Ende 2018 hat das EU Joint Transfer Pricing Forum einen Report zum Thema koordinierter Ansatz der EU-Staaten für Verrechnungspreiskontrollen (= Betriebsprüfungen) innerhalb der EU veröffentlicht. Ziel des Berichts ist es, einen koordinierten Ansatz für Verrechnungspreisprüfungen innerhalb der EU vorzuschlagen, um eine Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung zu vermeiden. Der Bericht skizziert die Instrumente, die auf der Grundlage des derzeitigen EU-Rechtsrahmens zur Zielerreichung genutzt werden können.
Unter anderem als Folge des OECD-BEPS Projekts und aufgrund unterschiedlicher nationaler Interpretationen der Ergebnisse des Projekts drohen gerade im Bereich der Verrechnungspreise in erheblichem Umfang internationale Steuerstreitigkeiten. Durch diese Entwicklungen und aufgrund der langen Bearbeitungszeiten von Verständigungsverfahren und der ohnehin schon hohen Anzahl von unbearbeiteten Fällen (zu einem Überblick über die Anzahl der innerhalb der EU laufenden Verständigungsverfahren siehe Deloitte Tax News) besteht auch in der EU ein erheblicher Bedarf, Steuerstreitigkeiten möglichst zu vermeiden bzw. effektiv zu beseitigen – auch durch alternative Lösungsansätze.
Ein abgestimmtes Prüfungsvorgehen der an der Prüfung von Verrechnungspreissachverhalten beteiligten Finanzverwaltungen wird dabei als wirkungsvolles Mittel zur Vermeidung von Steuerstreitigkeiten, Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung gesehen. Offen bleibt allerdings, wie dies in der Praxis konkret umgesetzt werden wird. Neben bilateralen Vereinbarungen (z.B. zu Joint Audits), ist der Report der Versuch durch das EU Joint Transfer Pricing Forum (EU JTPF) einen Rahmen aufzuzeigen und vom Europäischen Rat als Empfehlung zu beschließen, der zu einer breiteren Anwendung derartiger Verfahren führt und sinnvoll genutzt werden kann.
Hierfür legt das EU JTPF in dem Bericht zum koordinierten Ansatz für Verrechnungspreiskontrollen Vorschläge für „EU Best Practices“ vor, die eine entsprechende Grundlage darstellen sollen. Die Kontrollen werden von den Finanzverwaltungen, in denen die jeweiligen verbundenen Unternehmen steuerlich ansässig sind, koordiniert und innerhalb des jeweils anwendbaren rechtlichen Rahmens (z.B. nationale Regelungen und EU Recht) durchgeführt.
Grundsätzlich soll hierbei kein Informationsaustausch außerhalb des vereinbarten Prüfungsfeldes stattfinden. Es ist Aufgabe aller Beteiligten darauf zu achten, dass die Kooperation der Finanzverwaltungen in dem Rahmen bleibt, den die koordinierte Verrechnungspreiskontrolle vorgibt und nicht darüber hinausgeht.
Auf EU-Ebene wurde mit der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU (im Folgenden „Amtshilferichtlinie“) eine Grundlage für die Anwesenheit ausländischer PrüferInnen in den Amtsräumen von Behörden, für die Teilnahme an behördlichen Ermittlungen (Artikel 11) sowie für „Gleichzeitige Prüfungen“ (Artikel 12) geschaffen.
Wird die Amtshilferichtlinie in jedem Mitgliedstaat ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt und die Anwesenheit von ausländischen Beamten und der sofortige unmittelbare Informationsaustausch entsprechend zwischen den jeweiligen Steuerverwaltungen vereinbart, sind damit bereits weitreichende Möglichkeiten der Koordination von Verrechnungspreiskontrollen vorhanden. Diese sollten im Wesentlichen auch nicht weniger wirksam sein als ein „Joint Audit“, wie es die OECD in ihrem Joint Audit Report definiert. Es bleibt die Herausforderung einer flächendeckenden, nationalen Umsetzung der Amtshilferichtlinie durch alle Mitgliedsstaaten, damit diese auch entsprechende Wirkung entfaltet. Die Umsetzung der Richtlinie ist zwar verpflichtend, allerdings noch nicht in allen Mitgliedsstaaten erfolgt.
