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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/bfh-fremduebliche-verzinsung-einer-darlehensforderung-aus-einem-gesellschafterverrechnungskonto.html
21.06.2023
Transfer Pricing

BFH: Fremdübliche Verzinsung einer Darlehensforderung aus einem Gesellschafterverrechnungskonto

 Mit seinem Urteil vom 22.02.2023 (I R 27/20) hat der BFH in der Revision gegen das Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 28.05.2020 (1 K 67/17) entschieden und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Damit bestätigt der BFH, dass eine nicht angemessen verzinste Darlehensforderung aus einem Gesellschafterverrechnungskonto zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führen kann. Bei der Bewertung der vGA folgt der BFH dem von der Vorinstanz und dem Finanzamt (FA) gewählten Ansatz der „Margenteilung“.​​

Hintergrund

Am 25.05.2023 veröffentlichte der BFH sein Urteil vom 22.02.2023 (I R 27/20), mit welchem er die Revision gegen das Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 28.05.2020 (1 K 67/17) als unbegründet zurückverwies.

Das Urteil des FG betraf die Fremdüblichkeit der Verzinsung einer Darlehensforderung einer GmbH gegenüber einem inländischen Gesellschafter, die auf einem Verrechnungskonto verbucht wurde. Im Streitfall führte eine GmbH (Klägerin) für den Gesellschafter-Geschäftsführer A (60%iger Anteilsinhaber der GmbH) ab dem Jahr 2000 ein Verrechnungskonto, auf dem Zahlungsbewegungen im Verhältnis zu A gebucht und verrechnet wurden. Auf diesem Konto ergab sich ein positiver Saldo zugunsten der GmbH, für den – insb. in den Streitjahren 2014 und 2015 – auf eine Verzinsung verzichtet wurde. Das FA setzte folglich eine vGA gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG an, wobei eine fremdübliche Verzinsung i.H.v. 4,5% gem. § 162 AO geschätzt wurde. Maßstab hierfür war die Margenteilung aus banküblichen Habenzinsen (Untergrenze) und Sollzinsen (Obergrenze). Das FG stimmte der Vorgehensweise des FA insoweit zu. Die Verzinsung i.H.v. 4,5% stammte dabei ursprünglich aus einer tatsächlichen Verständigung für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2004, die auch in den Folgejahren bis 2013 entsprechend umgesetzt wurde.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück, da das FG ohne durchgreifende Rechtsfehler den Ansatz einer vGA dem Grunde nach erkannt habe und gegen deren Bewertung aus revisionsrichterlicher Sicht keine Einwände bestünden.

Im vorliegenden Fall sind FA, FG und BFH zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei der Forderung der GmbH gegenüber dem A aus dem Verrechnungskonto um eine Darlehensgewährung handelt, die in der Folge der fehlenden Verzinsung als vGA eingestuft wurde. Bewertungsmaßstab für eine vGA ist grundsätzlich der Fremdvergleichspreis, den fremde Dritte unter vergleichbaren Umständen untereinander vereinbart hätten. Bei dessen Ermittlung hat das FG lt. BFH alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen.

Nach bestehender höchstrichterlicher Rechtsprechung sei in Fällen, in denen Kapitalgesellschaften ein Verrechnungskonto für die bei ihr angestellten Gesellschafter führen und die Höhe der Sollbuchungen deren Gehälter übersteigen, in den entsprechenden Forderungen eine Darlehensgewährung zu sehen. Der Darlehenscharakter werde u.a. durch die Rückzahlungsverpflichtung aus der Erfassung auf dem Verrechnungskonto untermauert.

Eine allgemeine Zusammenfassung des BFH-Urteils findet sich im Deloitte Tax-Newsflash vom 01.06.2023). Im Rahmen dieses Beitrags werden daher vorwiegend ausgewählte und aus Verrechnungspreissicht relevante Fragestellungen näher beleuchtet.

Für die Beurteilung von Darlehensgeschäften zwischen Kapitalgesellschaften und beherrschenden Gesellschaftern stützt sich der BFH auf die folgenden von der Rechtsprechung präzisierten allgemeinen Grundsätze:

 

  • Zinslose oder unangemessen niedrig verzinste Darlehen einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter können grundsätzlich zu einer vGA führen
  • Zur Bestimmung fremdüblicher Zinsen für Darlehen ist vorrangig der Preisvergleich anzuwenden ​
  • Bei unangemessen verzinsten Verrechnungskonten ist der Margenteilungsgrundsatz als sachgerechter Erfahrungssatz für Bemessung angemessener Zinsen anerkannt

Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes trotz vorrangiger Anwendung der Preisvergleichsmethode für Darlehen

