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23.03.2022
Transfer Pricing

BFH: Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei konzerninterner internationaler Arbeitnehmerentsendung

​In seinem Urteil vom 04.11.2021 thematisiert der BFH Fragestellungen in Bezug auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Arbeitgebers bei konzerninternen, internationalen Arbeitnehmerentsendungen. Das Urteil umfasst sowohl lohnsteuerliche als auch verrechnungspreisbezogene Aspekte und zeigt einmal mehr, wie bedeutsam die adäquate Gestaltung, Dokumentation und Bepreisung von Mitarbeiterauslandseinsätzen für die Vermeidung von steuerlichen Risiken ist.

Sachverhalt

Die in der Schweiz ansässige A AG schloss im Streitjahr 2009 eine „Dienstleistungsvereinbarung“ („DV“) mit Ihrer deutschen Tochtergesellschaft (Klägerin), um die Geschäftsführungsvakanz der Klägerin zu schließen. Demnach sollte B, Verwaltungsrat der A AG und CEO der Unternehmensgruppe, Geschäftsführungsdienstleistungen für die Klägerin erbringen. B sollte ausschließlich im Namen, Auftrag und Risiko der Klägerin handeln (§ 2 DV). Die Vergütung für seine Leistungen sollte gemäß § 3 DV dem Fremdvergleich entsprechen. Als Vergleichsbasis wurde das Gehalt des Vorgeschäftsführers herangezogen. Die Zahlung erfolgte in monatlichen Pauschalbeträgen unter ausdrücklichem Verzicht auf eine Gewinnmarge seitens der A AG. B wurde 2009 als Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister eingetragen.

Aufgegriffen wurde das Thema in einer Lohnsteueraußenprüfung von Juli 2012 bis Oktober 2015. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass die Klägerin nach § 38 Abs. 1 S.2 EStG als wirtschaftlicher Arbeitgeber des B anzusehen sei und die für seine Leistung gezahlten Vergütungen dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen seien. Das Finanzamt erließ daraufhin einen entsprechenden Haftungsbescheid. Das FG Thüringen wies in seinem Urteil vom 13.12.2018 (3 K 795/16) die Klage der deutschen Tochtergesellschaft hiergegen zurück und bestätigte die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug. Der BFH wiederum erkannte in seinem Urteil vom 04.11.2021 die Revision der Klägerin an und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Entscheidungsgründe des BFH

Zunächst geht der BFH auf die Frage ein, wer im vorliegenden Fall Arbeitgeber im Sinne des Lohnsteuerrechts ist. Da die Klägerin unstreitig nicht der zivilrechtliche Arbeitgeber des B ist, kommt es darauf an, ob sie durch das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns des B für seine Leistungen wirtschaftlicher Arbeitgeber des B wird. Die Auszahlung des Arbeitslohns ist hierbei unbeachtlich. Der BFH betont, dass es hierbei nicht nur auf das wirtschaftliche Tragen des Arbeitslohns ankommt, sondern auch darauf, dass die Leistung des B im Interesse der Klägerin erfolgt, dass B in deren Arbeitsabläufe eingebunden sein und ihren Weisungen unterliegen muss. Dabei kommt der BFH zu folgenden Ergebnissen in Bezug auf die genannten Kriterien:

a. Wirtschaftliches Tragen des Arbeitslohns des B

In Bezug auf die Frage, ob die Klägerin den Arbeitslohn des B wirtschaftlich trägt, ist laut BFH unter Verweis auf das BMF-Schreiben BStBl I 2018, 643, Rz. 128, auf den wirtschaftlichen Gehalt sowie die tatsächliche Durchführung der Vereinbarung, hier also der DV, abzustellen. Der BFH erkennt zwar an, dass in der DV eine Personalgestellung vereinbart wurde und keine Dienstleistungsverpflichtung der A AG vorliegt, betont jedoch, dass von den gezahlten Pauschalen keine Rückschlüsse auf das Tragen des Arbeitslohns des B möglich sind. Dies liegt nach Auffassung des BFH daran, dass sowohl Inhalt als auch zeitlicher Umfang der Leistungen des B sowohl gegenüber seinem rechtlichen Arbeitgeber A AG als auch gegenüber der Klägerin nicht klar definiert sind. Hinzu kommt laut BFH, dass sich die auf Basis der DV gezahlten Pauschalen nicht am tatsächlichen Arbeitslohn des B, sondern am Arbeitslohn von dessen Vorgänger orientieren.

