Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/bfh-fremdueblichkeit-der-nicht-besicherung-von-konzerninternen-darlehen.html
23.07.2020
Transfer Pricing

BFH: Fremdüblichkeit der (nicht) Besicherung von konzerninternen Darlehen

In mittlerweile acht Urteilen hat der BFH entschieden, inwieweit die steuerliche Anerkennung von Teilwertabschreibungen konzerninterner Darlehen zulässig ist. Auch wenn sich abzeichnet, dass der BFH durchaus differenziert entscheidet, wird in jedem der Urteile an den Kernaussagen festgehalten, dass die fehlende Darlehensbesicherung grundsätzlich fremdunüblich und ursächlich für die Teilwertabschreibung ist. Unsere Analyse untersucht die beiden Kernaussagen erstmals dezidiert empirisch.  

Hintergrund

In mittlerweile acht Urteilen hat der BFH entschieden, inwieweit die steuerliche Anerkennung von Teilwertabschreibungen konzerninterner Darlehen zulässig ist (Vgl. Entscheidungen v. 27.02.2019 (I R 73/16, I R 51/17, I R 81/17), v. 19.6.2019 (I R 54/17, I R 32/17, I R 5/17) und v. 14.08.2019 (I R 14/18, I R 34/18).

Auch wenn sich abzeichnet, dass der BFH durchaus differenziert entscheidet, wird in jedem der Urteile an zwei Kernaussagen festgehalten:

  1. Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen „Bedingungen“.
  2. Die Einkünfteminderung [Abschreibung seitens des Darlehensgebers] ist durch („dadurch“) die fehlende Besicherung eingetreten.

Während juristische Aspekte der Urteile bereits ausführlich in der Fachpresse diskutiert wurden, insb. die negierte Sperrwirkung des Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen gegenüber Korrekturen an konzerninternen Transaktionsbedinungen, wurden die beiden Kernaussagen meist nur anekdotisch widerlegt. Die folgende Analyse untersucht die beiden Kernaussagen erstmals empirisch.

Die Ergebnisse der empirischen Analyse widersprechen dem BFH: Weder sind Darlehen grundsätzlich besichert, noch ist die fehlende Besicherung immer ursächlich für die Teilwertabschreibung.

Analyse BFH Kernaussage 1: Die fehlende Darlehensbesicherung gehört grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen „Bedingungen“.

Zur Überprüfung der BFH Kernaussage wurde ein Datensatz mit knapp 5.700 Fremdkapitalvergaben zwischen fremden Dritten bezüglich der vorhandenen Bedingungen genutzt. Konkret wurde analysiert, inwieweit die Fremdkapitalvergaben mit expliziten Sicherheiten für die Gläubiger vergeben wurden. Die folgende Graphik fasst die Ergebnisse zusammen.

Grafik 1

Anteil an besicherten Fremdkapitalvergaben gegliedert nach Kreditwürdigkeit über den Gesamtzeitraum 2013-2017

Graphik 1 gliedert die Fremdkapitalvergaben nach Kreditwürdigkeit. Auf der X-Achse ist die Kreditwürdigkeit entsprechend der Einteilung von Standard & Poor’s zu finden. Von den angezeigten Issue-Ratings zum Vergabezeitpunkt entspricht „AAA“ der höchsten Kreditwürdigkeit und „B“ der niedrigsten.
Die Analyse kommt zu einem differenzierten Ergebnis: Fremdkapitalvergaben sind nicht grundsätzlich besichert. Die Wahrscheinlichkeit bzw. offenkundig die Notwendigkeit einer Besicherung steigt aber sehr stark mit der Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. mit einer Verringerung der Kreditwürdigkeit. Bei den vom BFH betrachteten Fremdkapitalausfällen muss man – v.a. aufgrund der Beschreibung des jeweiligen Sachverhalts in den Urteilen - wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Schuldner (stand-alone) ein Speculative-Grade Rating hatten. Dennoch zeigen die in Graphik 1 dargestellten Analysen, dass auch in diesem Bereich Fremdkapital unbesichert vergeben wird. Basierend auf dieser Beobachtung ist der Leitsatz des BFH, dass die fehlende Darlehensbesicherung grundsätzlich zu den nicht fremdüblichen "Bedingungen" i.S. des § 1 Abs. 1 AStG gehört, in seiner Pauschalität abzulehnen. 

Analyse BFH Kernaussage 2: Die Einkünfteminderung [Abschreibung seitens des Darlehensgebers] ist durch („dadurch“) die fehlende Besicherung eingetreten.

