Zurück zur Übersicht
URL: http://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/die-paritaetische-gewinnaufteilung-beim-profit-split-gewohnheitsrecht-oder-theoretisch-fundierte-vorgehensweise.html
28.04.2015
Transfer Pricing

Die paritätische Gewinnaufteilung beim Profit Split – Gewohnheitsrecht oder theoretisch fundierte Vorgehensweise?

Die zunehmende Bedeutung von IP im internationalen Handel ist heute nicht mehr zu bestreiten. Unternehmen wie Microsoft, Google oder auch Amazon zeigen, dass es keiner massiven Produktionsanlagen mehr bedarf, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Die Anwendung der Standardmethoden zur Verrechnungspreisbestimmung ist in diesen Fällen oftmals nicht oder nur eingeschränkt möglich. Eine praktikable Alternative bietet die Gewinnaufteilungsmethode, bei der sich jedoch die Frage stellt, nach welchem Schlüssel die Gewinne aus einer Transaktion aufzuteilen sind.

Ausgangssituation

Die geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmethode kann nach dem Verständnis der deutschen Finanzbehörden immer dann zur Anwendung kommen, wenn die Standardmethoden nicht oder nicht verlässlich zur Anwendung gebracht werden können (Tz. 3.4.10.3 c) VGr Verfahren, 2005). Die Frage, nach welchem Maßstab die Gewinne genau aufgeteilt werden sollen, wird hingegen nicht beantwortet. Stattdessen wird allgemein auf „fremdübliche Gewinnaufteilungsmaßstäbe“ verwiesen, ohne diesen Begriff näher zu erläutern.

Während im Falle von Joint Ventures zweier oder mehrerer Unternehmen eine Aufteilung der Überschüsse analog zu den Geschäftsanteilen sinnvoll erscheint – die Partei, die den größten Anteil am Risiko trägt, hat Anspruch auf den größten Anteil am Gewinn – ist diese Faustregel bei konzerninternen Transaktionen nur selten anwendbar, da hier i. d. R. eine einzelne Obergesellschaft (direkt oder indirekt) die Verfügungsgewalt über alle untergeordneten Legaleinheiten im Konzern ausübt.

Für den Fall verbundener Unternehmen regt die OECD in ihren Verrechnungspreisrichtlinien an, dass ein Weg darin bestehen könnte, Verhandlungsergebnisse zwischen unabhängigen Unternehmen auf dem freien Markt nachzubilden (vgl. OECD, 2010: 109) und spricht sich damit für die Simulation einer dezentralen Lösung aus.

In der Praxis werden Transaktionsgewinne in Ermangelung praktikabler Ansätze zur Nachbildung derartiger fiktiver Verhandlungen bis heute oftmals pauschal paritätisch auf die Parteien aufgeteilt. Der nachfolgende Beitrag zeigt, warum ein solches Vorgehen durchaus spieltheoretisch begründet werden kann und welche Möglichkeiten bestehen, von einer paritätischen Gewinnaufteilung abzuweichen. Dazu sind im ersten Schritt wenige Grundlagen der Spieltheorie aufzuarbeiten.

Grundlagen der Spieltheorie

Gegenstand der Spieltheorie ist die Analyse von strategischen Entscheidungssituationen (vgl. Holler/Illing, 2006: 1). Im ökonomischen Sinne behandelt die Spieltheorie Situationen, in denen das Resultat von den Entscheidungen mehrerer Entscheidungsträger abhängt, jeder Entscheidungsträger sich dieser Interdependenz bewusst ist, jeder Entscheidungsträger davon ausgeht, dass sich alle anderen ebenfalls der Interdependenz bewusst sind und jeder diese Voraussetzungen in seinen eigenen Entscheidungen berücksichtigt (vgl. ebenda). Weiterhin sind alle Spieler rational bestrebt, ihre eigene erwartete Auszahlung zu maximieren (vgl. Bester, 2012: 211).

Ziel der Spieltheorie ist es, optimale Strategien für einzelne Spieler unter den o. g. Prämissen zu ermitteln (vgl. Zimmermann/Stache, 2001: 314). Prinzipiell zeichnet sich die Spieltheorie dadurch aus, dass sie einen stark mathematisch geprägten, formalen Ansatz verfolgt. Im Gegensatz zur konventionellen Ökonomie ist sie ein verhältnismäßig junger Zweig.

