs des Verschiebungsantrages im Finanzamt, gehemmt. Am 24.01.1997 setzte das Finanzamt die Klägerin davon in Kenntnis, dass die Prüfung aus zeitlichen Gründen nicht mehr im Januar, evtl. aber im Februar 1997 beginnen könne. Tatsächlich begann die Außenprüfung jedoch erst am 30.03.2000. Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das Finanzamt am 01.02.2001 geänderte Feststellungsbescheide für 1993 und 1994.

Die Klägerin hat hiergegen geltend gemacht, dass der Beginn der Außenprüfung aufgrund ihres Antrags von Dezember 1996 auf Januar 1997 verschoben worden sei. Das Verschieben des Prüfungsbeginns sei zeitlich befristet beantragt worden. Der Ablauf der Verjährung sei daher nur bis zum 31.12.1997 gehemmt gewesen. Ohne weitere schriftliche Äußerung habe das Finanzamt die Prüfung jedoch erst im Jahr 2000 begonnen. Die Klägerin vertritt daher die Auffassung, das Finanzamt sei wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht zum Erlass der angefochtenen Feststellungsbescheide berechtigt gewesen.

Entscheidung

Der Antrag der Klägerin auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung hat dazu geführt, dass die in § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1, 2. Alternative AO bestimmte Ablaufhemmung (zunächst) eingetreten und auch nicht allein wegen des Ablaufs der beantragten Frist (rückwirkend) entfallen ist. Die Ablaufhemmung ist jedoch deshalb wieder entfallen, weil das Finanzamt nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Verschieben des Prüfungsbeginns beim Finanzamt mit einer Prüfung begonnen hat. Für den Fall, dass der Steuerpflichtige mit seinem Antrag i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1, 2. Alternative AO nur ein zeitlich befristetes Hinausschieben des Prüfungsbeginns begehrt, trifft § 171 Abs. 4 AO keine gesonderte Bestimmung. Deshalb verbleibt es auch bei einem derart befristet gestellten Antrag bei der Rechtsfolge, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist ab dem Tag des Antragseingangs bei der Finanzbehörde gehemmt wird.

Der Finanzverwaltung bleibt nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Vielmehr hat die Behörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns bei der Finanzbehörde zu beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will. Die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags. Der erkennende Senat stützt seine Auffassung hierbei auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO und auch in § 171 Abs. 10 AO Ausdruck findet. Jene Vorschriften räumen der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein.

Insoweit bleibt der Finanzbehörde die gleiche Zeit wie in den von § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO erfassten Fällen, aus eigener Initiative die abschließende Bearbeitung des Steuerfalles zu betreiben. Auch wenn - wie im Streitfall - ein befristeter Aufschub des Prüfungsbeginns beantragt worden ist, kommt nicht in Betracht, die Festsetzungsfrist (hier Feststellungsfrist) nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit Ablauf der beantragten Aufschubfrist enden zu lassen. Denn im Unterschied zu den in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO geregelten Fällen hat die Finanzbehörde bei einem Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns die Möglichkeit, bei der Bescheidung des Antrags auf die zeitliche Dauer ihrer Untätigkeit Einfluss zu nehmen.

Der Antrag der Klägerin ist am 15.11.1996 beim Finanzamt eingegangen. Es ist unstreitig, dass der Antrag der Klägerin ursächlich für das Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung geworden ist. Das Finanzamt hat jedoch nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Außenprüfung begonnen, sondern erst am 30.03.2000. Damit ist die zunächst eingetretene Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1, 2. Alternative AO rückwirkend entfallen. Mangels Ablaufhemmung war die Feststellungsfrist hinsichtlich beider Streitjahre abgelaufen, als das Finanzamt die streitbefangenen geänderten Feststellungsbescheide erlassen hat.

Vorinstanz

Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 17.07.2007, 5 K 443/02, EFG 2007, S. 1567, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News

Fundstelle

 BFH, Urteil vom 17.03.2010, IV R 54/07, BStBl II 2011, S. 7

Update vom 04.04.2012: BFH-Urteil vom 01.02.2012, I R 18/11

Eine zu dem BFH-Urteil vom 17.03.2010 abweichende Beurteilung kann vorzunehmen sein, wenn der Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns keine zeitlichen Vorgaben enthält. Ist die Finanzbehörde faktisch daran gehindert, den Prüfungsfall bereits im Zeitpunkt der Antragstellung neu in die Prüfungspläne aufzunehmen, endet die Festsetzungsfrist erst zwei Jahre nach Wegfall des Hinderungsgrundes.
BFH, Urteil vom 01.02.2012, I R 18/11, siehe Deloitte Tax-News 

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