Der Bericht des EU JTPF enthält, basierend auf Rückmeldungen der Mitgliedsstaaten, einen Überblick über den Stand der Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie.
Außer Ungarn haben alle Mitgliedstaaten den Fragebogen beantwortet, der zu folgenden Ergebnissen führte:
Als Problem in diesem Zusammenhang wird allerdings verschiedentlich die (fehlende) Möglichkeit von korrespondierenden und steuerreduzierenden Korrekturen zugunsten des Steuerpflichtigen außerhalb von Verständigungsverfahren gesehen. Etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten haben derartige innerstaatliche Vorschriften nicht kodifiziert. Damit koordinierte Verrechnungspreiskontrollen effektiv sein können, also ein internationaler Besteuerungskonflikt über Verrechnungspreise ohne Verständigungsverfahren vermieden werden kann, muss die Möglichkeit dafür geschaffen werden.
Soweit zwischen den Mitgliedsstaaten der EU allerdings in den jeweiligen DBA eine Regelung besteht, die Art. 9 Abs. 2 OECD-MA entspricht, dürfte dies u.E. bei zutreffender Auslegung des DBAs regelmäßig nicht notwendig sein, da Art. 9 Abs. 2 OECD-MA auch außerhalb von Verständigungsverfahren anwendbar und laut seinem eindeutigen Wortlaut „self-executing“ ist (anders als Art. 9 Abs. 1 OECD-MA). Diese Rechtsauffassung wird allerdings nicht von allen Staaten geteilt, weshalb es beispielsweise Italien für notwendig gehalten hat, die Möglichkeit zu unilateralen Gegenkorrekturen 2018 in das nationale Recht einzuführen.
Vor diesem Hintergrund spricht das EU JTPF folgende Empfehlungen zum koordinierten Ansatz für Verrechnungspreiskontrollen aus:
Koordinierte Verrechnungspreiskontrollen können eine geeignete Maßnahme zur Minimierung von Steuerstreitigkeiten sein und effektivere und effizientere Betriebsprüfungen ermöglichen. Das EU JTPF stellt hierfür einen Rahmen in Form von Best Practice Empfehlungen auf.
Ob die potentiellen Effizienzgewinne und eine effektiv abgestimmte Besteuerung tatsächlich entsprechend umfassend realisiert werden können, bleibt zunächst offen. Eine abschließende Beurteilung wird wohl erst nach einigen Jahren internationaler Praxis möglich sein. Die bisherige Erfahrung zeigt jedoch, das koordinierte Verrechnungspreiskontrollen deutlich schneller und unkomplizierter funktionieren als Verständigungs- oder gar Schiedsverfahren. Im Rahmen von „Joint Audits“ (siehe OECD) können entsprechende Verfahren auch über die EU hinaus auf Basis von Art. 26 OECD-Musterabkommen entsprechenden DBA-Regelungen insbesondere mit anderen OECD-Staaten und mit Vertragsparteien des Amtshilfeübereinkommens angewandt werden. Deutschland hat beim Bundeszentralamt für Steuern ein eigenes Referat für die Koordination der Verfahren geschaffen und bereits Erfahrungen in Joint Audits mit ca. 25 Staaten gesammelt. Es ist zu erwarten, dass diese Zahl weiter ansteigt.
Mit der Möglichkeit, in geeigneten Fällen ein Vorabverständigungsverfahren (APA) an ein Joint Audit anzuschließen, was aufgrund der bereits erfolgten Verständigung über den maßgeblichen Sachverhalt dann deutlich einfacher als im Rahmen eines separaten Verfahrens sein sollte, kann weitere Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen geschaffen werden. Es bleibt daher zu hoffen, dass in der EU und darüber hinaus die Bereitschaft der Staaten wächst, entsprechende Verfahren durchzuführen, und die notwendigen Rahmenbedingungen für die Durchführung von koordinierten Verrechnungspreiskontrollen und für die effektive Umsetzung der Ergebnisse geschaffen werden, sei es durch die Umsetzung der Empfehlungen des EU JTPF oder durch andere geeignete Maßnahmen.
EU Joint Transfer Pricing Forum, Report zum Thema „koordinierter Ansatz der EU-Staaten für Verrechnungspreiskontrollen“
Artikel zum Thema „EU Joint Transfer Pricing Forum: Aktuell diskutierte Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“, siehe Deloitte Tax News
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