Eine Systematisierung der Spieltheorie beruht auf der Unterscheidung kooperativer und nicht kooperativer Spiele. Die nicht kooperative Spieltheorie stellt Akteure in den Vordergrund, die Handlungen in (teilweiser) Unkenntnis ihrer Umwelt ausführen und dabei bestimmte Ziele verfolgen. Jeder der Spieler tritt dabei individuell auf. Demgegenüber steht die kooperative Spieltheorie, bei der die Spieler verbindliche Absprachen treffen können (vgl. Sieg, 2005: 76) und somit die Möglichkeit zur Koalitionsbildung haben.

Der vorliegende Beitrag soll sich im Weiteren auf nicht kooperative Situationen konzentrieren. Zwar ist in der Praxis auch eine Kooperation mehrerer Manager eines Konzerns denkbar. Eine spieltheoretische Lösung des sich ergebenden Problems stellt jedoch in der Regel Anforderungen an die Verfügbarkeit bestimmter Informationen, die in der Praxis nicht erfüllt sind (bspw. die Kenntnis der Marginalerlöse).

Bestimmung von Verrechnungspreisen in nicht kooperativen Situationen

Generell sind mehrere Modelle geeignet, ein nicht kooperatives Verhandlungsspiel zu simulieren: Nachfolgend soll der Ansatz nach Stahl (Verhandlungsspiel mit endlichem Horizont) sowie der Ansatz nach Rubinstein (unendlicher Horizont) näher betrachtet werden.

Der Ansatz nach Stahl (1972)

Grundlage des Modells ist ein bestimmter Geldbetrag (bspw. der Residualgewinn aus einer Transaktion), der zwischen zwei Spielern aufgeteilt werden muss. Der erste Spieler macht einen Vorschlag zur Allokation. Dieser kann vom zweiten Spieler angenommen werden; das Spiel bzw. die Verhandlung ist in diesem Fall zu Ende. Sofern das Angebot nicht angenommen wird, kann ein Gegenangebot gemacht werden, das durch den ersten Spieler erneut angenommen oder abgelehnt werden kann (vgl. Stahl, 1972: 33). Die Anzahl der Spielrunden ist begrenzt (endlicher Horizont). Sofern keine Einigung erzielt werden kann, erhalten beide Spieler eine Auszahlung von null. Durch die Begrenzung der Spielrunden kann auch dieses Setting leicht durch Rückwärtsinduktion gelöst werden (vgl. Fudenberg/Tirole, 1991: 114). Sofern die Anzahl der maximal möglichen Perioden ungerade ist, macht der erste Spieler das letzte Angebot. Sofern die Anzahl der maximalen Spielrunden hingegen gerade ist, liegt das letzte Angebot bei Spieler zwei. Der Spieler, der das letzte Angebot machen kann, wird seinem Kontrahenten den kleinstmöglichen Teil des Gewinns zusprechen (bspw. 1%) und dieser wird das Angebot annehmen. Nähme er es nicht an, käme es zu keiner Einigung, so dass beide Spieler keine Auszahlung erhalten. Die Allokation hängt in diesem Fall nur von der Frage ab, ob die Anzahl der maximalen Spielrunden gerade oder ungerade ist und welcher der beiden Spieler das erste Angebot machen darf. In der Verrechnungspreispraxis wäre vor allem die Frage zu beantworten, welche Partei das erste Angebot machen kann und wie die Anzahl der Runden festgelegt wird.

Unterstellt man ergänzend zum Standardmodell Zeitpräferenzen (durch Finanzierungskosten bzw. entgangene Zinsen) ergibt sich ein abweichendes Bild. Sofern angenommen wird, dass eine hohe Anzahl von Spielrunden möglich ist, verringert sich der Wert des zu verteilenden Gewinns stetig (durch die fortschreitende Abzinsung). Daneben verringert sich auch der Unterschied zwischen den tatsächlichen Auszahlungen beider Spieler mit zunehmender Spieldauer und wird somit unabhängiger von der Tatsache, ob eine gerade Anzahl von Runden oder eine ungerade Anzahl gespielt wird. Sofern zusätzlich angenommen wird, dass die Angebote in schneller Folge abgegeben werden können, ist damit zu rechnen, dass beide Spieler ca. die Hälfte des zu verteilenden Gewinns erhalten. Somit entspricht die Modelllösung der Praxis.

