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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/bmf-gewinnzuordnung-bei-betriebsstaetten-ohne-personalfunktion.html
13.02.2020
Transfer Pricing

BMF: Gewinnzuordnung bei Betriebsstätten ohne Personalfunktion

Hinweis: Aktuelle Entwicklungen auf OECD-Ebene bezüglich der Gewinnzuordnung und Betriebsstättendefinition sind auch Gegenstand der Deloitte Veranstaltung "Verrechnungspreise in der C-Suite. Mehr zur Veranstaltung

Die Finanzverwaltung hat die Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) um eine Textziffer 6a ergänzt. Mit ihrem Schreiben vom 17.12.2019 will das BMF die Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern bei Betriebsstätten ohne maßgebliche Personalfunktion (sog. funktionslose Betriebsstätten) regeln. 

Hintergrund

Die sich rasch entwickelnden digitalen Geschäftsmodelle lassen die Frage aufkommen, inwieweit das bisher angewandte Besteuerungssystem für Betriebsstättensachverhalte noch angemessen und zeitgemäß ist. Gerade in Bezug auf die Gewinnzurechnung bei personallosen Betriebsstätten, die nicht nur im digitalen Bereich (bspw. Server-Betriebsstätten) vorkommen können, scheint der deutsche Gesetzgeber vor großen Herausforderungen zu stehen.

Verwaltungsanweisung

Die neu ergänzte Textziffer 6a wird in den Abschnitt 1.1 der VWG BsGa eingefügt, der allgemeine Ausführungen zum Regelungsziel enthält, und besteht lediglich aus zwei Sätzen.

Der erste Satz legt fest, dass im Fall einer Betriebsstätte ohne maßgebliche Personalfunktion (z.B. Wind-, Solarkraftanlagen usw.) die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen ebenfalls eine andere Behandlung erfordern kann. Offen bleibt, auf welche andere Behandlungen das BMF referenziert und wie bei Betriebsstätten mit „einfachen“ (nicht maßgeblichen) Personalfunktionen zu verfahren ist. 

Im zweiten Satz verweist die Textziffer 6a auf die mögliche Anwendung der Grundsätze der Textziffern 66 und 75 des Berichtes über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten der OECD vom 22.07.2010 für die Frage der Zuordnung von Wirtschaftsgütern und der Gewinnaufteilung. Allerdings haben nach bislang unbestrittener allgemeiner Auffassung Verlautbarungen der OECD innerstaatlich keine Bindungswirkung für Steuerpflichtige und Gerichte. Daran ändert auch die Bezugnahme durch die VWG BsGa nichts, die lediglich die Finanzverwaltung bindet. Die OECD-Verlautbarungen können allenfalls als unverbindliche Auslegungshilfe bei der Interpretation des im nationalen Recht verankerten Fremdvergleichsgrundsatzes herangezogen werden.

Die danach anzuwendenden Textziffern 66 und 75 des Berichtes über die Zurechnung von Gewinnen zu Betriebsstätten der OECD vom 22.07.2010 werden im Folgenden zusammengefasst:

Textziffer 66:

  • Es ist anerkannt, dass ein Server an seinem Standort eine Betriebsstätte begründet, ohne dass Personal an diesem Standort Funktionen ausübt. Es stellt sich die Frage, welche Funktionen von dieser sogenannten Server-Betriebsstätte ohne Personal ausgeführt werden können, welche Vermögenswerte eingesetzt und welche Risiken übernommen werden.
  • Dabei sind laut OECD nur solche Risiken und Vermögenswerte zu berücksichtigen, die direkt mit der Server-Hardware verbunden sind.
  • Mangels Personalfunktion können jedoch im Rahmen des AOA (Authorized OECD Approach) einer solchen Betriebsstätte keine Risiken und Vermögenswerte zugeordnet werden.
  • Damit wäre dieser Betriebsstätte nur ein geringer bzw. gar kein Gewinn zuzurechnen.

