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16.07.2015
Verfahrensrecht

BFH: Feststellungsverjährung bei Verlustfeststellungsbescheiden

Die Feststellungsfrist für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes endet nicht vor der Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festzustellen ist. Eine Feststellung nach dem Ablauf der Feststellungsfrist ist rechtwidrig. Abweichendes gilt, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung pflichtwidrig unterlassen hat; die Änderung einer bereits fristgerecht ergangenen Feststellung fällt nicht darunter.

Sachverhalt

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der C-AG für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2002 wurde festgestellt, dass der Bericht der Vorprüfung nicht ausgewertet worden und daher eine Minderung des gesondert festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1995 unterblieben war. Daraufhin holte das Finanzamt eine entsprechend geänderte Feststellung mit Bescheid vom 18.03.2008 nach. Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG statt.

Entscheidung

Das FG habe zu Recht erkannt, dass der Änderung der angefochtenen Feststellung zum 31.12.1995 der Eintritt der Feststellungsverjährung entgegen stehe.

Nach § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG sind Verlustfeststellungsbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich die Besteuerungsgrundlagen ändern und deshalb der Gewerbesteuermessbescheid für denselben Erhebungszeitraum zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Dabei endet gemäß § 35b Abs. 2 S. 4 1. HS GewStG die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen ist.

Nach Maßgabe des § 181 Abs. 5 AO kann eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Die (verfahrensrechtliche) Selbständigkeit des Feststellungsverfahrens trete hinter der materiellen Richtigkeit von Steuerfestsetzungen, für die noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei, zurück.

§ 181 Abs. 5 AO greift allerdings nach § 35b Abs. 2 S. 4 2. HS GewStG nur ein, wenn die Finanzbehörde die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes bzw. des Verlustvortrags "pflichtwidrig unterlassen" hat. Sei diese Voraussetzung nicht erfüllt, dürfe der vortragsfähige Gewerbeverlust bzw. der Verlustvortrag nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr gesondert festgestellt werden.

Im Streitfall ende die vierjährige Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum 1995, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.1995 festzustellen sei, unter Berücksichtigung der im Jahr 2003 abgeschlossenen Außenprüfung mit Ablauf des 31.12.2007. Zugleich ende die Feststellungsfrist für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Da die Anwendung von § 181 Abs. 5 AO durch § 35b Abs. 2 S. 4 2. HS GewStG untersagt und demzufolge eine Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist zum 31.12.2007 ausgeschlossen sei, sei der geänderte Feststellungsbescheid auf den 31.12.1995 vom 18.03.2008 rechtswidrig.

Die als pflichtwidrig anzusehende Nichtauswertung der Prüfungsfeststellungen durch die Behörde habe die Möglichkeit einer Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht eröffnet. Denn dadurch, dass die Behörde es versäumt habe, eine bereits vorliegende (aber materiell unzutreffende) Verlustfeststellung bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum (hier: bis zum 31.12.2007) – und damit dem Ablauf der Feststellungsfrist – zu ändern, habe es nicht "die Feststellung ... pflichtwidrig unterlassen“.

Der Wortlaut der Regelung des § 35b Abs. 2 S. 4 2. HS GewStG sei eindeutig. Wenn es darum gehe, dass die zuständige Finanzbehörde "die Feststellung" pflichtwidrig "unterlassen" haben müsse, um durch Anwendung des § 181 Abs. 5 AO eine Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist zu ermöglichen, sei nur die erstmalige Feststellung angesprochen. § 181 Abs. 5 AO bleibe weiter anwendbar, wenn das Finanzamt keinen Verlustfeststellungsbescheid erlassen habe, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, weil ihm die Verluste aus einer Steuererklärung bekannt gewesen seien.

Anmerkung

Finanzministerium NRW, Schreiben vom 24.10.2016
Im Schreiben vom 24.10.2016 erläutert das Finanzministerium NRW mögliche Anwendungsfälle zur gesonderten Feststellung nach Ablauf der Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 5 AO, wie z.B. im Zusammenhang mit Verlustfeststellungen nach § 10d EStG. Ein Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d EStG könne nach Ablauf der Feststellungsfrist dann nach § 181 Abs. 5 AO erlassen werden, wenn das Finanzamt die Verlustfeststellung pflichtwidrig unterlassen habe (§ 10d Abs. 4 S. 6 EStG i. d. F. des JStG 2007). Das FinMin NRW bestätigt die Auffassung des BFH aus dem vorliegenden Urteil, wonach eine pflichtwidrig unterlassene Verlustfeststellung nur dann vorliege, wenn eine Verlustfeststellung bisher gänzlich fehlt, nicht aber, wenn lediglich die Änderung einer bereits fristgerecht ergangenen Feststellung unterbleibt. Sei eine Erklärung erst kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingegangen, sei das Unterlassen nicht pflichtwidrig (vgl. BFH-Urteil vom 25.05.2011).

Betroffene Normen

§ 35b Abs. 2 S. 4 GewStG 2002, § 181 Abs. 5 AO
Streitjahr 1995

Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Entscheidung vom 19.12.2012, 15 K 91/12 F, EFG 2013, S. 313

Fundstelle
BFH, Urteil vom 11.02.2015, I R 5/13

Weitere Fundstellen
Finanzministerium NRW, Schreiben vom 24.10.2016
BFH, Urteil vom 25.05.2011, IX R 36/10, BStBl. II 2011, S. 807

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