Während sich der BFH bei der Fremdüblichkeit der Besicherung ein Hintertürchen offen lässt, und in Ausnahmefällen zulässt, dass auch unbesicherte Darlehen fremdüblich sein können, positioniert er sich bezüglich der Ursächlichkeit der Teilwertabschreibung eindeutig. Es wird klar dargestellt, dass die fehlende Besicherung zum Zeitpunkt der Vergabe ursächlich für die spätere Abschreibung der Forderung ist (Urteil v. 27.02.2019, I R 73/16, Tz. 23). Folgt man dieser Logik des BFH und nimmt dem entsprechend 1. an, dass Darlehen zwischen fremden Dritten grundsätzlich besichert sind, und das 2. bei einer Besicherung keine spätere Teilwertabschreibung erfolgen kann, folgt daraus, dass Darlehen zwischen fremden Dritten nie ausfallen dürften.

Dies macht bei einem Blick auf die Praxis stutzig.
Wir haben die von der Ratingagentur Moody’s veröffentliche „Annual default study: Defaults will rise modestly in 2019 amid higher volatility“ vom 1 Februar 2019 betrachtet, um diese Thematik genauer zu analysieren. Wie der Titel schon verrät, enthält die Studie umfangreiche Informationen zu Unternehmensinsolvenz und – für uns besonders wichtig – Deckungsquoten verschiedener Fremdkapitalinstrumente im Falle eines Zahlungsausfalls des Gläubigers („Default“). Moody’s präsentiert in der Studie bzgl. der Deckungsquoten („recovery rates“) sowohl historische Zahlen aus dem Zeitraum 1983-2018 als auch aktuelle Zahlen aus 2018. Im Zeitraum 1983-2018 wurden insgesamt etwas über 3.000 ausgefallene Fremdkapitalvergaben von Moody’s untersucht und enthalten auch Ausfälle aus dem o.a. untersuchten Datensatz. Die folgende Graphik präsentiert die Deckungsquoten für den gesamten Moody’s-Datensatz.  

Grafik 2

Deckungsquoten (Recovery Rates) unterschiedlich besicherter Fremdkapitalinstrumente bei Ausfall

Die Fremdkapitalarten werden in Anleihen („Bonds“) und Darlehen („Loans“) gegliedert. Darüber hinaus wird zwischen Fremdkapitalvergaben mit sehr guter Besicherung („1st Lien“), weniger guter Besicherung („2nd Lien“), keiner Besicherung („unsecured“), Nachrangigkeit („subordinated“), geringer Priorität („Jr.“) und hoher Priorität („Sr.“) bei Zahlungsausfall differenziert.

Die Daten von Moody’s zu den Deckungsquoten lassen vier Kernaussagen zu:

  1. Selbst bei bestbesicherten Fremdkapitalvergaben (1st Lien Bank Loans und 1st Lien Bonds) ist die Deckungsquote klar unter 100%. Wie aus den schraffierten Bereichen in o.a. Graphik hervorgeht, können auch bei bestbesicherten Fremdkapitalvergaben 36% (45%) der Gläubigeransprüche nicht gedeckt werden. D.h. selbst die beste Besicherungsklasse schützt nicht vollständig vor signifikanten Teilwertabschreibungen bzw. Ausfällen.
  2. Eine Besicherung erhöht allerdings – unter sonst gleichen Bedingungen – die Deckungsquote.
  3. Andere Bedingungen, wie v.a. der Rang bei Zahlungsausfall, sind offenkundig ebenfalls maßgeblich für die Deckungsquote.
  4. Bedingungen wie Besicherung und Rang sind für die Deckungsquote bedeutender als die Fremdkapitalform.

Der BFH Meinung, dass die fehlende Besicherung aufgrund mangelnder Fremdüblichkeit dann auch pauschal alleine ursächlich für die Teilwertabschreibung ist, kann damit nicht gefolgt werden. Denn offensichtlich ist die Werthaltigkeit der Sicherheit selbst bei bestbesichertem Fremdkapital nicht immer ausreichend, um eine Teilwertabschreibung von vornherein auszuschließen, wie es der BFH scheinbar unterstellt.

Fazit

Die empirischen Analysen stehen im klaren Widerspruch zu Kernaussagen der BFH Urteile. Damit sind die Aussagen des BFHs in ihrer Grundsätzlichkeit kaum haltbar. Eine einzelfallbasierte Analyse – wie vom BFH trotz der genannten Kernaussagen in den Urteilen getätigt – ist notwendig.

Eine detaillierte Analyse, welche neben den obigen Kernaussagen weitere wichtige Aspekte wie z.B. die Werthaltigkeit von Besicherungen im Zeitverlauf und die Interaktion der BFH Urteilen mit BGH Urteilen zum Insolvenzrecht evaluiert, wird voraussichtlich im Herbst folgen und an dieser Stelle verlinkt werden.

Betroffene Normen

§ 1 Abs. 1 AStG, Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen

Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.02.2019, I R 51/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 27.02.2019, I R 81/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 27.02.2019, I R 73/16, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 19.06.2019, I R 54/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 19.06.2019, I R 32/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 19.06.2019, I R 5/17, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 14.08.2019, I R 14/18, siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 19.06.2019, I R 34/18, siehe Deloitte Tax News

Ihr Ansprechpartner

Felix Ebeling
Senior Manager

febeling@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-3191

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.