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25.06.2015
Verfahrensrecht

BFH: Kein Einwendungsausschluss bei Haftung für Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung

Ein Geschäftsführer kann als Haftungsschuldner Einwendungen gegen die Richtigkeit eines gegenüber der GmbH als Steuerschuldnerin ergangenen Steuerbescheids auch dann erheben, wenn zwar die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen ist, der Steuerbescheid aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

Sachverhalt

Die Klägerin, (alleinige) Geschäftsführerin einer GmbH, wurde für deren Steuerschulden in Haftung genommen. Die der Haftung zugrunde liegenden Steuerbescheide sind formell bestandskräftig geworden, Einsprüche der Klägerin wurden als unbegründet zurückgewiesen, der Vorbehalt der Nachprüfung blieb weiterhin bestehen. Klage wurde seitens der GmbH nicht erhoben, sondern lediglich die Änderung der Steuerbescheide nach § 164 Abs. 2 AO beantragt. Diese Änderungsanträge wurden nicht beschieden.

Streitig ist, ob die der Haftung zugrunde liegenden Steuerbescheide trotz Vorbehalt der Nachprüfung unanfechtbar i.S.d. § 166 AO sind und die Klägerin dies im Rahmen der Inhaftungnahme gegen sich gelten lassen muss.

Entscheidung

Das FG habe zu Unrecht die Klägerin mit ihren Einwendungen gegen die der Haftungsschuld zugrunde liegende Steuerschuld ausgeschlossen.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so habe dies nach § 166 AO neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

Die Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach Unanfechtbarkeit (formeller Bestandskraft) gemäß § 166 AO lasse bei einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den Anspruch des Steuerpflichtigen und seines Vertreters auf Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 S. 2 AO unberührt; beide Vorschriften haben einen voneinander unabhängigen Regelungs- und Anwendungsbereich. Auch wenn eine unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene (§ 164 AO) Steuerfestsetzung die Rechtsfolge des § 166 AO auslöse, also wenn die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber "unanfechtbar" festgesetzt worden sei - also mit einem förmlichen Rechtsbehelf (Einspruch, Klage, Nichtzulassungsbeschwerde, Revision) nicht (mehr) anfechtbar sei - könne eine solche Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam sei.

Ein in Haftung genommener Vertreter des Steuerpflichtigen könne auf eine Aufhebung/Änderung einer solchen Steuerfestsetzung hinwirken und trotz Unanfechtbarkeit der (noch wirksamen) Vorbehaltsfestsetzung uneingeschränkt Einwendungen gegen die Richtigkeit dieser Steuerfestsetzung und gegen die Höhe der gegen ihn festgesetzten Haftungsschuld geltend machen. Dies ergebe sich bereits aus dem Urteil des BFH vom 24.08.2004.

Betroffene Norm

§ 166 AO, § 164 Abs. 2 S. 1 und 2 AO
Streitjahr 2002

Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Urteil vom 13.10.2011, 13 K 4121/07

Fundstelle
BFH, Urteil vom 22.04.2015, XI R 43/11

Weitere Fundstelle
BFH, Urteil vom 24.08.2004, VII R 50/03, BFHE 207, S. 5

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