Ein möglicher Kritikpunkt, der dem Modell inhärent ist und ggf. auch von Finanzbehörden vorgebracht werden könnte, ist die Frage, warum von einer endlichen Anzahl von Verhandlungsrunden ausgegangen wird. Theoretisch existiert kein Argument, dass zwingend gegen eine weitere Verhandlungsrunde spricht. In der praktischen Anwendung könnte vorgebracht werden, dass die Möglichkeit zur Realisation der Transaktion nur für eine bestimmte, extern begrenzte Periode besteht. Die Tatsache, dass die Abfolge von Gebot und Gegengebot (in der Realität) nicht unendlich schnell erfolgen kann, führt dann zwingend zu einer endlichen Anzahl von Verhandlungsrunden. Nichtsdestotrotz soll diese Limitierung im nächsten Schritt aufgegeben werden.

Der Ansatz nach Rubinstein (1982)

Rubinstein (1982) erweiterte das von Stahl (1972) und anderen angedachte endliche Verhandlungsspiel. Die Erweiterung sah vor, dass die Restriktion einer letzten Verhandlungsperiode verworfen wurde, so dass die Verhandlung theoretisch unendlich lange dauern konnte. Faktisch war diese Einschränkung bei der Annahme einer Vielzahl von Verhandlungsperioden bereits stark ausgehöhlt. Alle weiteren Annahmen des Modells nach Stahl blieben unberührt.

Erwartungsgemäß ist das Ergebnis dieses Verhandlungsspiels erneut von der Zeitpräferenz (angegeben durch den Diskontsatz der Auszahlung) abhängig. Sofern die Gebote in sehr schneller Folge abgegeben werden können, bspw. ein Gebot pro Minute im Falle einer Verhandlung im Rahmen eines Meetings, ergibt sich erneut eine (fast) paritätische Aufteilung der Gewinne. Interessanter wird der Fall, wenn davon ausgegangen wird, dass durch die beteiligten Manager unterschiedliche Diskontsätze angewendet werden.

Dies ist bspw. dann denkbar, wenn die beteiligten Manager in unterschiedlichen Ländern ansässig sind und dort unterschiedliche Zinsniveaus vorherrschen. In diesem Fall ist ein Abweichen von der paritätischen Gewinnaufteilung möglich und ergibt sich aus den Modellannahmen. Die Möglichkeiten, auf diesem Wege Verteilungen zu begründen, die stark von einer Aufteilung des Residualgewinns zu gleichen Teilen abweichen, sind jedoch begrenzt. Sofern die Abgabe der Gebote weiterhin hinreichend schnell erfolgt, ist der Einfluss unterschiedlicher Zinsniveaus gering.

Bewertung des möglichen Einsatzes einer spieltheoretischen Modellierung in der Verrechnungspreispraxis

Von den hier vorgestellten Modellen weist das zuletzt erläuterte Rubinstein-Spiel mit Sicherheit die größte Wahrscheinlichkeit auf, von den beteiligten Finanzbehörden akzeptiert zu werden. Diese Einschätzung begründet sich auf zwei Aspekte: Zum einen stellt es den wohl realistischsten Ansatz einer konzerninternen Verhandlungssituation unter den hier genannten Modellen dar. Zum anderen führt es zu einem Ergebnis, das zumindest mit deutschen Richtlinien weitestgehend im Einklang ist. Daher kann eine Anwendung als durchaus praktikabel angesehen werden, sofern die Dokumentation angemessen erfolgt. Eine angemessene Dokumentation sollte hier vor allem berücksichtigen, dass die Herangehensweise und die Annahmen ausführlich dargestellt werden, um eine hohe Verständlichkeit auf Seiten der involvierten Finanzbehörden zu gewährleisten.

Dennoch existieren verschiedene Aspekte, die in der Praxis der Verrechnungspreisbestimmung von Bedeutung sein können, in den genannten Modellen jedoch nicht hinreichend berücksichtigt wurden. So ist bspw. die Frage zu nennen, ob seitens der Konzernleitung nicht ein Einigungszwang umgesetzt werden kann. In den diskutierten Modellen besteht ein solcher Zwang nicht; jede Partei hat die Möglichkeit, die angebotene Aufteilung der Gewinne abzulehnen und somit die gesamte Transaktion zu verhindern (nicht kooperatives Setting).Aus der Perspektive der Konzernleitung kann dieser Ausgang jedoch nicht gewünscht sein.