Obwohl für die Ermittlung fremdüblicher Zinsen für Darlehen lt. BFH-Rechtsprechung vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden ist (vgl. z.B. BFH I R 4/17), richtet sich die Zinsermittlung für die Darlehensforderung der GmbH gegenüber dem A aus dem Verrechnungskonto im vorliegenden Fall nach dem „Margenteilungsgrundsatz“, wobei bankübliche Habenzinsen als Untergrenze und bankübliche Sollzinsen als Obergrenze anzusehen sind. Die Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes gegenüber dem Preisvergleich wurde durch das FA im Streitfall durch einen Mangel an konkret vergleichbaren Kreditgeschäften begründet. Auch der BFH erkennt die Margenteilung für den vorliegenden Sachverhalt als sachgerechten Erfahrungssatz an, soweit keine anderen Anhaltspunkte für eine Schätzung erkennbar sind. Der BFH sah hier auch keinerlei Änderungsbedarf infolge seiner Urteile v. 18.5.2021 (insb. I R 4/17), die vom FG Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 28.05.2020 (1 K 67/17) noch nicht berücksichtigt werden konnten: Sofern eine Kapitalgesellschaft keine eigenen Bankgeschäfte betreibt (und somit auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat), sei eine reine Orientierung an den banküblichen Sollzinsen nicht gerechtfertigt. Eine reine Orientierung an banküblichen Habenzinsen scheide aufgrund fehlender Besicherung im vorliegenden Fall jedoch ebenfalls aus, weshalb es nicht zu beanstanden sei, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen werde, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen. Als Maßstab für die banküblichen Sollzinsen war eine Bundesbankstatistik für „revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte“ herangezogen, während für bankübliche Habenzinsen ein Wert nahe 0% unterstellt wurde. ​

Bandbreitenbetrachtung

Der BFH bestätigt grundsätzlich, dass im Zusammenhang mit der Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise häufig nicht „der eine Fremdvergleichspreis“ ermittelt werden kann, sondern vielmehr eine Bandbreitenbetrachtung notwendig ist. Im Zusammenhang mit der Berechnung einer vGA sollte dabei grundsätzlich von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Preis auszugehen. Nach Ansicht des BFH besteht allerdings „kein zwingender Grund, sich in der "Kreditvergabesituation" allein an dem vom Kreditgeber alternativ erzielbaren Habenzins als Vergleichsmaßstab und in der "Kreditaufnahmesituation" allein an dem vom Kreditnehmer alternativ hinzunehmenden Sollzins zu orientieren“, da diese Vorgehensweise unterschiedliche Fremdvergleichspreise für ein einheitliches Rechtsverhältnis zur Folge hätte, was aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeuge. Darüber hinaus scheide eine reine Orientierung an banküblichen Habenzinsen – wie bereits zuvor erwähnt – vor dem Hintergrund der fehlenden Besicherung aus.

(Fremdübliche) Sicherheiten

Der BFH misst der Frage nach einer „fremdüblichen Besicherung“ bei der Ermittlung fremdüblicher Zinsen eine besondere Bedeutung bei. Im vorliegenden Fall wurde die fehlende Besicherung als stützendes Argument für den angewendeten Zinssatz von 4,5% gesehen, da sich eine fehlende Besicherung grundsätzlich zinserhöhend auswirkt. Etwaige pfändbare Gehaltsansprüche oder verrechenbare Abfindungsansprüche des A seien im Streitfall nicht als angemessene Sicherheit anzusehen.

In seiner Urteilsbegründung setzt sich der BFH mit den Merkmalen „fremdüblicher Sicherheiten“ auseinander. In diesem Zusammenhang kämen nur solche Mittel in Betracht, „die dem Gläubiger einen besonderen Zugriff auf bestimmte werthaltige Vermögensgegenstände seines Schuldners gewähren und ihm hierdurch einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschaffen.“ In diesem Zusammenhang nennt der BFH bspw. Grundpfandrechte, Bürgschaften, Sicherungsabtretungen, Sicherungsübereignungen und Eigentumsvorbehalte. Ein weiteres Merkmal sei darüber hinaus, dass der Gläubiger durch eine fremdübliche Sicherheit gegen anderweitige Verfügungen des Schuldners geschützt wird.​

Fazit

Obwohl es sich im vorliegenden Streitfall um einen rein innerdeutschen Sachverhalt ohne Auslandsbezug handelt, lassen sich aus dem Urteil dennoch einige Erkenntnisse ziehen, die auch für grenzüberschreitende Verrechnungspreisfälle relevant sein dürften.