Eine Bestimmung des auf die Tätigkeit bei der Klägerin entfallenden Arbeitslohns des B sei somit laut BFH auf Basis der vorliegenden und von der Vorinstanz analysierten Informationen nicht möglich. Demnach sei auch nicht feststellbar, ob die Pauschalen einer Dienstleistungsvergütung, deren Preisbestandteil B's Arbeitslohn dann wäre, entsprechen oder ob sie tatsächlich direkt die Übernahme von B's Arbeitslohn durch die Klägerin reflektieren.

 b. Arbeitsverhältnis versus Organstellung des B

Der BFH teilt die Auffassung des FG, dass B seine Leistungen im Interesse der Klägerin erbringt. Hinsichtlich der Einbindung des B in die Arbeitsabläufe der Klägerin sowie dessen Weisungsgebundenheit stellt der BFH jedoch fest, dass sich diese nicht per se aus der Eigenschaft des Geschäftsführers ergeben. Vielmehr sei zu unterscheiden zwischen Organstellung und Anstellungsverhältnis des B in seiner Funktion als Geschäftsführer. Unabhängig von der organschaftlichen Stellung des B sei laut BFH für die Frage, ob es sich bei dem Anstellungsverhältnis um ein Arbeitsverhältnis des B gegenüber der Klägerin handelt, auf die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung von selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit abzustellen.

In Ermangelung eines Geschäftsführer-Dienstvertrags zwischen der Klägerin und B sowie aufgrund des Fehlens von Informationen zur tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit, der Rechte und Pflichten des B gegenüber der Klägerin kommt der BFH im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass auf Basis der vorhandenen Informationen nicht feststellbar sei, ob B seine Leistungen gegenüber der Klägerin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbringt. Laut BFH kann hier die Beteiligungsquote (des B an der A AG sowie der A AG an der Klägerin) ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit des B gegenüber der Klägerin darstellen.

c. Verrechnungspreisaspekte der DV-Vergütung

Im Hinblick auf die Fremdüblichkeit der Leistungsvergütung zwischen der A AG und der Klägerin nimmt der BFH dazu Stellung, wie diese zu beurteilen wäre, wenn tatsächlich ein Arbeitsverhältnis und somit die Erstattung von Arbeitslohn durch die gezahlten Pauschalen vorläge. In diesem Fall sei die angemessene Vergütung bzw. die Aufteilung des Arbeitslohns des B auf Basis seiner Arbeitsleistung gegenüber der Klägerin zu bestimmen. Ein zu hoher und damit nicht fremdüblicher Vergütungsanteil der Pauschalen sei als verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin gegenüber der A AG anzusehen. Der BFH betont in diesem Zusammenhang, dass die verdeckte Gewinnausschüttung nicht der Lohnsteuerhaftung unterliegt.

Fazit

Aus den oben beschriebenen Gründen verweist der BFH das Urteil zurück an das Finanzgericht.

Das Urteil zeigt sehr deutlich, dass bei Mitarbeiterauslandseinsätzen neben der genauen Identifikation der Transaktion auch deren Bepreisung präzise und adäquat erfolgen sollte, um steuerliche Risiken zu vermeiden. Grundsätzlich kommen als Transaktionen im Wesentlichen die Ausgestaltung als Dienstleistung oder als Arbeitnehmerentsendung in Frage. Beide sind an klare Kriterien geknüpft. Insbesondere sollte die Verrechnungspreisgestaltung in Bezug auf die gewählte Transaktion klar und eindeutig sein. Hier hat der BFH in seinem Urteil klargemacht, dass Pauschalen ohne genauere wirtschaftliche Analyse zu Missverständnissen führen können und keine Grundlage für die Prüfung der Vergütung darstellen.

Ferner macht das Urteil deutlich, wie nah lohnsteuerliche und verrechnungspreisbezogene Aspekte sowie die entsprechenden Risiken in Bezug auf Mitarbeiterauslandseinsätze beieinanderliegen. Eine bereichsübergreifende Betrachtung und Abstimmung innerhalb des Unternehmens ist also grundsätzlich empfehlenswert. Das Urteil ist ein hilfreicher erster Schritt zur Klärung der unzähligen und in ihrer Vielfältigkeit spannenden Future of Work Thematiken, welche derzeit für sehr viele Unternehmen aktuell sind.

Betroffene Normen

§§ 1, 18, 19, 38, 42d, 49 EStG; § 1 LStDV; § 15 DBA CHE

Streitjahr
​2009

Vorinstanz

Finanzgericht Thüringen, Urteil vom 13.12.2018, 3 K 795/16, EFG 2019 S.1205

Fundstelle

BFH, Urteil vom 04.11.2021, VI R 22/19

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