Dem ist entgegenzuhalten, dass unter fremden Dritten ebenfalls die Möglichkeit der Totalverweigerung gegeben ist, selbst wenn dies keine gewinnmaximierende Alternative darstellt. Weiterhin stellen die hier behandelten Ansätze ausschließlich auf zwei Parteien ab. Dies mag in Einzelfällen eine bedeutende Einschränkung darstellen, in der Mehrheit der praktischen Fragestellungen sollte diese Restriktion jedoch wenige Probleme bereiten. Sofern notwendig, kann eine Transaktion ggf. in mehrere Sub-Transaktionen aufgeteilt werden, an der jeweils nur zwei Unternehmen/Abteilungen beteiligt sind.

Aus Praxissicht hat dies unter anderem folgende Bedeutung: Sofern eine Transaktion nur aufgrund der Zugehörigkeit beider Parteien zum Konzern zustande kommt, die „on stand-alone basis“ nicht zur Einigung geführt hätte, ist darüber nachzudenken, wer diese Preisdifferenz zu tragen hat. Denkbar wäre zum einen, dass aufgrund von möglichen Synergien, die beide Parteien als konzernzugehöriges Unternehmen erzielen können, die Preisdifferenz paritätisch aufzuteilen ist. Zum anderen wäre denkbar, dass nachweislich keine Vorteile für beide Parteien bestehen, sondern dass die Einigung einzig und allein im Interesse der Konzernleitung ist. In diesem Fall wäre die Preisdifferenz als sog. Shareholder-Kosten anzusehen, die von der Obergesellschaft als Gesellschafter der Konzerntöchter zu tragen wären.

Fazit

Es konnte gezeigt werden, dass einfache spieltheoretische Modelle wie das Rubinstein-Spiel zu einer Gewinnaufteilung führen, die der in der Praxis oft gesehenen paritätischen Aufteilung entsprechen. Sofern eine solche Aufteilung von Finanzbehörden angezweifelt wird, ist es also durchaus denkbar, einen der hier vorgestellten Ansätze als Erklärungsmuster aufzugreifen.

Für eine abweichende, nicht paritätische Aufteilung der Gewinne sind indes komplexere Settings notwendig, die auch die jeweiligen Funktions- und Risikoprofile der involvierten Parteien berücksichtigen. Gleichwohl sollte dabei bedacht werden, dass die gewählten Modelle für die Finanzbehörden weiterhin nachvollziehbar und verständlich bleiben und von der Realität nicht zu stark abstrahieren.

Literatur

Bester, H. (2012): Theorie der Industrieökonomik, 6. Auflage, Berlin/Heidelberg.
Fudenberg, D.; Tirole, J. (1991): Game Theory, Massachusetts.
Holler, M.; Illing, G. (2006): Einführung in die Spieltheorie, 6. Auflage, Berlin/Heidelberg.
OECD (2010): Verrechnungspreisrichtlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen, Fassung vom 22.07.2010, Paris.
Rubinstein, A. (1982): Perfect Equilibrium in a Bargaining Model, in: Econometrica, 50 (1), 97-109.
Sieg, G. (2005): Spieltheorie, 2. Auflage, München.
Stahl, I. (1972): Bargaining Theory, Stockholm.
Zimmermann, W.; Stache, U. (2001): Operations Research. Quantitative Methoden zur Entscheidungsvorbereitung, 10. Auflage, München.

www.deloitte-tax-news.de Diese Mandanteninformation enthält ausschließlich allgemeine Informationen, die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen eines Einzelfalles gerecht zu werden. Sie hat nicht den Sinn, Grundlage für wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen jedweder Art zu sein. Sie stellt keine Beratung, Auskunft oder ein rechtsverbindliches Angebot dar und ist auch nicht geeignet, eine persönliche Beratung zu ersetzen. Sollte jemand Entscheidungen jedweder Art auf Inhalte dieser Mandanteninformation oder Teile davon stützen, handelt dieser ausschließlich auf eigenes Risiko. Deloitte GmbH übernimmt keinerlei Garantie oder Gewährleistung noch haftet sie in irgendeiner anderen Weise für den Inhalt dieser Mandanteninformation. Aus diesem Grunde empfehlen wir stets, eine persönliche Beratung einzuholen.

This client information exclusively contains general information not suitable for addressing the particular circumstances of any individual case. Its purpose is not to be used as a basis for commercial decisions or decisions of any other kind. This client information does neither constitute any advice nor any legally binding information or offer and shall not be deemed suitable for substituting personal advice under any circumstances. Should you base decisions of any kind on the contents of this client information or extracts therefrom, you act solely at your own risk. Deloitte GmbH will not assume any guarantee nor warranty and will not be liable in any other form for the content of this client information. Therefore, we always recommend to obtain personal advice.