Textziffer 75:

Für die Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter werden in der Textziffer 75 zwei Optionen diskutiert: 

  1. Eine Zuordnung der betreffenden Wirtschaftsgüter, die sich physisch in der Betriebsstätte befinden, könne basierend auf einer Funktions- und Sachverhaltsanalyse erfolgen. Wenn eine Betriebsstätte wie der Mieter/Pächter eines materiellen Wirtschaftsguts zu behandeln sei, habe diese im Regelfall Anspruch auf bestimmte Abzüge, bspw. für Mietzahlungen.
  2. Insbesondere in den Fällen, in denen eine feste Geschäftseinrichtung (Artikel 5 Absatz 1 OECD-MA 2017) gerade wegen des Vorhandenseins dieser materiellen Wirtschaftsgüter im Betriebsstättenstaat anzunehmen ist, soll sich die Zuordnung nach deren Standort, der als Ort der Nutzung bezeichnet wird, richten. Als fiktiver wirtschaftlicher Eigentümer des materiellen Wirtschaftsguts – auch ohne zugeordnete maßgebliche Personalfunktion – habe die Betriebsstätte Anspruch auf Steuerabzüge auf Grund von Wertminderung (im Fall abschreibbarer Güter) und Zinszahlungen (im Fall ganz oder teilweise durch Schuldenaufnahme finanzierter Güter).

Die OECD argumentiert, dass in der Praxis in den meisten Fällen beide Optionen zu denselben bzw. nicht wesentlich unterschiedlichen Ergebnissen führen. Da beide Optionen aber in einem bestimmten Jahr oder über mehrere Jahre hinweg zu unterschiedlichen Gewinnzurechnungen führen könnten, hat sich die OECD darauf verständigt, die „Nutzung“, d.h. den Standort der betreffenden Wirtschaftsgüter – als Kriterium für deren Zuordnung heranzuziehen.
Unabhängig von den beiden Optionen bleibt die Frage, von welchen Erträgen, die anscheinend auch ohne Personalfunktionen der Betriebsstätte zugeordnet werden sollen, entsprechende Abzüge möglich sein sollen. 

Fazit

Mit der Ergänzung der VWG BsGa (siehe Deloitte Tax-News) um die Textziffer 6a scheint das BMF weiterhin einem Kurs der engen Anlehnung an die OECD Berichte zu folgen. Während gemäß AOA mangels Personalfunktion einer solchen Betriebsstätte keine Risiken und Vermögenswerte zugeordnet werden können, verweist das BMF in Anlehnung an die OECD Verlautbarungen bei der Zuordnung von materiellen Wirtschaftsgütern bei personallosen Betriebsstätten auf ihre Nutzung. Unter „Nutzung“ wurde allerdings bislang immer die Nutzung durch Personalfunktionen verstanden.

Im Allgemeinen scheinen viele Unklarheiten im Bereich der steuerlichen Behandlung von personallosen Betriebsstätten bzw. von Betriebsstätten im Zusammenhang mit digitalen Geschäftsmodellen zu bestehen. Insbesondere stellt sich im vorliegenden Zusammenhang die Frage, wie ein fiktiver Miet- oder Pachtvertrag (dealing) zwischen einem Unternehmen und seiner Betriebsstätte begründet werden kann, wenn eine „Nutzung“ durch die Betriebsstätte wegen des gänzlichen Fehlens einer entsprechenden Personalfunktion der Betriebsstätte scheitert. Die neu eingefügte Textziffer 6a klärt dieses Problem nicht.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Ergänzung der VWG BsGa um die Textziffer 6a zum einen das Problem der Gewinnzurechnung zur personallosen Betriebsstätte nicht löst und zum anderen die Textziffer 6a keine belastbare Rechtsgrundlage für die deutsche Finanzverwaltung bietet (allenfalls in entsprechenden Fällen ausländischer Betriebsstätten eine Selbstbindung der Verwaltung zu Gunsten des Steuerpflichtigen, insbesondere wenn das betreffende Ausland entsprechende Steueransprüche stellt).

Die Ergänzung kann wegen der Selbstbindung der Finanzverwaltung als ein Schritt in die richtige Richtung verstanden werden, um Doppelbesteuerung zu vermeiden. Eine sichere, ausgewogene Rechtsgrundlage schafft die neue Textziffer 6a jedoch nicht.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 17.12.2019, Betriebsstätten ohne Personalfunktion (sog. funktionslose Betriebsstätten), IV B 5 - S 1341/19/10010 :003

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