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28.07.2022
Verfahrensrecht

BMF: Änderungen der gesetzlichen Regelungen zur Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen (§§ 233 bis 239 AO)

Das BMF-Schreiben vom 22.07.2022 erläutert Änderungen der gesetzlichen Regelungen zur Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen, zur Höhe und Berechnung der Zinsen und zur Zinsfestsetzungsfrist, die mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ in Kraft getreten sind.

Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht hatte mit dem Beschluss vom 08.07.2021 (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) die Regelungen für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen ab 2014 in ihrer Höhe von monatlich 0,5% für verfassungswidrig erklärt (siehe Deloitte Tax-News). Eine übergangsweise Weiteranwendung der Verzinsungsregelung wurde nur noch für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume zugelassen (Fortgeltungsanordnung). Für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die Vorschriften dagegen unanwendbar.

Mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ vom 12.07.2022 (BGBl. I 2022, S. 1142) wurde der Zinssatz – rückwirkend für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 - für Zinsen nach § 233a AO auf 0,15% pro Monat gesenkt (siehe Deloitte Tax-News). Das „Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ ist am 22.07.2022 in Kraft getreten.

Mit Datum vom 22.07.2022 hat das BMF ein Schreiben zu den Änderungen der §§ 233 bis 239 AO durch das „Zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ vom 12.07.2022 veröffentlicht.
Am selben Tag erging noch ein weiteres BMF-Schreiben zu der Übergangsregelung gemäß Art. 97 § 15 Abs. 16 EGAO für die vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AO und die Aussetzung der Festsetzung nach § 165 Abs. 1 S. 4 S. 2 Nr. 2 AO von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 (siehe Deloitte Tax News).

Verwaltungsanweisung

Im Folgenden geben wir einen Überblick über das BMF-Schreiben vom 22.07.2022 zu den Änderungen der §§ 233 bis 239 AO:

Zur Änderung des § 233a AO (Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen)

Bei der Reihenfolge zu verzinsender Steuerzahlungen ist das „last in – first out“-Prinzip zugrunde zu legen. Diese langjährige Verwaltungspraxis wurde nun in § 233a Abs. 3 S. 4 AO und für Änderungsfälle in § 233a Abs. 5 S. 4 AO gesetzlich verankert. Diese gesetzliche Neuregelung gilt in allen Fällen, in denen Zinsen nach dem 21.07.2022 festgesetzt werden.

Die bislang in der AEAO enthaltene Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen bei „freiwilligen“ Zahlungen wurde in § 233a Abs. 8 S. 1 AO gesetzlich verankert. § 233a Abs. 8 AO ist in allen am 21.07.2022 anhängigen Verfahren sowie allen künftigen Verfahren anzuwenden.

Zur Änderung des § 238 AO (Höhe und Berechnung der Zinsen)

Der Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 beträgt 0,15% je vollem Monat, also 1,8% für ein volles Jahr (vgl. § 238 Abs. 1a AO). Im Gegensatz dazu, beträgt der Zinssatz für alle anderen Zinsen im Sinne des § 233 AO (insbesondere Stundungs-, Hinterziehungs-, Prozess- und Aussetzungszinsen) unverändert 0,5% je vollem Monat, also 6% für ein volles Jahr (vgl. § 238 Abs. 1 AO).

Zinsen sind wie bisher nur für volle Monate festzusetzen (§ 238 Abs. 1 S. 2 HS 1 AO). Sind allerdings innerhalb einer Zinsberechnung nebeneinander unterschiedliche Zinssätze (vgl. § 238 Abs. 1 S. 1 und Abs. 1a AO) maßgeblich, ist der Zinslauf nach dem neuen Absatz 1b des § 238 AO in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen, für die die Zinsen jeweils tageweise zu berechnen sind.

Um auch zukünftig die verfassungsrechtlich gebotene Angemessenheit des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO zu gewährleisten, enthält der neue Absatz 1c des § 238 AO eine ausdrückliche Evaluierungsklausel, wonach der Zinssatz des § 238 Abs. 1a AO wenigstens alle 2 Jahre (erstmals spätestens zum 1.01.2024) zu überprüfen ist. Diese Evaluierung obliegt dem Gesetzgeber.

§ 238 Abs. 1a bis 1c AO gilt für Verzinsungszeiträume ab dem 1.01.2019 und ist vorbehaltlich des § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO in allen offenen Fällen anzuwenden (Artikel 97 § 15 Abs. 14 EGAO). Offene Fälle sind neben künftigen Zinsfällen auch alle zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits beschiedenen, aber noch anhängigen Verfahren. Anhängige Verfahren sind Verwaltungsverfahren, in denen

  • die Zinsfestsetzung nach § 164 Abs. 1 AO oder § 239 Abs. 4 AO noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht,
  • die Zinsen (ganz oder teilweise) nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO vorläufig festgesetzt worden sind, - die Zinsfestsetzung nach § 165 Abs. 1 S. 4 i. V. m. Abs. 1 S. 2 AO ausgesetzt ist oder
  • aufgrund eines außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs noch keine Unanfechtbarkeit eingetreten ist.

Hinsichtlich der Übergangsregelung (Artikel 97 § 15 Abs. 16 EGAO) wird auf das BMF-Schreiben vom 22.07.2022 (siehe auch Deloitte Tax-News) verwiesen.

Zur Änderung des § 239 AO (Festsetzung der Zinsen)

Die bislang einjährige Festsetzungsfrist für Zinsen wurde auf zwei Jahre verlängert. Die verlängerte Zinsfestsetzungsfrist gilt in allen Fällen, in denen die bisher einjährige Festsetzungsfrist am 21.07.2022 noch nicht abgelaufen ist.
 

Betroffene Normen

§§ 233 bis 239 AO

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 22.07.2022, IV A 3 – S 1910/22/10040 :010

Weitere Beiträge

BVerfG, Beschluss vom 08.07.2021, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 22.07.2022, IV A 3 – S 0338/19/10004 :007, siehe Deloitte Tax-News

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