Methodenwahl: Zum Beispiel weicht der BFH mit seinem Urteil vom 22.02.2023 bei der Frage nach der Ermittlung fremdüblicher Darlehenszinsen insoweit von der bisherigen BFH-Rechtsprechung ab (insb. BFH-Urteil I R 4/17), als dass sich die Ermittlung der Zinsen im vorliegenden Streitfall nicht nach der Preisvergleichsmethode, sondern dem Margenteilungsgrundsatz richtet. Dabei wird die Nichtanwendbarkeit der nach BFH-Rechtsprechung vorrangig anzuwenden Preisvergleichsmethode für Darlehenstransaktionen im vorliegenden Fall mit einem Mangel an konkret vergleichbaren Kreditgeschäften begründet. Inwiefern eine entsprechende Suche nach Vergleichstransaktionen in diesem Zusammenhang unternommen wurde bzw. welche Vergleichbarkeitsfaktoren für die Definition eines „vergleichbaren Kreditgeschäfts“ im vorliegenden Fall ausschlaggebend waren, bleibt unklar. In seiner Entscheidung vom 18.05.2021 (I R 62/17) hat der BFH im Rahmen der Anwendung eines Preisvergleichs die Vornahme entsprechender Anpassungsrechnungen für einen Unterschied in Rang und/ oder Besicherung selbst ins Spiel gebracht.

Die Anwendung des Margenteilungsgrundsatzes stünde lt. BFH nicht im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung, als dass es sich im vorliegenden Fall um einen gänzlich anders gelagerten Sachverhalt handle, nämlich die „private Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter.“ Der BFH betont, dass der Margenteilungsgrundsatz nur insoweit als praktikables Hilfsmittel für den Fall anzuerkennen sei, dass keine anderen Anhaltspunkte für eine Schätzung erkennbar sind. Somit nimmt der BFH grundsätzlich eine deutliche Abgrenzung von herkömmlichen konzerninternen Darlehensvergaben vor.

Inwieweit diese Entscheidung künftig zu Diskussionen im Hinblick auf die im Einzelfall anzuwendende Verrechnungspreismethode für konkrete Einzelfälle (angesichts der Existenz bzw. der Definition von „vergleichbaren Geschäftsvorfällen“) führen könnte, bleibt abzuwarten.

Bandbreitenbetrachtung: Der BFH stellt grundsätzlich klar, dass für die Ermittlung von Fremdvergleichspreisen, welche den Maßstab für die Bewertung einer vGA darstellen, häufig eine Bandbreitenbetrachtung notwendig ist. Gleichwohl erläutert der BFH, dass bei der Berechnung einer vGA grundsätzlich von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Preis auszugehen ist. Übertragen auf eine vGA, die mittels Margenteilung aus banküblichen Soll- und Habenzinsen bewertet wurde, wäre dies gleichbedeutend mit dem Ansatz eines Wertes auf Basis der Habenzinsen, welche die Untergrenze der Bandbreite darstellen (ggf. unter Berücksichtigung einer entsprechenden Anpassung für die in diesem Fall fehlende Besicherung). In seinem Urteil entschied der BFH allerdings, dass eine einseitige Orientierung an banküblichen Soll- oder Habenzinsen nicht überzeugend sei, da dies zu unterschiedlichen Fremdvergleichspreisen für ein einheitliches Rechtsverhältnis führe.

Insofern bleibt fraglich, inwiefern das Konzept der Margenteilung mit dem Ansatz des günstigsten Wertes für den Steuerpflichtigen bei der Berechnung einer vGA vereinbar ist. Ebenso ist offen, ob diese Sichtweise – im Fall grenzüberschreitender Streitfälle – der Lösungsfindung im Rahmen von Verfahren zur Beseitigung möglicher Doppelbesteuerungen dient.

Sicherheiten: Darüber hinaus geht der BFH in seiner Urteilsbegründung detaillierter auf das Thema „fremdübliche Sicherheiten“ ein und stellt neben einzelnen Merkmalen auch eine (nicht abschließende) Auflistung an Beispielen bereit. Dies dürfte zumindest im Ansatz mehr Klarheit bzw. Anhaltspunkte für etwaige künftige Diskussionen im Rahmen von Betriebsprüfungen geben, wenn es um die Frage nach einer „fremdüblichen Besicherung“ geht.  

Betroffene Normen

​§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG, § 162 Abs. 1 AO, ​§ 42 Abs. 3 GmbHG, § 32a KStG

Streitjahr ​2014 und 2015

Vorinstanz

​Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.05.2020, 1 K 67/17 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 22.02.2023, I R 27/20​, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.02.2023, I R 27/20, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 18.05.2021, I R 4/17, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 18.05.2021, I R 62/17, siehe Deloitte Tax-News 

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